Kroes muss nachsitzen
Die für Digitalwirtschaft und Kultur designierte niederländische EU-Kommissarin Neelie Kroes muss am Dienstag noch einmal vor dem Europaparlament erscheinen. Der Beschluss kam überraschend, da Kroes mit ihren teils sehr klaren Ankündigungen zu Netzneutralität, Breitband und ACTA einen guten Eindruck gemacht zu haben schien.
Nach ihrer Anhörung hätten die zuständigen Fraktionskoordinatoren des Industrieausschusses "kein positives Zeugnis" für die Niederländerin ausgestellt, sagte der ÖVP-Europaabgeordnete Paul Rübig vergangenen Freitag.
Kroes sei auf das Hearing "nicht gut vorbereitet" gewesen, habe sich nicht in die Materie eingearbeitet und sei zu wichtigen Themen wie Roaming und zur Frequenznutzung Antworten schuldig geblieben, kritisierte Rübig. Außerdem habe sie als bisherige Wettbewerbskommissarin ihre Exekutivfunktion in den Mittelpunkt gestellt, was bei den Abgeordneten nicht so gut angekommen sei.
"Politisches Manöver"
"Die echten Experten auf diesem Gebiet haben gefunden, dass sie sich eindeutig nicht gut genug vorbereitet hat", sagte die niederländische Christdemokratin Corien Wortmann (CDA). Die niederländische Liberale Hans van Baalen kritisierte, die "Nachsitzung" für Kroes sei nur ein politisches Manöver, weil zuvor bereits Kandidaten aus den Reihen der Christ- und Sozialdemokraten Probleme bei den Anhörungen hatten.
Als Wettbewerbskommissarin galt die 68-jährige Liberale Kroes bisher als eine der profiliertesten Vertreterinnen in dem Team von Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso. Die "Nachsitzung" soll am Dienstag mit den Koordinatoren aller Fraktionen des Ausschusses in Straßburg stattfinden, sagte Rübig.
Der Beschluss der Fraktionskoordinatoren kam überraschend, da Kroes auf die Abgeordneten mit ihren teils sehr klaren Ankündigungen zu Netzneutralität, Breitband, ACTA, offenen Standards und Interoperabilität einen vorwiegend guten Eindruck gemacht zu haben schien.
Klare Ankündigungen zu Netzneutralität und ACTA
Auf die Frage der Netzneutralität, also ob Telekomunternehmen und Internet-Provider bestimmte Dienste wie Skype aus ihrem Portfolio ausschließen dürfen, wenn diese nicht zu ihrem Geschäftsmodell passen, antwortete Kroes mit einer klare Aussage: "Marktbeherrschende Unternehmen dürfen keine Dienste aus kommerziellen Gründen diskriminieren. Das ist ein 'No Go' - außer es geht um Spam oder Sicherheitsprobleme." Europa brauche ein "offenes Netz", sonst verliere man Entwicklungsmöglichkeiten.
In Bezug auf das derzeit auf internationaler Ebene verhandelte Anti-Piraterie-Abkommen ACTA, das ein Rahmenwerk gegen Piraterie finden will, zeigte sich Kroes hart: Die Europäische Union werde keine Kompromisse eingehen. "Unsere internationalen Partner müssen denselben Schutz für geistiges Eigentum bieten wie wir. Es gibt keine Harmonisierung durch die Hintertür. Die anderen müssen sich auf unsere Linie einstimmen", so Kroes.
(APA/futurezone/Christiane Schulzki-Haddouti)