© Fotolia/ryasick , Kabel in einem Serverraum

Privatkunden-Breitbandmarkt vor Deregulierung

NETZ
18.12.2009

Das EU-Telekompaket stellt Regulierungsbehörde und Gesetzgeber 2010 vor neue Herausforderungen. Dabei geht es vor allem um die Wahrung der Netzneutralität und mehr Transparenz für die Konsumenten. Nach der jüngsten Zustimmung durch die EU-Kommission steht der Privatkunden-Breitbandmarkt nun kurz vor seiner Deregulierung.

"Es ist ein deutlicher Schritt des Rückzugs aus der Regulierung", so Georg Serentschy, Geschäftsführer der Telekom-Regulierungsbehörde RTR, am Freitag in Wien. Mit dem 1. Februar 2010 wird nämlich die Novelle der Telekommunikationsmärkteverordnung 2008 in Kraft treten, womit der Breitbandmarkt für Privatkunden in ganz Österreich teilweise dereguliert wird.

Nach Abschluss des dazugehörigen Marktanalyseverfahrens durch die Telekom-Control-Kommission (TKK) könne das Verfahren voraussichtlich im zweiten Quartal 2010 abgeschlossen sein. Die Telekom Austria (TA) muss dann ihren Mitbewerbern auf dem Privatkundenmarkt kein Bitstream-Vorleistungsprodukt mehr anbieten - oder kann dieses nach eigenen Vorstellungen bepreisen. Laut RTR waren im 1. Quartal 2009 nur zwei Prozent aller Breitband-Privatkundenanschlüsse über solche Bitstream-Angebote ans Internet angebunden.

Die Verpflichtung zur Entbündelung ist davon nicht betroffen. Ebenso wenig der Markt für Business-Kunden, der hinsichtlich der DSL-Angebote weiterhin österreichweit den bisherigen Vorschriften unterworfen bleibt. Überschneidungen zwischen den beiden Kundengruppen, etwa im Home-Office-Bereich, sieht die RTR dabei kaum.

Sobald jemand geschäftlich auf einen Internet-Anschluss angewiesen sei, würde der Nutzer auch von Business-Angeboten Gebrauch machen. Im Privatkundenbereich jedoch hätten die mobilen Breitbandanschlüsse mittlerweile eine so große Bedeutung erlangt, dass der Wettbewerb österreichweit hergestellt sei. Die Kunden hätten die Auswahl zwischen mindestens zwei Festnetz-Breitbandanbietern und vier Mobil-Providern.

Mobilfunk als Breitband

Dass mit der Deregulierung der Status quo auf dem Markt festgeschrieben werden und damit Wettbewerb und Innovation mittelfristig geschädigt werden könnten, glaubt Serentschy nicht. Man habe im jüngsten Verfahren mit der Kommission vereinbart, die Marktsituation nach der breiten Einführung moderner Glasfasernetze nochmals zu prüfen. Dass der Wettbewerb auf Endkundenmarkt funktioniere, habe die Reaktion der TA auf die Einrichtung von Angeboten nach DOCSIS-3-Standard bei den großen Kabelnetzbetreibern gezeigt, so Serentschy.

Problematisch bleibt aber ein zentraler Punkt in der Argumentation der RTR: Zwar hat die jüngste Nutzungsstudie der Behörde ergeben, dass die Privatnutzer mit E-Mail und Web hauptsächlich Dienste nutzen, die über UMTS noch hinreichend gut funktionieren. Bei Angeboten wie Netzvideo UND künftig verstärkter Nutzung von Software-Diensten im Netz (Stichwort: Chrome OS) fallen die Mobilfunker derzeit als ernsthafte Alternativen weg.

Das ist ein Punkt, der zuletzt auch die EU-Kommission nachhaken ließ. "Das Nutzungsverhalten hat sich auch in der Vergangenheit schnell geändert", konzediert Serentschy, der hier weiter auf Marktbeobachtung und Anpassung der Regulierungsmaßnahmen setzt.

Umsetzung des Telekompakets

Am Freitag erscheinen auch die Richtlinien des EU-Telekompakets im Amtsblatt der Union. Sie müssen nun bis zum 19. Juni 2011 in österreichisches Recht überführt werden. Die Verordnung, mit der das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK; auch: BEREC) und deren Büro eingerichtet wird, tritt am 7. Jänner 2010 in Kraft.

Das GEREK soll die Aktivitäten der europäischen Telekomregulatoren koordinieren und Empfehlungen an Kommission und nationale Regulierer formulieren. Serentschy teilte mit, dass die RTR einen Mitarbeiter ans GEREK entsenden wird: "Wer nicht dabei ist, mischt nicht mit."

