Bürgerrechtler: Offener Brief gegen ACTA
Ein internationaler Verbund von Bürgerrechtlern hat sich mit einem offenen Brief zum Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) an die EU-Kommission und das Europaparlament gewandt. Ihre Forderung: Die geheimen Verhandlungen mit den USA seien sofort zu öffnen.
ACTA ist ein Abkommen, das seit 2007 zwischen den USA, der EU und anderen Industriestaaten verhandelt wird. Sowohl die USA als auch die EU-Kommission verweigern bisher die Herausgabe aktueller Verhandlungsunterlagen an Konsumentenschützer und Bürgerrechtler, während gleichzeitig zahlreiche Lobbyisten aus Pharma- und Medienkonzernen stets auf dem neuesten Stand gehalten werden, wie die US-Organisation Knowledge Ecology International (KEI) im März 2009 nachweisen konnte.
Die Unterzeichnerorganisationen, zu denen auch die Bürgerrechtsgruppen La Quadrature du Net, Netzpolitik.org und EDRi sowie der Konsumentenschützer-Dachverband Consumers International (mit Mitgliedern in 115 Staaten) gehören, bezeichnen ACTA als "weltweite Bedrohung für die Freiheit".
Versorgung mit Medikamenten betroffen
Der kanadische Rechtsprofessor und Copyright-Experte Michael Geist warnte kürzlich anhand durchgesickerter Dokumente davor, dass die US-Medienkonzerne ACTA dazu nutzen wollen, ihre restriktiven Copyright-Vorstellungen auf die ganze Welt auszudehnen. Sicher ist anhand der wenigen bisher von der EU-Kommission veröffentlichten Dokumente, dass die Internet-Provider für die in ihren Netzen transportierten Inhalte haftbar gemacht werden sollen. Das wäre eine radikale Abkehr von der bisherigen Praxis in Europa. Der Providerverband EuroISPA hat daher bereits am 30. November eine kritische Stellungnahme zu den Plänen der Kommission abgegeben.
Die Bürgerrechtler und Konsumentenschützer sehen durch ACTA nicht nur die Informationsfreiheit bedroht. Die renommierte britische Hilfsorganisation Oxfam etwa warnt davor, dass ACTA auch die Möglichkeiten von Entwicklungsländern zur Produktion erschwinglicher Medikamente stark einschränken würde. Die Geschlossenheit der Verhandlungen weise darauf hin, dass in ACTA nur die eng gefassten Vorstellungen von Großkonzernen Berücksichtigung fänden.
Neue Maßnahmen gegen Informationsfreiheit
La Quadrature du Net wies am Mittwoch darauf hin, dass das EU-Parlament derzeit auch an einem Bericht zu einer Mitteilung der EU-Kommission zum Thema "Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte" arbeite. In der Mitteilung der Kommission, die im JURI-Ausschuss des Parlaments behandelt wird, wird einmal mehr die "freiwillige" Zusammenarbeit zwischen Internet-Providern und Rechteinhabern heraufbeschworen, ebenso wie die vom Parlament bereits mehrmals abgelehnten Filtermaßnahmen und "Three Strikes Out"-Gesetze. Alternative Ideen wie die Einführung einer Kulturflatrate dagegen kommen in dem Dokument der Kommission erst gar nicht vor.
La Quadrature du Net weist darauf hin, dass die von der Kommission ins Auge gefassten Maßnahmen auch Thema in den ACTA-Verhandlungen seien. Die nächste Verhandlungsrunde zu ACTA wird im Jänner 2010 in Mexiko-Stadt stattfinden.