© Fotolia/Franz Pfluegl, Junge Frau mit Fernbedienung

Konflikt über digitale Dividende hält an

REGULIERUNG
04.12.2009

Am Freitag sind erstmals Vertreter aller Interessengruppen bei einer Diskussion zur umstrittenen Vergabe der digitalen Dividende in Wien an einem Tisch gesessen. Die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP legten ihre völlig konträren Meinungen dar, während es zwischen Mobilfunkern und Kabelnetz- sowie Rundfunkbetreibern zu einer Annäherung kam.

Es ging um die künftige Verwendung der im Bereich 790 bis 862 MHz frei werdenden Analog-TV-Frequenzen (digitale Dividende) in Österreich.

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Auch wenn die Positionen der verschiedenen Parteien sehr unterschiedlich sind, scheint ein Kompromiss nicht ausgeschlossen zu sein. Rundfunk- und Kabelnetzbetreiber könnten sich eine Einigung vorstellen, sofern die Mobilfunker die frei werdenden Frequenzen "ausschließlich" im ländlichen Raum nützen würden. Unterschiedliche Positionen verlauteten auch die Innovationssprecher der Regierungsparteien.

ÖVP für schnelle Entscheidung

ÖVP-Innovationssprecherin Karin Hakl betonte einmal mehr, dass zwar die Frequenzen für den Rundfunk interessant seien, jedoch noch viel mehr für den Mobilfunk. Mit der Vergabe an die Mobilfunker "ist die Voraussetzung gegeben, dass jeder Österreicher Zugang zu schnellem Internet hat", so Hakl.

Die ÖVP-Politikerin setzt sich vor allem für eine rasche Entscheidung ein. Mit ihren Forderungen nach einer schnellen Vergabe an die Mobilfunker liegt sie auf einer Linie mit der Europäischen Kommission. Auch EU-Kommissarin Viviane Reding gab zuletzt den Mobilfunkern den Vorzug gegenüber den Kabelnetzbetreibern und Rundfunkanstalten.

In der EU stehen derzeit zentrale Fragen für die Entwicklung der Informationsgesellschaft zur Diskussion. ORF.at hat Rudolf Strohmeier, Kabinettschef von EU-Medienkommissarin Viviane Reding, dazu befragt. Dieser ist der Meinung, dass es keine Alternative zu einem flächendeckenden Glasfaserausbau in der EU gebe.

Glasfaser vs. Richtfunk

Anders sah das SPÖ-Innovationssprecher Kurt Gartlehner: "Ich bin mir nicht sicher, ob es momentan schon Sinn macht, die digitale Dividende zu vergeben." Wenn ein leistungsfähiges Netz auszubauen sei, dann sollte es die Entwicklung des Glasfasernetzes sein. Gartlehner äußerte Bedenken, dass die Mobilfunker nur in eine "billige und schnelle Lösung investierten wollen".

"Die digitale Dividende gehört dem Volk", betonte Orange-CEO Michael Krammer. Den größten Nutzen hätte das Volk in finanzieller Hinsicht. "Die Mobilfunker zahlen für Frequenznutzungen bereits jetzt rund 20 Millionen Euro jährlich in die Staatskassen", so Krammer. Auch durch die Vergabeerlöse, voraussichtlich in Form einer Versteigerung, würde Geld fließen.

Dafür gebe es auch eine flächendeckende Versorgung mit Breitbandinternet, so Krammer, wobei nicht unbedingt ein Glasfaserausbau notwendig sei. "Wir arbeiten zu 80 Prozent mit Richtfunkstrecken."

Robert Chvatal, Chef von T-Mobile Austria, betonte, dass klare Rahmenbedingungen notwendig seien, wenn in die vierte Mobilfunkgeneration investiert werden soll. Außerdem werde laut derzeitigen Plänen der Mobilfunker weniger als ein Viertel der gesamten Dividende beansprucht: Das Frequenzband reiche von 470 bis 862 MHz, die Mobilfunker wollen lediglich den Bereich 790 bis 862 MHz.

Rundfunk: Pluralismus sichern

Michael Wagenhofer, Geschäftsführer der ORF-Sendetechniktochter ORS, erläuterte, dass sämtliche bestehenden Frequenzen des Rundfunks ausgeschöpft seien. Für die digitale Dividende gebe es alternative Möglichkeiten, so sei das GSM-Band demnächst zu "refarmen", also in einen anderen Frequenzbereich zu verschieben.

Der Rundfunk hätte hingegen nur die durch die digitale Dividende gebotene Möglichkeit, um weitere innovative Fernsehdienste wie HDTV terrestrisch anzubieten. Zudem dürfe nicht nur das monetäre Argument gesehen werden, der Rundfunk erfülle auch demokratiepolitische Aspekte und sorge für Pluralismus.

Wagenhofer wies zudem auf die technischen Probleme hin. Kulturbetriebe wie die Bregenzer Festspiele, die derzeit das Frequenzband der digitalen Dividende für ihre Funkmikrofone nutzen, hätten nach der Vergabe an die Mobilfunker kein Band mehr.

Technische Probleme für Set-Top-Boxen

Günther Singer, Vorsitzender der Berufsgruppe Kabel-TV des Wirtschaftskammerfachverbands Telekommunikations- und Rundfunkunternehmungen, betonte ein anderes technisches Problem. Würden die Mobilfunker die digitale Dividende nutzen, dann könnte es zu Interferenzen mit den Set-Top-Boxen kommen.

Davon betroffen seien auch alle neuen TV-Geräte, die mit DVB-T und DVB-C ausgestattet sind und nicht über Satelliten- oder Kabel-TV verfügen. Diese teuren Anschaffungen "müssten die Menschen wieder wegschmeißen".

Kompromiss

Wagenhofer erläuterte dazu, dass es keine Probleme gebe, wenn die Frequenzen nur in den ländlichen Gebieten genutzt würden. Das Problem seien hingegen die Ballungsgebiete. Ein Kompromiss wäre für Wagenhofer, die digitale Dividende ausschließlich in ländlichen Gebieten zu nutzen. Dann komme "man sich nicht in die Quere". Bedingung sei jedoch, den "ländlichen Raum genau zu definieren" und die Lösungen für die Funkmikrofone der Kulturbetriebe vorab zu suchen.

Krammer wie Chvatal betonten, dass die Frequenzen für die Ballungszentren aufgrund der geringen Kapazitäten wenig Sinn ergeben würden. Eine "ausschließliche Nutzung" der Frequenzen für den ländlichen Raum könne jedoch nicht garantiert werden, so Chvatal gegenüber ORF.at.

Umsetzung

Hakl sagte abschließend, sie hoffe, dass es bereits 2011 zu einem Entschluss kommen werde. Die für die Entscheidung zuständige Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) hatte zuletzt bekanntgegeben, dass es vor 2015 zu keiner Vergabe der Frequenzen kommen werde. Die Entscheidungsgrundlage soll eine Studie liefern, die im Frühjahr 2010 fertig sein soll.

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