© AP/Vincent Thian, Blumen liegen auf dem Google-Logo

Geringe Chancen gegen Zensur in China

GOOGLE
13.01.2010

Googles Ankündigung, sich nicht mehr der chinesischen Internet-Zensur beugen zu wollen und sich dafür sogar vom chinesischen Markt zurückzuziehen, hat in China unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Experten rechnen nicht damit, dass die chinesische Regierung nachgibt. Internet-Aktivisten begrüßten die Ankündigung. Wirtschaftlich dürfte Google der Rückzug aus China nicht sonderlich schmerzen.

Chinesische Experten sagen voraus, dass Google den Kampf gegen die Zensoren wohl verlieren werde. "In Sachen Ideologie wird die Regierung niemals nachgeben", sagte der Professor für Kommunikation, Guo Che, vom Schanghaier Institut für Internationale Studien laut amtlicher Nachrichtenagentur Xinhua. "Es ist der Regierung egal, ob sich Google aus China zurückzieht."

Guo Che warf Google vor, ein "Katz-und-Maus-Spiel" zu verfolgen. Das Unternehmen versuche, "die Verärgerung oder Enttäuschung der Internet-Nutzer als Hebelwerkzeug zu benutzen". Die Nutzer seien die "wirklichen Opfer".

Google drohte am Mittwoch aus Protest gegen Zensur und Cyberangriffe mit dem Rückzug aus China. Der Konzern werde seine Geschäfte auf dem weltgrößten Internet-Markt überprüfen, kündigte Google an. In den kommenden Wochen will der Branchengigant Gespräche mit der Regierung in Peking führen, ob der ungefilterte Betrieb einer Suchmaschine mit dem chinesischen Recht überhaupt vereinbar ist.

Die kommunistische Regierung in Peking filtert den Zugang zu ausländischen Websites und verlangt eine Selbstzensur bei Themen wie etwa Tibet, Dalai Lama, Taiwan, die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 oder das Schicksal von chinesischen Dissidenten. Populäre Seiten wie Facebook, Twitter, Youtube oder kritische Nachrichtenportale sind gesperrt.

Wenig Optimismus für Verhandlung mit Behörden

Während amtliche Stellen auch auf wiederholte Anfragen zunächst nicht reagierten, zitierte die Staatsagentur einen "ranghohen Offiziellen" mit den Worten: "Es ist noch schwer zu sagen, ob sich Google aus China verabschiedet. Niemand weiß es." Xinhua hob allerdings ausführlich darauf ab, dass 700 Angestellte von Google in China jetzt um ihre Arbeit bangten.

Eine Sprecherin von Google in Peking teilte mit: "Wir sind stolz auf unsere Erfolge in China." Im Moment laufe eine Überprüfung der Geschäfte. Ein namentlich nicht genannter Mitarbeiter zeigte sich laut Xinhua aber nicht optimistisch für die Verhandlungen zwischen Google und den Behörden.

Blumensträuße vor Google-Zentrale

Chinesische Dissidenten und Internet-Aktivisten begrüßten Googles Ankündigung und bedankten sich in Googles Peking-Zentrale mit Blumensträußen aus roten Rosen und weißen Lilien. "Google kämpft mit sehr harten Bedingungen in China", sagte der 30-jährige IT-Techniker Zhao Gang. "Wir wussten es immer, aber nun ist es öffentlich. Das ist ein entscheidender Moment für das Internet in China in diesem Jahr."

600 Millionen Dollar Umsatzentgang

Die US-Investmentbank JP Morgan schätzt den Google durch einen möglichen Rückzug aus China entstehenden Umsatzentgang auf rund 600 Millionen Dollar ( rund 414 Mio. Euro) für das Jahr 2010. Das entspricht nicht einmal zwei Prozent des für Google für das laufende Jahr prognostizierten Jahresumsatz von 26 Milliarden Dollar (18 Mrd. Euro). Allerdings hätte der Abschied aus dem chinesischen Markt, der jährlich um 40 Prozent wächst und derzeit rund 340 Millionen Nutzer zählt, langfristige Folgen auf das Wachstum des Unternehmens, so eine Analyse von JP Morgan.

Google hatte im chinesischen Suchmaschinengeschäft zuletzt Marktanteile gewonnen und rangierte laut dem chinesischen Marktforscher Analysys International mit 35,9 Prozent hinter dem chinesischen Suchmaschinenprimus Baidu, der im vierten Quartal 2009 einen Marktanteil von 58,4 Prozent hielt. Baidu selbst schreibt sich einen Marktanteil von 77 Prozent zu.

Auswirkungen auf Partnerunternehmen unklar

Daneben unterhält Google Partnerschaften mit zahlreichen chinesischen Unternehmen, deren Zukunft durch den möglichen Abschied Googles aus China mehr als ungewiss ist, berichtete das "Wall Street Journal" ("WSJ"). Im vergangenen März startete Google etwa gemeinsam mit Top100.cn einen Musikdienst, an dem auch die vier großen Musikkonzerne Warner Music, Universal Music, Sony und EMI Anteile halten. Der werbefinanzierte Download- und Streaming-Dienst gilt unter Marktbeobachtern als zukunftsweisende Alternative zum nicht-lizenzierten Musiktausch.

Auch das Portal Sina kooperiert mit Google bei der Internet-Suche. Daneben verwendet auch der größte Mobilfunkanbieter des Landes, China Mobile, Googles mobilen Suchdienst auf seinen Handybrowsern. Das dem Staat gehörende Unternehmen brachte auch zahlreiche Smartphones mit Googles mobilem Betriebssystem Android auf den chinesischen Markt.

Von einem Rückzug Googles würden vor allem chinesische Konkurrenten profitieren, mutmaßten Marktbeobachter gegenüber dem "WSJ".

Unterstützung von Yahoo und Obama

Der Suchmaschinenbetreiber Yahoo steht seinem Konkurrenten Google bei dessen Kritik an Hackerangriffen in China zur Seite. Die Angriffe auf das Unternehmen seien zutiefst beunruhigend, kritisierte Yahoo am Mittwoch und unterstützte damit den US-Rivalen, der einen Rückzug vom chinesischen Markt in Erwägung zieht. Übergriffe auf die Privatsphäre der Internetnutzer seien etwas, dem man sich widersetzen müsse.

Unterstützung hat der Konzern für seine Haltung bereits von US-Präsident Barack Obama sowie Außenministerin Hillary Clinton erhalten. Obama bestehe darauf, dass auch in China das Recht auf Freiheit im Internet gelte, sagte der Präsidialamtssprecher Robert Gibbs. Google habe Obama noch vor der Ankündigung von dem möglichen Rückzug aus der Volksrepublik informiert.

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(futurezone/AP/Reuters/dpa)