Kabelbrüche, Haie und andere Katastrophen
Die Vernetzung der Welt über die Meere begann 1857, als das erste Transatlantikkabel verlegt wurde. Allerdings scheiterten die ersten Bemühungen, und das Kabel riss beim Abrollen von der Kabeltrommel. Seither treten beim Verlegen von Tiefseekabeln immer wieder Probleme auf. Eine Geschichte über Pioniergeist, Isolationsschwierigkeiten, Haibisse und Datenübertragungsraten von 40 Wörtern in 21 Minuten.
Probleme mit den Leitungen prägten nicht nur die Anfänge der Datenübermittlung im 19. Jahrhundert, sie machen auch heute noch zu schaffen. Für Katya Golovchenko von Tyco Telecommunications, einem aus den Bell Labs hervorgegangenen Spezialisten für das Verlegen von Tiefseekabeln, gehören durch Bauarbeitern und durch See- und Erdbeben zerstörte Kabelstränge - ob in Indien, Thailand oder Taiwan - beinahe zum Alltag.
"Früher waren da auch noch die Haie", erzählt Golovchenko: "Als wir noch Teil von Bell Labs waren, kam es einmal zu Kabelproblemen. Als sie das Kabel bargen, um herauszufinden, was passiert war, fanden sie eine Reihe an Abdrucken, die sie zuerst nicht zuordnen konnten. Nach Untersuchungen stellte es sich heraus, dass diese Abdrucke von Haizähnen stammten. Bell Labs hat damals sogar ein Haigebiss nachgebaut, um im Schadensfall belegen zu können, dass die Kabelummantelung von Haien beschädigt worden ist. Ich glaube, das befindet sich heute im Smithsonian Museum in Washington DC."
"Legt sie tiefer, legt sie länger"
Die Ingenieure ließen sich aber weder im 20. noch im 19. Jahrhundert von derartigen Unwegsamkeiten von ihrem Plan abhalten, die Welt zu vernetzen. Nach der Sprachregelung des 19. Jahrhunderts hieß das: "Die Vernetzung der alten mit der neuen Welt." Den Anfang dazu machte 1842 Samuel Morse. Er verlegte die ersten Unterseekabel im Hafen von New York.
Die Meldungen aus den USA waren derartig vielversprechend, dass man in Europa daranging, England mit Frankreich zu verbinden: Dover mit Calais. Zehn Stunden brauchte der Raddampfer Goliath am 28 August 1850 für die Verlegung der Kabel in 55 Metern Tiefe. Damit sie auch dort blieben, wurden sie mit Bleiplatten beschwert. Sofort nach der Verlegung telegrafierten die Ingenieure ihren Erfolg, aber nur einen Tag später war der Zauber auch schon wieder vorbei: Die Felsküste hatte dafür gesorgt, dass die Isolierschicht der Kabel in kurzer Zeit durchgescheuert war. Aber nur ein Jahr später hatte man auch dieses Problem gelöst und immer mehr Inseln im Mittemeer wurden via Kabel mit dem Festland verbunden: Frankreich mit Korsika und Sardinien mit Algerien.
Aus Russland kam schließlich die Meldung, dass man es geschafft habe, ein Kabel 450 Kilometer ohne Schutzschicht im Wasser zu verlegen und eine Durchsatzrate von fünf Wörtern pro Minute zu erreichen. Aber all das war nichts im Vergleich zu der Ankündigung des amerikanischen Unternehmers Cyrus Field, sich in 4.000 Meter Tiefe vorzuwagen, um Schottland mit Neufundland mit Kabeln zu verbinden. Am 7. August 1858, nach mehreren Rückschlägen und abenteuerlichen Bedingungen, Haien, Stürmen und gerissenen Drähten, wurden schließlich die ersten Grußworte Englands an die USA telegrafiert.
Heinrich Schellen notierte in seinem Buch "Das atlantische Kabel, seine Fabrication, seine Legung und seine Sprechweise (Braunschweig, 1867):
"Leider verschlechterte sich die Isolation des Kabels von Tag zu Tag. Nachdem die beiden Depeschen der Königin Victoria von England an den Präsidenten der Vereinigten Staaten, James Buchanan, und von diesem an die Königin ausgewechselt worden waren, und sonst noch 2885 Worte mit 13986 Buchstaben das Kabel passiert hatten, versagte dasselbe am 1. September, nach- dem noch zuletzt das verheißungsvolle Wort »Forward« telegraphiert worden war. Alle Versuche, das Kabel wieder brauchbar zu machen, blieben vergebens; Nichtsdestoweniger wurde einige Tage später in New- York ein glänzendes Fest zu Ehren Field's gefeiert, bei welchem der kühne Unternehmer in bescheidener Erwiderung einer an ihn gerichteten Ansprache vor Allem die Verdienste der Gelehrten Maury, Morse, Faraday und William Thomson hervorhob und auch den Seemännern und Ingenieuren, welche an dem großen Werke mitgearbeitet hatten, den gebührenden Dank zollte."
Erfolg und Missgunst
Schnell wurden Stimmen laut, das ganze Unternehmen sei nur fingiert gewesen, die Depeschen gefälscht und alles nur reine Geschäftemacherei. Aber Fields begab sich bereits auf die Suche nach neuen Finanzierungsmodellen, um sein Lebenswerk zu vollenden.
