Vorratsdatenspeicherung im Nationalrat
Der Petitionsausschuss im Nationalrat befasst sich am Dienstag mit der Eingabe einer Bürgerinitiative, die eine ersatzlose Streichung der geplanten Vorratsdatenspeicherung fordert. Zu deren Umsetzung gaben das Justizministerium und die Richtervereinigung kontroverse Rechtsmeinungen ab.
Die in Arbeit befindliche Novelle zum Telekomgesetz, deren Begutachtungsfrist am Freitag zu Ende ging, löste eine große Zahl an Stellungnahmen aus. Die Parlamentswebsite verzeichnet mittlerweile über 60 Eingaben zur geplanten Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung (Data-Retention).
Mit wenigen Ausnahmen äußern sich Interessenvertretungen, Behörden und Einzelpersonen durchwegs kritisch zur geplanten automatischen Protokollierung aller Verkehrs- und Geodaten zu sämtlichen Telefonaten in allen Telefonnetzen Österreichs inklusive der IP-Adressen und des E-Mail-Verkehrs im Internet.
Aus dem Verkehrsministerium, das bei der Umsetzung der Novelle federführend ist, war zu erfahren, dass die Zahl der Stellungnahmen zwar deutlich über dem Schnitt liege, den Eingaberekord aber die Novelle zum Postgesetz halte.
Bürgerinitiative fordert Nichtumsetzung
Im Nationalrat kommt die Novelle zum Telekomgesetz bereits am Dienstag zur Sprache. Die Bürgerinitiative "Freiheit statt Angst" sammelte die nötige Anzahl an Unterschriften, damit ihre Petition mit der Forderung zur Nichtumsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung im Petitionsausschuss des Nationalrats behandelt wird.
Die Bürgerinitiative fordert zudem, dass sich der Nationalrat gemeinsam mit der Bundesregierung auf europäischer Ebene für eine Abschaffung der Richtlinie einsetzt. Sie ist als erster Punkt auf der Tagesordnung angeführt. Der Ausschuss kommt um 12.00 Uhr zusammen und soll bis 16.00 Uhr tagen - deutlich länger, als die bisherigen Ausschüsse angesetzt waren.
Die Stellungnahme des Innenministeriums
Die Stellungnahme des Innenministeriums geht insofern mit jener des Justizministeriums zusammen, weil nur diese beiden - jedenfalls auf so hoher Ebene - Sorgen um die Verfolgbarkeit von "niederschwelligen Straftaten" wie etwa Urheberrechtsdelikten Ausdruck verliehen haben. Vor allem das Innenministerium hatte in vergangenen Stellungnahmen zu überwachungsrelevanten Novellen stets schwere Straftaten im Fokus. Besorgt gezeigt hatte man sich seitens des Innenministeriums bisher weniger über die mangelnde Verfolgbarkeit von Tauschbörsennutzern, vielmehr hatte man eher die Auffindung "verirrter Wanderer" mittels Kreuzpeilung im Visier.
Justizministerium gegen Filesharing
Während das Justizministerium unter Berufung auf das EU-Gemeinschaftsrecht für eine Ausweitung des vorliegenden TKG-Entwurfs eintritt, um damit auch Urheberrechtsverletzungen verfolgen zu können, sieht das die Richtervereinigung ganz anders.
"Eine Rechtslage, die den Auskunftsanspruch für einen signifikanten Teil aller Fälle illegalen Filesharings - nämlich jene, bei denen dynamische IP-Adressen verwendet werden - schlichtweg aushebelt, weil sie keine Verpflichtung zur Speicherung der relevanten Daten vorsieht, würde diesen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben keineswegs entsprechen", so die Stellungnahme des Justizministeriums zum Gesetzesentwurf.
Richter bezweifeln Sicherheitsgewinn
Die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter und die Bundesvertretung Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst meinen hingegen: "Es ist und bleibt fraglich, ob der beabsichtigte Sicherheitsgewinn überhaupt erreicht werden kann, jedenfalls aber, ob ein möglicher Erfolg die Grundrechtseingriffe und die damit verbundenen Missbrauchsgefahren rechtfertigt." Denn: "Die Missbrauchsgefahr ist angesichts der hohen Begehrlichkeit an diesen Daten evident."
Nach Ansicht der Richtervereinigung ist die "bestehende Definition der schweren Straftaten keinesfalls zu eng, eher als zu weit gegriffen anzusehen".
Eine Frage der Definition
Da in der EU-Richtlinie der Begriff "schwere Straftat" verwendet wird, rangelt man hierzulande nun um deren Definition. Momentan geht man von einem Jahr aus, was deutlich über dem Gros der Urheberrechtsdelikte liegt.
Ebenfalls unter Berufung auf EU-Gemeinschaftsrecht halten die Richter fest: "Bereits an dieser Stelle wird betont, dass mit der durch die RL 2006/24/EG normierten Zweckbindung eine Auskunft über Vorratsdaten zur Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche (z. B. § 87b UrhG) unvereinbar wäre."
(futurezone/Erich Moechel)