2010: Lasset die Spiele beginnen
Der Videospielemarkt 2009 war geprägt von Fortsetzungen großer Titel, Innovation kam oft aus der Ecke der unabhängigen Spieleentwickler. Nach der Schließung einiger großer Studios könnten die Indie-Entwickler nun weiteren Auftrieb erhalten. Frischen Wind in die Gaming-Welt sollten auch Microsofts und Sonys Bewegungssteuerungen für ihre Konsolen Xbox 360 und PS3 bringen - und Apples lange erwartetes Tablet.
Krise war wohl eines der beherrschenden Wörter des vergangenen Jahres, und sie hat 2009 auch die Welt der Videospiele nicht verschont. Seit Mitte des Jahres gehen in den USA die Umsätze mit Videospielen zurück, letzten Schätzungen zufolge soll der Umsatz des gesamten Jahres 20 Milliarden US-Dollar erreichen - und damit eine Milliarde Dollar unter dem Rekordwert von 2008 liegen.
Zu Beginn des Jahres sah es noch so aus, als ob die Videospielebranche zum großen Gewinner der Krise werden könne, denn in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ziehen sich Menschen gerne nach Hause zurück. Doch gerade Branchengrößen wie Electronic Arts (EA) konnten mit ihren altbekannten Fortsetzungsgames offenbar nicht genügend Käufer anziehen. EA kündigte im November an, 1.500 Stellen zu streichen - Opfer des Sparkurses wurde unter anderem das Entwicklerstudio Pandemic. Im Gegenzug kaufte EA Playfish, Anbieter von Online-Spielen in Sozialen Netzwerken wie Facebook.
Die Großen hatten zu kämpfen
Daran zeigen sich gleich zwei Trends des vergangenen Jahres, die 2010 ihre Fortsetzung finden werden: der Ansturm auf Spiele in Sozialen Netzwerken und die zunehmenden Schwierigkeiten großer und oft unbeweglicher beziehungsweise risikoscheuer Anbieter. Neben EA klagte auch Ubisoft über sinkende Einnahmen, vor allem durch die gesunkene Nachfrage nach Titeln für Nintendos Wii und DS, die ebenfalls weniger häufig gekauft wurden.
Erstmals seit der Markteinführung senkte Nintendo daraufhin den Preis für die Wii, davor profitierte bereits Sonys PlayStation 3 (PS3) nach einer Preissenkung von einer deutlich gestiegenen Nachfrage. Mit einer größeren Version seiner Spielekonsole DS und einem Sensor für Vitalfunktionen will Nintendo für neuen Aufschwung sorgen, Microsoft und Sony setzen hingegen auf Bewegungssteuerung, wie sie schon von Nintendos Wii bekannt ist.
Bewegung soll für frischen Schwung sorgen
Microsofts "Project Natal" und Sonys Motion Controller sind die großen Hoffnungsträger der Branche, mit ihnen sollen ganz neue Interaktionen möglich sein. Sonys Controller sollen weitaus präziser als jene von Nintendo arbeiten, "Project Natal" macht den ganzen menschlichen Körper zum Controller und soll das Spielen damit so vereinfach, dass die Hemmschwelle für Nichtgamer noch weiter gesenkt wird als bei Nintendos Wii. Bisher gibt es bis auf Demonstrationen und kleineren Ankündigungen aber noch nichts Handfestes, nicht einmal ein präziseres Erscheinungsdatum als 2010.
Netzwerke als neue Antreiber
Neue Zielgruppen haben dafür bereits die Spiele in Sozialen Netzwerken erschlossen, allen voran "Farmville" und "Mafia Wars". Dessen Betreiber Zynga konnte zuletzt 180 Millionen Dollar an neuen Investorengeldern und auch langgediente Game-Designer wie Brian Reynolds ("Civilization II") für sich gewinnen. Zynga hat laut eigenen Angaben 200 Millionen aktive Nutzer pro Monat, Playfish beansprucht 50 Millionen für sich und Playdom, das für 2009 50 Millionen Dollar Umsatz anstrebt, 28 Millionen - Tendenz steigend.
Entsprechend ist auch die Prognose des Chefs von Square Enix, Yoichi Wada, in einem "MCV"-Interview Ende November zu verstehen, dass Konsolenspiele, wie sie heute in den Regalen stehen, in zehn Jahren nicht mehr existieren werden. Die Hardware werde immer unwichtiger, so Wada, stattdessen würden nun die Netzwerke und die digitale Distribution im Vordergrund stehen. Server-basierte Services wie OnLive und Gaikai werden die Entwicklung noch vorantreiben. Wada sagt zudem, wie auch andere der Branche, Browser-basierten Games eine große Zukunft voraus. Für 2010 sind laut Insidern bereits einige interessante Titel in Vorbereitung.
