Datenschutzrat hofft auf EU-Lösung
Der Datenschutzrat (DSR) will die geplanten Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung in Österreich vorerst nicht bewerten, weil ein zwischen den Ministerien abgestimmtes Gesamtpaket fehlt. DSR-Vorsitzender Johann Maier (SPÖ) hofft jedoch, dass die umstrittene Richtlinie auf europäischer Ebene zu Fall gebracht wird.
Am Freitag endete die Begutachtungsfrist zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung (Data-Retention). Schon davor zeichnete sich ab, dass der vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte (BIM) erarbeitete Gesetzesentwurf zur Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) keine Mehrheit im Ministerrat finden wird.
Aus dem Innenministerium und aus dem Justizressort kamen Forderungen, die über den Entwurf hinausgehen. Der Datenschutzrat im Bundeskanzleramt werde daher vorerst kein detailliertes Gutachten abgeben, sagte Maier am Freitag bei einer Pressekonferenz in Wien.
Erst wenn die Wünsche der Ministerien in einem mit dem bei der Vorratsdatenspeicherung federführenden Insfrastrukturministerium in einem interministeriell abgestimmten Gesamtpaket vorliegen, werde der Datenschutzrat eine Bewertung vornehmen, so Maier.
"Nicht mit europäischen Grundrechten vereinbar"
Maier machte aber klar, dass die EU-Richtlinie nach Meinung des Datenschutzrates nicht mit den europäischen Grundrechten vereinbar sei. Die Richtlinie, die die verdachtsunabhängige verpflichtende Speicherung von Verbindungsdaten für mindestens sechs Monate vorsieht, verstoße gegen Datenschutzbestimmungen und gegen das Telekommunikationsgeheimnis.
Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) hatte die Novelle, mit der das TKG überarbeitet werden soll, von einer Expertengruppe unter Federführung des Boltzmann-Instituts für Menschenrechte ausarbeiten lassen. Der Vorschlag beinhaltet eine Mindestumsetzung der Richtlinie, also eine maximal sechsmonatige Speicherdauer der Daten, Verwendung nur für die Aufklärung von schweren Straftaten und nur mit richterlicher Anordnung.
Die Richtlinie für die Vorratsdatenspeicherung, die unter dem Eindruck der Terroranschläge in New York und Spanien beschlossen wurde, sieht die Speicherung von Verbindungsdaten vor, im Wesentlichen wer mit wem wann wie lange von wo aus kommuniziert hat, nicht aber die Inhalte.
- Stellungnahme des Justizministeriums (PDF)
- Ministerialentwurf und alle bereits vorliegenden Stellungnahmen
Forderungen von Justiz- und Innenministerium
Das Justizministerium dränge etwa darauf, dass auch bei Urheberrechtsverletzungen auf die gespeicherten Daten zugegriffen werden kann, so Maier. Der Datenschutzrat hält die Datenherausgabe zur Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche für problematisch. "Das entspricht nicht dem Zweck der Richtlinie", kritisierte Maier.
Konkret regte das Justizministerium in seiner Stellungnahme an, im Urheberrechtsgesetz (§87, Abs. 3) geregelte Auskunftsverpflichtungen gegenüber Rechteinhabern abzusichern. Um die Auskunftsansprüche erfüllen zu können, sollen die Daten Rechteinhabern "zumindest drei Monate" verpflichtend zur Verfügung stehen.
Auch das Innenminsterium wolle einen Zugriff bei weniger schweren Straftaten, weswegen der Datenschutzrat eine restriktive Definition verlangt. Das Innenministerium behaupte, dass die Umsetzung der Richtlinie in ihrer derzeitigen Form die Arbeit der Polilzei erschweren würde und niederschwellige Kriminalität nicht verfolgt werden können, sagte Maier. "Diese Argumentation ist in vielen Punkten nicht richtig." Auch sei vom Innenressort der Wunsch nach einer Speicherung für ein ganzes Jahr anstelle von sechs Monaten gekommen.
Begleitmaßnahmen erforderlich
Sollte es zu einer Umsetzung der EU-Richtlinie kommen, seien Begleitmaßnahmen bei Sicherheitsbehörden und Justiz erforderlich, "mit denen sichergestellt werde, dass der verhältnismäßige Einsatz gewährleistet ist", so Maier: "Das Rechtsbewusstsein muss gestärkt werden."
Maier forderte auch Ausnahmeregeln für Journalisten, Ärzte und Seelsorger, deren Arbeitsgrundlage durch die Vorratsdatenspeicherung in Verbindung mit bereits bestehenden Überwachungsmöglichkeiten gefährdet sei.
Hoffen auf Umdenken in Europa
Der Datenschutzrat rät auch, die Entwicklung der Vorratsdatenspeicherung auf europäischer Ebene abzuwarten, und hofft auf ein Umdenken. Gegen 19 Staaten - darunter Österreich - würde derzeit ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Nicht- oder mangelhafter Umsetzung laufen. Eben erst hatten auch die rumänischen Verfassungsrichter die Vorratsdatenspeicherung in ihrem Land aufgehoben.
Mit Spannung wird eine Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe erwartet, die auch die deutsche Umsetzung kippen könnte. Maier brachte auch den Vertrag von Lissabon zur Sprache, der die Grundrechte stärke und es ermögliche, die Richtlinie vor den Europäischen Gerichtshof zu bringen.
Mit der neuen EU-Kommission könnte eine grundsätzliche Änderung der Haltung zur Vorratsdatenspeicherung eintreten, sagte Meier unter Verweis auf die Stellungnahmen der designierten EU-Justizkommissarin Vivane Reding bei ihrer Anhörung vor dem EU-Parlament am Dienstag. Reding habe deutlich die Priorität der Privatsphäre und des Datenschutzes zum Ausdruck gebracht und das EU-Parlament aufgefordert, sich keine Regeln aufzwingen zu lassen, die gegen die Grundrechte verstoßen.
(futurezone/APA)