© Bild: Günter Hack/ORF.at, Turm des Wiener Rathauses

Wien verschiebt Entscheidung über Linux

WIENUX
17.12.2009

Die Stadt Wien hat Ergebnisse aus der Evaluierungsstudie über den Einsatz von Open-Source-Software (STOSS 2) in der Wiener Verwaltung veröffentlicht. Bis auf weiteres soll die Wahlmöglichkeit zwischen Windows und Open Source Software (OSS) beibehalten werden. Eine Entscheidung über den breiteren Einsatz von OSS gibt es weiterhin nicht.

Nach rund einem Jahr Warten wurden am Donnerstag Ergebnisse aus der Studie "Open-Source-Software auf dem Arbeitsplatz im Magistrat Wien - Evaluierung des bisherigen Einsatzes und Entwicklung zukünftiger Handlungsalternativen" publiziert.

Die Kernaussage der insgesamt drei Seiten umfassenden Zusammenfassung: Es bleibt alles wie gehabt. Die Nutzer der Wiener Verwaltung haben wie bisher die Möglichkeit, sich für Windows oder Linux als Betriebssystem beziehungsweise Open Office und Microsoft Office als Büro-Software zu entscheiden.

Was auf den ersten Blick wie eine klassisch österreichische Entscheidung erscheint, hinterlässt auf den zweiten Blick einige Fragen: STOSS 2 sollte eigentlich als Grundlage für oder wider den breiteren Einsatz von Open-Source-Software (OSS) in Wien dienen. Diese anstehende Grundsatzentscheidung wird aber in der aktuellen Veröffentlichung dezidiert ausgeschlossen.

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OSS ist in Wien seit Jahren im Einsatz, mit Wienux gibt es sogar ein eigenes Konzept, das auf einem modifizierten Ubuntu aufsetzt. Auch Open Office wird als Alternative zu Windows Office genutzt. Bis dato fehlte aber eine klare politische Entscheidung, ob Linux nun breiter eingesetzt werden soll oder überhaupt die ganze Verwaltung auf OSS migrieren soll.

Vier Optionen evaluiert

In der Studie wurden vier Varianten untersucht:

Die Dienststellen können weiterhin zwischen den beiden unterschiedlichen Office-Produkten und Systemplattformen wählen.

Die Office-Suite OpenOffice.org wird generell eingesetzt, das Betriebssystem bleibt Windows.

Vorerst erfolgt ein Wechsel zu OpenOffice.org; ab 2011 wird als Betriebssystem Linux eingesetzt.

Es werden generell Microsoft Office und das Betriebssystem Windows eingesetzt.

"Notwendigkeit einer längerfristigen Koexistenz"

Laut Studie ist bis auf Punkt vier keine vollständige Umstellung aller Arbeitsplätze auf ein einheitliches System zu erwarten. Erfahrungen aus anderen Organisationen (als Beispiel genannt wird hier München) hätten gezeigt, dass mit den ersten drei Optionen für maximal 80 Prozent der Arbeitsplätze eine einheitliche Lösung erreicht werden könne.

Zudem werde auf über der Hälfte aller PC-Arbeitsplätze der Stadtverwaltung Software verwendet, "für die keine unter Linux lauffähigen Alternativen ohne Umstellungsaufwand verfügbar sind", darunter auch Eigenentwicklungen. Daraus ergebe sich die weitere "Notwendigkeit einer längerfristigen Koexistenz" von Windows und Linux. Das gelte auch für den Fall, dass alle Einzelkomponenten unter Linux verfügbar sind, da eine Umstellung erfahrungsgemäß mehrere Jahre dauere.

Daher "muss" die Variante Open Choice Wahlmigration, sprich der Parallelbetrieb von Microsoft-Software und OSS, "noch" beibehalten werden, so das Ergebnis. Das sei wegen der damit verbundenen Rahmenbedingungen (notwendige Bereitstellung von Mehrfach-Know-how, Kompatibilität, Interoperabilität) jedoch nicht als Grundsatzentscheidung für die Zukunft zu sehen, wird eigens betont.

Evaluierung läuft weiter

Die Stadt Wien werde weiterhin die Strategie verfolgen, bei den PC-Arbeitsplätzen "Betriebssicherheit, Verlässlichkeit und Kommunikationskompatibilität sowie Benutzerakzeptanz unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit und weitestgehender Herstellerunabhängigkeit sicherzustellen".

Die Erkenntnisse der Studie seien die Grundlage für regelmäßig durchzuführende Einsatzentscheidungen über neue Technologien sowie Anlass für eine Reihe von Maßnahmen. Dazu zählen demnach die jüngst erfolgte Ausschreibung für die Förderung von Open-Source-Projekten durch und für die Wiener Stadtverwaltung, eine Informationskampagne über Open-Source-Software sowie OSS-Einführungskurse sowie die Erarbeitung von neuen Arbeitsplatz- und Druckerstandards für standardisierte Arbeitsplatztypen. Zur Sicherheit und Weiterführung des Betriebs werden die erforderlichen Upgrades von Microsoft-Produkten durchgeführt - "ohne eine Grundsatzentscheidung zu präjudizieren", wie ebenfalls betont wird.

Grundsatzentscheidung soll kommen - nur wann?

Nicht angesprochen wird in der Publikation, wann und ob überhaupt es zu einer Grundsatzentscheidung für oder wider OSS kommen wird. Allerdings sollen die "technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen geprüft werden, unter denen ein forcierter Einsatz von Open-Source-Lösungen für den PC-Arbeitsplatz möglich werden kann". Dabei müsse aber neben der Benutzerakzeptanz auch auf die Kompatibilität mit Bund, Ländern sowie anderen Städten und Gemeinden Rücksicht genommen werden, vor allem in Hinsicht auf E-Government-Anwendungen.

Auf Anfrage im Büro des zuständige Stadtrats Rudolf Schicker (SPÖ) hieß es am Donnerstag gegenüber ORF.at, dass die gesamte Studie nicht veröffentlicht werden wird. Sie sei ein internes Arbeitspapier. Es soll auch eine Grundsatzentscheidung für oder wider OSS geben, ein Zeitfenster wurde keines genannt. Vor der Gemeinderatswahl im Oktober 2010 wird diese allerdings wohl nicht mehr fallen. Bei der nächsten Einsatzentscheidung erwarte man sich aufgrund der gesetzten Maßnahmen (siehe oben) auf jeden Fall eine größere Bandbreite der strategischen Optionen, hieß es aus dem Büro des Stadtrats weiter.

Verhaltene Reaktion der Wiener Grünen

In einer ersten Reaktion begrüßten die Wiener Grünen die weitere Fortführung und Ausweitung des Einsatzes von Open-Source-Software auf den Arbeitsplätzen der Stadt Wien. Dieser Schritt sei ein wichtiges Zeichen dafür, dass es die Stadt Wien ernst meint, so Technologiesprecherin Marie Ringler. "Wir hoffen aber, dass es in Zukunft noch stärkere politische Unterstützung von Seiten der Stadt Wien für den Einsatz von Open Source Software geben wird." Es wäre aber wünschenswert, dass aus der Evaluierung ein noch stärkeres Bekenntnis zur Open Source Software hervorgehe, so Ringler.

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(futurezone/Nadja Igler)