Digitale Distribution eröffnet neue Wege
Von den Möglichkeiten der digitalen Distribution haben aber auch die vielen kleinen und unabhängigen Spieleentwickler profitiert, von denen 2009, meist ohne große finanzielle Mittel und auf eigenes Risiko, viel Innovation ausging. So wurde "Machinarium" von sieben tschechischen Entwicklern unter Einsatz ihrer Ersparnisse entwickelt, das Marketingbudget betrug laut MSNBC gerade einmal 1.000 Dollar. "World of Goo" hatte demnach überhaupt kein Budget für Werbung.
Angesichts der vielen 2009 geschlossenen Studios könnte die Zahl der Indie-Entwickler in nächster Zeit weiter steigen - nie war es grundsätzlich einfacher als heute, ein Spiel ohne großen Publisher zu veröffentlichen. Abgesehen von den verschiedenen digitalen Distributionskanälen haben sich auch die großen Konsolenabieter mittlerweile für Indie-Entwickler geöffnet, auch wenn die Einreichprozesse mitunter sehr mühsam sind. Zwar garantiert das alles noch keinen Erfolg, doch wenn das Spiel gut ist, sorgt die Mundpropaganda üblicherweise für den Rest.
In Summe wurden beim Independent Games Festival (IGF), das von 9. bis 13. März in San Francisco stattfindet, 650 Spiele eingereicht, vor allem die Kategorie Schüler/Studenten und der Hauptbewerb legten kräftig zu.
Handygames werden endlich schick
Und noch ein Player hat sich 2009 auf dem Gaming-Markt fest etabliert: Apple mit seinem iPhone beziehungsweise iPod Touch. Wurden Nutzer von Handyspielen früher noch milde belächelt, sind iPhone-Gamer heute eine anerkannte Spezies, und einige der iPhone-Games wie "Canabalt", "Geared", "Soosiz", "Spider" und "Doodle Jump" haben wirklich frischen Wind oder zumindest Abwechslung in die Spielewelt gebracht. Beim Independent Games Festival wurden für 2010 172 Spiele für Mobilgeräte eingereicht, das ist ein Anstieg von 65 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 160 davon sind für iPhone oder iPod Touch.
"Canabalt" erscheint wie eine Umsetzung des Films "Lola rennt": Der Spieler muss dabei möglichst lange laufen und Hindernissen ausweichen beziehungsweise Abgründe überspringen.
Mittlerweile spielen auch die großen Studios im schwierigen iPhone-Universum, wo Apple unangefochten den Ton angibt, mit - was zur persönlich größten Hoffnung der Autorin für 2010 führt: einem Apple-Tablet. Nein, nicht, weil es Zeit für ein neues Gadget ist, und auch nicht, um sich damit von der Schar der iPhone-Nutzer abheben zu können. Nur ist der Schirm des iPod Touch einfach zu klein, um fortgeschrittene Kampagnen von "Die Siedler" mit Anstand bewältigen zu können. Altgediente Spieler werden jetzt vielleicht argumentieren, dass ein Strategiespiel ohne Maus ohnehin nicht sinnvoll spielbar sei. Der Einwand ist zum Teil berechtigt, aber "Die Siedler" macht tatsächlich auch mit Touchscreen Spaß - er senkt zudem wie die Bewegungssteuerung die oft beklagte Einstiegshürde für neue potenzielle Gamer und eröffnet ganz neue Möglichkeiten.
Gaming überall und zu jeder Zeit
Was 2010 genau bringen wird, kann natürlich niemand heute schon sagen - dazu ist die Branche doch noch schnell und überraschend genug. Eines aber zeichnet sich bereits jetzt ab: Videospiele dringen zunehmend und auf teils völlig unerwartete Weise in unser Leben ein. Gamer sind keine Nerds mehr, die sich hinter ihren Controllern verstecken, sondern Menschen wie du und ich. Wir spielen immer öfter, wo es uns gefällt, und egal auf welcher Plattform.
Neuen Spielern sind die Grabenkämpfe zwischen den Verfechtern unterschiedlicher Systeme egal - sie wollen Spaß haben, und das, wenn es geht, bitte gleich. Spätestens wenn der Chef und bisher unverspielte Freunde ihre neuesten "Farmville"-Erfolge auf Facebook veröffentlichen, wird klar, dass das Spielevirus immer weitere Kreise zieht. Möge es das einzige sein, das uns 2010 heimsucht.
(futurezone/Nadja Igler)