Immerhin werden die Empfehlungen des GEREK "Soft Law"-Charakter haben, wenn die Kommission und die nationalen Regulierer ihnen nicht folgen, könnten sie rechtliche Schwierigkeiten bekommen. "Die Empfehlungen des GEREK haben hohe Verbindlichkeit", so Serentschy. Die GEREK wird damit auch zu einem interessanten politischen Akteur in Sachen Netzneutralität und Internet-Sperren.

So hat der britische Wirtschaftsminister Peter Mandelson angekündigt, die Verantwortung für Netzsperren nach "Three Strikes Out"-Muster der Regulierungsbehörde Ofcom übertragen und das Prinzip auch auf EU-Ebene hieven zu wollen.

Das GEREK werde allerdings die operative Tätigkeit nicht vor dem 3. Quartal 2010 aufnehmen, auch ein Direktor für das Büro müsse noch bestellt und vom EU-Parlament bestätigt werden. Das Gremium wird unter anderem einen jährlichen Kommunikationsbereicht und Leitlinien für Unternehmen mit grenzüberschreitenden Diensten erstellen. Damit ist das GEREK auch für das heikle Thema Mobilfunk-Roaming zuständig.

Verbraucherschutz und Netzneutralität

Die Richtlinien des Telekompakets delegieren die Verantwortung für die Netzneutralität, also dafür, dass ein Provider nicht ungebührlich bestimmte Dienste sperrt oder benachteiligt, an die nationalen Regulierer und die Gesetzgeber der Mitgliedsstaaten. Ein Beispiel dafür ist, ob ein Mobilfunker auf dem von ihm verkauften Smartphones das Funktionieren von VoIP-Diensten wie Skype zulässt oder nicht. Auch Traffic Shaping wie das Drosseln von P2P-Diensten fällt unter diese Rubrik.

"Wir setzen hier auf Transparenz", so Serentschy, der die Debatte über dieses Thema in Österreich aber noch nicht weit fortgeschritten sieht: "Der Gesetzgebungsprozess startet 2010, in den kommenden Monaten wird es dazu viele Gespräche mit Politik und Wirtschaft geben." Die Provider sollen jedenfalls den Kunden deutlich machen, welche Dienste in ihren Netzen zulässig sind und welche nicht. Dabei besteht im Rahmen der Konzentration der Anbieter auf dem Breitbandmarkt natürlich die Gefahr, dass sich ein niedriger Standard in der Frage der Netzneutralität etabliert.

Netzneutralität und Filesharing

Hier kommt der RTR als Aufsichtsbehörde eine besonders große Verantwortung zu, denn sie legt die Mindestanforderungen für die Qualität der Dienste fest. Besonders gierige Filesharer treffen bei der RTR auf wenig Gegenliebe: "Wir hatten immer wieder Schlichtungsfälle, in denen Leute Tag und Nacht mit P2P-Clients die maximale Bandbreite ihres Angebots ausgenutzt haben und der Provider ihnen dann gekündigt hat. Solche Leute sollen sich dann einen Business-Anschluss holen", so Serentschy. Umgekehrt müssen die Provider auch bei Privatkundenangeboten genau mitteilen, welche Leistung der Kunde tatsächlich von ihnen zu erwarten hat. Welche Angaben die Provider machen müssen, steht noch nicht fest.

Mehr Transparenz soll nicht nur bei den Festnetz- sondern auch bei den Mobilfunkangeboten geben. Die Tarife sollen vergleichbar und der Fußnotendschungel gelichtet werden. Angesichts der Komplexität des Tarifangebots sieht Serentschy seine Behörde hier vor einer schweren Aufgabe. Immerhin legt die RTR fest, in welcher Form die Provider ihre Angebote veröffentlichen müssen. Auch die Bereitstellung der zum Vergleich notwendigen Informationen soll vom Regulator gefördert werden. Was die neue Verpflichtung für die Provider angeht, Datenverluste zu melden, so müsse noch entschieden werden, ob die Meldestelle bei der RTR oder beim Bundeskanzleramt angesiedelt werde.

Das Telekompaket bringt zahlreiche weitere Änderungen für die Konsumenten und Provider mit sich. Beispielsweise ist die maximale Mindestlaufzeit für Verträge nun auf 24 Monate festgesetzt; jeder Provider muss allerdings auch mindestens ein Angebot mit einer Höchstlaufzeit von 12 Monaten im Angebot haben. Weiters ist der EU-weite Zugang zu Rufnummern und Diensten geregelt. Die Portierung einer Rufnummer darf nicht länger als einen Werktag dauern. Das Telekompaket sieht auch den leichteren Zugang zu Notrufdiensten vor, hierbei muss auch der Standort des Nutzers schnell bestimmt werden können - wiederum eine Herausforderung an den Datenschutz.

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(futurezone/Günter Hack)