EU-Parlament stimmt Telekompaket zu
Das EU-Parlament hat am Dienstag auf seiner Sitzung in Straßburg mit 510 von 736 Stimmen das lange umstrittene Telekompaket angenommen. Mit diesem Richtlinienbündel wird der Telekommunikationsmarkt der Union neu geordnet.
Unter anderem wird auf EU-Ebene ein Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK; auch: BEREC) installiert, das die Arbeit der Regulierungsbehörden in den Mitgliedsländern koordinieren soll.
Für eine lange Verzögerung der Annahme hat der Streit über den Zusatz 138 zur Rahmenrichtlinie gesorgt, der vom Parlament zum Schutz der Nutzer vor Internet-Sperren ohne richterlichen Beschluss bei Verletzung des Urheberrechts ("Three Strikes Out") eingebracht worden war.
Speziell die Regierungen Frankreichs und Großbritanniens, die solche Maßnahmen gegen Urheberrechtsverletzer einführen wollen, hatten sich monatelang hartnäckig gegen die Festschreibung des Rechtsschutzes für Internet-Nutzer gesperrt. Zuletzt fanden Parlament und Rat zu einem Kompromiss, der eher zur Rechtsmeinung des Parlaments neigte.
Auf Anfrage von ORF.at zeigte sich die grüne EU-Abgeordnete Eva Lichtenberger zufrieden. "Ich habe dafür gestimmt", so Lichtenberger, "jetzt kommt es aber darauf an, dass die Vorgaben der Richtlinie zum Schutz der Bürger und ihrer Daten in den Mitgliedsstaaten - auch in Österreich - auch richtig umgesetzt werden. Wir haben einen optimalen Rechtsrahmen - die Regierungen müssen ihn nur umsetzen wollen."
Schnellere Rufnummernübertragung
Auch Paul Rübig, Telekomexperte der ÖVP im EU-Parlament und Unterhändler im Vermittlungsverfahren mit Kommission und Rat, zeigte sich nach jahrelanger Arbeit am Telekompaket mit dem Ergebnis zufrieden: "Der erzielte Kompromiss sieht vor, dass bei Urheberrechtsverletzungen im Internet der Zugang zwar eingeschränkt werden kann und die Mitgliedsstaaten entsprechende Maßnahmen beschließen können. Jede Einschränkung des Internet-Zugangs muss vorab auf dem Rechtsweg überprüft werden können. Ein faires und unparteiisches Verfahren ist garantiert", so Rübig in einer Aussendung vom Dienstag.
Auch in Details wie der Rufnummernmitnahme bringe das Telekompaket Vorteile für die Konsumenten. So dürfe die Rufnummernübertragung, für die die Telekoms bisher bis zu zwei Wochen brauchen durften, mit Inkraftteten der Richtline nur noch einen Werktag dauern.
Kritik von Bürgerrechtlern und Linksfraktion
Kritik kam hingegen von der Fraktion GUE/NGL, dem Bündnis europäischer Linksparteien. In einer Mitteilung vom Dienstag kritisierte die schwedische Abgeordnete Eva-Britt Svensson, dass das Telekompaket die Netzneutralität nicht nachhaltig sichere: "Das Internet könnte zu einem besseren Kabelfernsehen werden", warnte Svensson.
Außerdem unterwerfe das Telekompaket das Netz den Regeln des Binnenmarkts, und Einsprüche müssten damit vor dem EuGH geltend gemacht werden. "Die Redefreiheit sollte nicht vom EuGH geregelt werden", so Svensson.
Auch die französische Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net hat das Telekompaket erneut scharf kritisiert. "Die schädlichen Passagen, die im endgültigen Text enthalten sind, könnten einen Schritt Rückwärts für den Schutz der Grundrechte im Internet bedeuten", so die Organisation in einer Mitteilung vom Dienstag. Das Telekompaket schütze die Netzneutralität nicht und lasse die Tür für wettbewerbsschädliche Praktiken seitens der Internet-Anbieter weit offen. Diese könnten nun ungehindert in den Datenverkehr eingreifen, um ihre kommerziellen Interessen durchzusetzen.
Das Telekompaket wird am 25. November 2009 von den Präsidenten des EU-Parlaments und des Rates unterzeichnet, es wird am 18. Dezember 2009 mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft treten. Das Regulierungsgremium GEREK soll im Frühjahr 2010 eingerichtet werden. Die Mitgliedsstaaten müssen die Bestimmungen des Telekompakets bis Juni 2011 umgesetzt haben.
(futurezone/Günter Hack)