Proteste gegen Data-Retention intensiviert
Bürgerrechtsorganisationen haben die EU-Kommission aufgefordert, die umstrittene Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung (Data-Retention) aufzuheben. In Wien trifft sich der österreichische AK Vorrat zu einer ersten großen Informationsveranstaltung.
Der Dachverband European Digital Rights (EDRi) und der deutsche Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) forderten die Europäische Union am Dienstag auf, die 2006 beschlossene Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten aufzuheben.
Aktion in Österreich
Am Dienstag um 18.30 Uhr lädt der österreichische Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung zu einer Informationsveranstaltung ins Audimax der Universität Wien ein. Daran beteiligt sind unter anderem das Wiener Zentrum für Rechtsinformatik, die Österreichische Computer Gesellschaft (OCG; AK Rechtsinformatik), die Arbeitsgruppe Rechtsinformatik der Universität Wien und das Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte (BIM).
Die Richtlinie schränke nicht nur die Freiheit aller Bürger ein, sondern bringe auch die ständige Gefahr eines Verkaufs, Verlustes oder sonst nachteiliger Verwendung der gesammelten Daten über persönliche Kontakte, Mobiltelefonstandorte und Internet-Nutzungen ein.
Obendrein würden die anfallenden Kosten an die Kunden weitergegeben, was höhere Preise für Telekommunikationsdienste und weniger Wettbewerb bedeute, hieß es. Der österreichische Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Data-Retention-Richtlinie in nationales Recht befindet sich derzeit in Begutachtung. Er sieht eine minimale Umsetzung der Richtlinie mit Speicherfristen von sechs Monaten vor.
Derzeit streiten sich das federführende Infrastrukturministerium und das Innenministerium darüber, ob die Polizei auch ohne richterlichen Beschluss zu präventiven Zwecken Zugriff auf die IP-Adressen aus der Data-Retention erhalten soll.
Menschliche Beziehungsnetzwerke
"EDRI und seine Mitglieder setzen sich seit Jahren gegen diese Richtlinie mit dem Argument ein, dass eine derartige Vorratsdatenspeicherung zwangsläufig gefährlich weit in die Privatsphäre eingreift. Kommunikationsdaten gehen erheblich über einfache Listen angerufener Nummern und Anrufzeiten hinaus. Verbindungsdaten werden inzwischen zur grafischen Darstellung menschlicher Beziehungsnetzwerke und vor allem zur Darstellung menschlichen Verhaltens und menschlicher Absichten verwendet", ruft Meryem Marzouki (EDRI) in Erinnerung.
Rumänien, Bulgarien, Deutschland
In einer Reihe von Mitgliedsstaaten waren oder sind Gerichtsverfahren anhängig. Verfassungsgerichte in Rumänien und Bulgarien haben die lokalen Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung bereits für verfassungswidrig erklärt.
Das deutsche Bundesverfassungsgericht wird sich im Dezember mit Beschwerden von über 34.000 Bürgerinnen und Bürgern befassen. Eine weitere Klage ist in Irland anhängig, in der Tschechischen Republik ist zurzeit eine in Vorbereitung.
"Untergräbt die Demokratie"
"Anonymität ist in einem demokratischen Staat für eine Vielzahl von Aktivitäten unverzichtbar. Alle Bürger einer ständigen Aufzeichnung ihrer Kontakte auszusetzen droht die Demokratie, die verteidigt werden soll, zu untergraben oder sogar zu zerstören. Die Europäische Kommission muss diesem Big-Brother-Gesetz jetzt ein Ende setzen", forderte Patrick Breyer vom deutschen AK Vorrat.
Als Minimalvariante fordern die Datenschützer die Einführung eines Wahlrechts, so dass jeder Mitgliedsstaat frei entscheiden kann, ob er eine Vorratsdatenspeicherung verlangt oder nicht.