EU beendet Browserstreit mit Microsoft
Die EU-Kommission hat im Streit über die Dominanz von Microsoft auf dem Markt für Web-Browser das jüngste Angebot des Konzerns angenommen. Die Nutzer sollen beim Start von Windows nun unter bis zu zwölf verschiedenen Browsern auswählen können.
Die EU-Kommission erklärte am Mittwoch in Brüssel Zugeständnisse des weltgrößten Software-Konzerns für rechtsverbindlich und stellte damit das dazugehörige Wettbewerbsverfahren ein.
Hält sich Microsoft nicht an das Abkommen, wird eine Strafzahlung in Höhe von zehn Prozent des Jahresumsatzes fällig. Die Wirksamkeit der Abmachung wird in zwei Jahren nochmals überprüft werden und Microsoft muss der Kommission halbjährlich über den Stand des Systems berichten.
Die Marktanteile
Weltweit führt laut den aktuellen Zahlen des Marktforschungsunternehmens NetApplications vom November der IE mit 63,62 Prozent vor Firefox (24,72 Prozent), Safari (4,36 Prozent), Chrome (3,93 Prozent) und Opera (2,31 Prozent).
In Deutschland hat der freie Browser Firefox den Internet Explorer bereits an der Spitze der Charts abgelöst, wie eine Umfrage des Marktforschungsunternehmens Fittkau & Maaß gezeigt hat. Dort führt Firefox 3 mit 44,2 Prozent vor dem Internet Explorer 8 mit 25,5 Prozent - inklusive der Versionen 7 und 6 kommt der IE allerdings auf einen Marktanteil von 44,4 Prozent. Alle Firefox-Varianten kommen zusammen auf 45,6 Prozent.
Auswahlbildschirm per Systemupdate nachinstalliert
Das EU-Verfahren war nach einer Beschwerde des norwegischen Browser-Herstellers Opera vom Dezember 2007 eingeleitet worden. Opera warf Microsoft vor, seine dominante Stellung auf dem Markt der Betriebssysteme zur Durchsetzung des Web-Browsers Internet Explorer zu nutzen.
Microsoft wird in den kommenden fünf Jahren in den Mitgliedsstaaten des EWR (EU plus Island und Norwegen; die Schweiz ist nicht betroffen) den Nutzern von Windows XP, Windows Vista und Windows 7 einen Auswahlbildschirm anzeigen, bei dem der Nutzer wählen kann, ob er statt oder zusätzlich zum Internet Explorer noch einen anderen Browser installieren möchte. Laut Auskunft einer Sprecherin von Opera am Mittwoch auf Anfrage von ORF.at wird die Reihenfolge der angebotenen Browser auf der Liste per Zufallsgenerator ermittelt, damit kein Produkt bevorzugt platziert werde.
Auch Computerhersteller können auswählen, welche Browser sie mit Windows ausliefern möchten. Ist nur der Internet Explorer vorinstalliert, müssen die Nutzer die anderen Browser allerdings aus dem Internet nachladen. Der Auswahlbildschirm wird via Windows Update auch auf Systemen nachinstalliert, die bereits eingerichtet wurden.
Das alternative Dutzend
Der Auswahlbildschirm, der ab Mitte März 2010 verfügbar sein wird, wird bis zu zwölf alternative Browser anbieten, darunter auch Mozillas Firefox, Google Chrome, Apples Safari und Opera. Die bei der Auswahl getroffene Entscheidung für den System-Standardbrowser kann der User jederzeit wieder ändern und auf einen anderen Browser wechseln. Selbstverständlich ist es auch weiterhin möglich, mehrere verschiedene Browser auf Windows zu installieren.
Zur eigentlich wichtigeren Frage der Interoperabilität schrieb EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes, dass die Kommission die Publikation weiterer Informationen zu diesem Thema veröffentlicht habe und das begrüße. Man werde das Verhalten des Konzerns bei der Offenlegung von Schnittstellen in seinen Produkten allerdings weiter beobachten.
Beschwerdeführer zufrieden
In einer ersten Reaktion von Mittwoch zeigte sich der ursprüngliche Beschwerdeführer Opera mit dem Kompromiss zufrieden. Opera-Geschäftsführer Jon von Tetzchner bezeichnete die Entscheidung als "Sieg für die Zukunft des Web". Der Auswahlbildschirm biete den Konsumenten eine echte Wahlmöglichkeit.
Auch Microsoft-Justiziar Brad Smith zeigte sich über die Entscheidung der Kommission zufrieden und über den Abschluss der langen Verhandlungen erleichtert. Man werde sich an die Vereinbarung halten und auch in Sachen Interoperabilität weiterarbeiten.
Die Free Software Foundation Europe (FSFE) hat der EU-Kommission in einer Mitteilung vom Mittwoch zu ihrer Entscheidung gratuliert. Die FSFE war an dem Verfahren als Drittpartei mit beteiligt. FSFE-Präsident Karsten Gerloff sagte, er sei erfreut, dass die Kommission dem Microsoft-Monopol auf dem Desktop Grenzen gesetzt habe.
Erfreut ist die FSFE auch darüber, dass die Kommission das Interoperabilitätsverfahren weiterlaufen lässt. Man sei zuversichtlich, dass die Kommission eingreifen werde, wenn es keine Verbesserung für die Freie Software gebe. Die Versprechen Microsofts, dass es keine Open-Source-Programmierer wegen Verwendung seiner Patente klagen werde, sei weiterhin unzureichend, da kommerziell verwendete Open-Source-Software davon ausgeschlossen sei.
(futurezone/dpa/AP)