© Brijot Imaging Systems, Passivscanner

Die neue Generation der Nacktscanner

FORTSCHRITT
04.01.2010

Um den Einsatz von Nacktscannern tobt derzeit eine heftige öffentliche Debatte. Doch in der Diskussion geht es hauptsächlich um vergleichsweise plumpe Geräte älterer Generationen. Auf dem Markt bereits erhältliche Millimeterwellenempfänger können vorbeigehende Personen elektronisch "ausziehen", ohne dabei aufzufallen oder Strahlung abzugeben. Prototypen, die aus zehn und mehr Metern Entfernung funktionieren, wurden schon Ende 2009 vorgestellt.

Während sich die öffentliche Diskussion noch um die erste Generation der "Nacktscanner" dreht, hat sich die Technologie bereits weiterentwickelt. Im "Krieg gegen den Terror" ist die Nachfrage nach Maschinen zur Durchleuchtung der Passagiere mit jedem versuchten Bombenattentat auf Flugzeuge weltweit so stark gestiegen, dass es immer mehr Produzenten von entsprechendem Gerät gibt.

Mehrere neue Arten von Scannern kommen derzeit auf den Markt, die sich wesentlich von der ersten Generation unterscheiden. Zum einen arbeiten sie in anderen Frequenzbändern, zum zweiten gibt es neben aktivem inzwischen auch passives Gerät, das aus größeren Entfernungen arbeitet und vom Betroffenen dabei nicht wahrgenommen wird.

Röntgenscanner

Bei der neuesten Generation jener aktiver Scanner, die eigentlich Niedrigstdosis-Röntgengeräte sind, ist es den Ingenieuren gelungen, die Strahlungsdosis erneut zu senken. Einer der derzeit gefragtesten Scanner dieser Bauart ist der "Rapiscan Secure 1000", der laut Hersteller nur dreo mikroREM Belastung pro Untersuchung mit sich bringt.

Diese Sekunde komme an Strahlenbelastung einem fünfminütigem Aufenthalt im Freien gleich, wobei die natürlich vorkommenden Röntgenstrahlen sogar etwas tiefer eindringen würden als die zum Scannen benutzte Energie.

Die Kritiker

In Deutschland, Großbritannien und Italien gibt es heftige Kritik am geplanten Einsatz dieser Geräte. Die Debatte dreht sich hauptsächlich um die Verhältnismäßigkeit dieses Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte.

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Das Bedienpersonal muss freilich gegen die Dauerbelastung durch die Systeme geschützt werden, deshalb spielt sich der Vorgang auch in einer abgeschirmten Kabine ab. Objekte, die im Körper selbst versteckt sind, findet der Rapiscan allerdings ebenso wenig wie das meiste andere Gerät.

Gleich neben DVB-S

Neben den zu Recht verrufenen Röntgenstrahlen, die oberhalb von 300 Petahertz schwingen - die Wellenlänge beträgt zwischen zehn Picometern und einem Nanometer - arbeiten Nacktscanner auch in anderen Frequenzbändern, die weniger esoterisch anmuten.

Statt Röntgen lassen sich auch Wellenbereiche nutzen, die schon etwas geläufiger sind, weil sie zum Beispiel direkt nach dem Spektrum beginnen, in dem digitales Satellitenfernsehen (DVB-S) ausgestrahlt wird.

Der andere aktive Scannertyp überschüttet die Passagiere mit einer niedrigen Dosis Zentimerwellen im Bereich oberhalb von zehn GHz bzw. mit Millimeterwellen (ab 30 GHz). Hier arbeiten gewöhnlich vorwiegend Radaranlagen und Breitband-Richtfunkstrecken und mittlerweile eben auch die besagten Nacktscanner.

3-D-Hologramme

Im Pacific Northwest National Laboratory in Richland, im US-Bundesstaat Washington, wurde solch ein Gerät unter anderem für die Sicherheitsbehörde Travel Security Administration (TSA) schon seit 2004 entwickelt.

Es liefert gestochen scharfe 3-D-Hologramme des nackten Körpers, wobei die Scanprozedur sechs bis zwölf Sekunden dauert. Das Prinzip ist im Wesentlichen dasselbe wie bei der ersten Generation von Nacktscannern: Man stellt anhand der reflektierten Strahlung (Backscatter) eines Objekts fest, aus welchen Materialien es besteht.