Knapp zehn Jahre später, 1866 machten die Zeitungen wieder mit dem Titel auf: "Queen Victoria telegrafiert dem amerikanischen Präsidenten." Diesmal war es Andrew Johnson zu verdanken. Die Beförderung von 40 Worten dauerte 21 Minuten, schreibt Max Jüllig 1884 in seinem Buch "Die Kabeltelegraphie".
Eine halbe Ewigkeit dauerte es auch, bis schließlich die ersten Stimmen per Kabel über den Atlantik gesendet wurden. 1956 wurde das TransAtlantic Telephone Kabelsystem von den Bell Labs in Betrieb genommen; Es wurde auf derselben Route wie das erste Telegrafenkabel verlegt: Von Neufundland nach Schottland. Wie später bei der Erfindung der E-Mail fragte sich damals so mancher: wozu diese teure Verbindung eigentlich gut sei: Wer in Europa kennt schon jemanden in den USA mit einer Telefonnummer? Historisch gesehen, waren es immer nur eine Handvoll an Unternehmen und Persönlichkeiten, die sich auf derartige Abenteuer einließen."
Teuer und aufwendig
Das Verlegen von Tiefseekabel ist heute fest in japanischer und amerikanischer Hand. Der Einstieg in diese Sparte ist nicht nur teuer, sondern auch sehr aufwendig. Denn schließlich muss bei einem Kabelbruch ein Schiff losgeschickt werden, um die Störung zu reparieren.
Katya Golovchenko: "Die längste Distanz in der Welt ist die zwischen China und den USA; und das sind 12.300 Kilometer. Es gab einmal ein verrücktes Projekt, das von ein paar russischen Investment Banker und Firmen betrieben wurde, Sie wollten ein System entlang der Pole verlegen. Sie wollten Norwegen oder Schweden – so genau weiß ich das nicht mehr - über den arktischen Ozean mit Japan verbinden. Das wären dann 12.700 Kilometer und damit der längste Kabelstrang gewesen. Aus praktischen Gründen sind das die längsten Distanzen."
Golovchenko gibt das maximale Alter von Tiefseekabeln mit 25 Jahren an. Ungefähr so alt ist auch das erste Glasfaserkabel, das im Atlantik verlegt wurde. Es wurde 1988 in Betrieb genommen. In den nächsten Jahren dürfte sich daher die Auftragslage von Unternehmen wie Tyco, NEC und Fujitsu recht gut entwickeln. Aber nicht nur weil die Kabelleitungen langsam ihr Höchstalter von 25 Jahre erreicht haben, sondern vor allem, weil der Bedarf an schneller Datenübertragung dank Multimediaanwendungen weiter steigt und sich die Kundschaft vergrößert.
Telekommunikationsunternehmen sind schon lange nicht mehr die einzigen Kunden von Tyco. Suchmaschinenbetreiber zählen heute genauso dazu wie die Öl- und Gasindustrie. Verändert haben sich auch die Distanzen, die heute mittels Kabel überwunden werden. Von 4.000 Kilometer im Jahr 1866 auf 12.300 Kilometer heute.
Zukunftsmarkt Afrika
Eines fällt auf: Während dicke Stränge an Glasfasernetzen die USA mit Europa und Japan verbinden, reicht für die Anbindung Afrikas an das globale Kommunikationsnetzwerk gerade einmal ein Glasfaserstrang entlang der Küste aus. Aber auch das wird sich bald ändern. Afrika gilt als Zukunftsmarkt, meint auch Golvchenko: "Wir haben derzeit zwei Projekte, die wir alleine, ohne Partner verwirklichen. Eines davon nennt sich Seacom. Es wird Südafrika mit Tansania, Kenia Indien und Ägypten verbinden. Von diesen Ländern können Sie dann eine Abzweigung nach Europa legen und von Indien nach Japan."
Von der Tiefsee in den Orbit
Andere meinen hingegen, dass es für Afrika sinnvoller sei, auf die Satellitenkommunikation zu setzen, anstatt Kabel zu verlegen. Davon ist auch Otto Koudelka, der Leiter des Instituts für Kommunikationsnetze und Satellitenkommunikation an der TU Graz, überzeugt:
Sonntagabend in "matrix"
Mehr über die Anfänge der Telephonie, dem Verlegen von Tiefseekabeln und den Schwierigkeiten bei der Satellitenkommunikation am Sonntagabend, um 22:30 Uhr in der Ö1-Sendereihe "matrix": "Datentransport: Zu Erde, in der Luft und zu Wasser".
Er war in den 1980er Jahren an den ersten Satellitenprojekten Europas Stella, Universe und Satine beteiligt. Sein Institut baute auch die ersten österreichischen Miniatur Satelliten, die im Jänner 2011 in den Orbit geschickt werden sollen: Zwei kleine Würfel mit den Maßen 20 mal 20 mal 20 Zentimeter sollen dort die Helligkeitsschwankungen von sehr hellen Sternen messen. Wenn man bedenkt, dass es mittlerweile in der erdnahen Umlaufbahn recht eng geworden ist, könnte man sich um diese kleinen Dinger „Made in Austria“ fast Sorgen machen.
(matrix/ Mariann Unterluggauer)