Denn eigentlich gilt vom Weltall bis hinab zur Erde nicht das Prinzip "Alles fließt", sondern "Alles schwingt". Und wie Infrarotkameras Objekte anhand ihrer Wärmestrahlung sichtbar machen, so bildet eine Millimeterwellen-"Kamera" eben diese elektromagnetischen Schwingungen ab.

GHz-Richtfunk in Österreich

So ist zum Beispiel der Bereich 22,0 bis 22,6 GHz (Unterband) und 23,0 bis 23,6 GHz (Oberband) neben mehreren Millimeterwellen-Bändernetwa in Österreich für Punkt-zu-Punkt-Duplex-Richtfunkanlagen von Telekomunternehmen reserviert.

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Das menschliche Rauschen

Diese Schwingungen sendet auch der menschliche Körper selbst aus, außerdem absorbiert bzw. reflektiert er natürliche Millimeterstrahlung, und all das lässt sich messen.

Dieses "menschlich-natürliche Rauschen" wird von den Scanner-Systemen bevorzugt im 100-GHz-Spektrum belauscht. Die "Kamera" ist in diesem Fall ein EHF-Empfänger ("Extremely High Frequency") also eine Art Radio, die aufgefangene Strahlung wird durch eine Software visualisiert.

Diese Passivbauweise benötigt keinerlei Kabine, weil hier eben nicht "gesendet", sondern nur empfangen wird, was menschliche Körper abstrahlen.

Strahlungsprofile abgreifen

Anhand des völlig anderen Absorptions- bzw. Reflektions- und Eigenrauschgrads von dichten Materialen wie Metallen unterscheiden sich diese deutlich vom menschlichen Körper, der zum größten Teil aus Wasser besteht. Damit lassen sich diese Körperüberwachungsgeräte aber auch betreiben, ohne dass der Überwachte bemerkt, soeben ausgezogen worden zu sein.

Der Passivscanner "Gen 2" des US-Unternehmens Brijot Imaging Systems braucht gerade eine halbe Sekunde, um das Strahlungsprofil einer vorbeigehenden Person abzugreifen. Stehenbleiben ist dabei nicht erforderlich, werden größere Objekte unter der Kleidung verborgen vorbeigetragen, löst der unscheinbare weiße Kasten automatisch stillen Alarm aus.

Was die Privatsphäre betrifft, so gehen immer mehr Hersteller dazu über, die Aufnahmen gewisser Körperregionen durch Verpixelung zu "zensurieren". Eine große technische Hürde besteht hierbei natürlich nicht, eine weitere wird gerade genommen.

Entfernungsscanner

Auf der Jahreskonferenz des "Electro-Magnetic Remote Sensing (EMRS) Defence Technology Centre" in Edinburgh im Juli 2009 wurde der Prototyp eines Entfernungsscanners vorgestellt.

Es handelt sich dabei um ein aktives Gerät, das seine Technologie vom Radar geborgt hat, genauer vom MIMO-Abtastverfahren (Multiple Input, Multiple Output), bei dem jeweils 128 Sende- und Empfangsmodule bei 35 GHz zum Einsatz kommen.

Mit diesem vom australischen Rüstungskonzern Teledyne entwickelten Gerät wird es möglich sein, auf eine Entfernung von 100 Metern und mehr Menschen unter die Kleidung zu sehen.

Ein böser Nachbar

Gleich neben dem Band, bei etwa 100 GHz, wo Passivscanner menschliche Körperstrahlung "belauschen" werkt ein furchterregendes Gerät, das dann zum Einsatz kommen könnte, wenn ein Fernscanner eine Person mit einer verborgenen Waffe meldet.

Das "Active Denial System" des US-Militärzulieferers Raytheon feuert über eine Antenne, die einer flachgepressten Satschüssel ähnelt, gebündelte 95-GHz-Millitermeterwellen ab, Power: 100.000 Watt.

Die Bestrahlten haben dabei das Gefühl, als ob ihre Haut zu brennen anfinge. Die Millimeterwellen dringen nur bis zu den Nervenenden vor, die melden: Hauttemperatur 50 Grad. Das Resultat ist Panik, dann kommt Flucht.

(futurezone/Erich Moechel)