"Nacktscanner erhöhen Sicherheit nicht"
Über den Einsatz von Nacktscannern auf Flughäfen lässt sich aus verschiedenen Gründen debattieren. Entscheidend sollte jedoch sein, ob die Geräte tatsächlich die Flugsicherheit erhöhen. Der Wiener Physiker Werner Gruber bezweifelt das und führte kürzlich im ZDF vor, wie leicht einer der derzeit gängigen Scanner ausgetrickst werden kann. ORF.at traf den Experten zum Gespräch.
Gruber demonstrierte vor einer knappen Woche in der ZDF-Show "Markus Lanz" vor laufender Kamera, wie sich Ganzkörperscanner austricksen lassen. Beim Körperscan mit einem Passivscanner des Herstellers ThruVision führte er mehrere Gegenstände mit sich, die das System nicht erkennen konnte. Darunter befanden sich ein Schweizermesser, drei kleine Flaschen Thermit, eine Eprouvette - ein kleines Reagenzglas, das unter einem Pflaster versteckt war -, ein Zünder und ein Feuerzeug.
Mit dem Wissen, an welcher Stelle man ein Loch in die Innenwand schmelzen muss, könne man mit dieser Mischung wichtige Kabelstränge in einem Flugzeug beschädigen und die Maschine zum Absturz bringen, erklärte Gruber. Die chemische Substanz Thermit könne man zudem in Drogeriemärkten um wenige Cent erwerben. Der Scanner aus der Serie T8000 des US-Unternehmens ThruVision befindet sich derzeit auf dem Flughafen Schiphol in Amsterdam im Testbetrieb.
ORF.at sprach mit dem Physiker über die Sinnhaftigkeit von Körperscannern und weiteren Sicherheitsmethoden, die auf Flughäfen zum Einsatz kommen.
ORF.at: Was halten Sie als Physiker vom Einsatz von Nacktscannern auf Flughäfen?
Gruber: Ich glaube nicht, dass sie eine sinnvolle Erweiterung der aktuellen Überprüfungen am Flughafen bringen werden. Sie sind eine zusätzliche technische Spielerei, die relativ viel kostet, aber die nicht wirklich mehr bringen wird. Der aktuelle Fall in München, bei dem ein Mann durch die Sicherheitskontrolle gelaufen ist und nicht erwischt wurde, zeigt deutlich, dass selbst die bisherigen Modelle nicht funktionieren. Solange braucht man eigentlich gar nicht darüber reden, neue Geräte anzuschaffen.
ORF.at: Bei den Nacktscannern überwiegt also aus Ihrer Sicht der Kosten- den Nutzenfaktor.
Gruber: Ja, so kann man das formulieren. Ein einziger Nacktscanner kostet etwa 150.000 Euro. Zweitens: Die Passagiere brauchen etwa die doppelte bis dreifache Zeit, bis sie abgefertigt werden können. Das ist unpraktisch und unangenehm. Drittens: Nacktscanner lassen sich ohne Weiteres austricksen. Selbst wenn die Sicherheitslage im Flugzeug einmal ausreichend wäre, würden Terroristen die Tatortlage verändern und auf Bahnhöfe oder Einkaufszentren ausweichen.
ORF.at: Sie haben vor kurzem demonstriert, wie einfach man Nacktscanner austricksen kann.
Gruber: Dabei hat es sich um den ThruVision der Serie T8000 gehandelt. Das ist ein Passivscanner, der nur auf die natürliche Wärme- und Terahertzabstrahlung des menschlichen Körpers zurückgreift. Damit lässt sich ein Abbild der Körperkonturen ohne anatomische Details erzeugen. Vor allem das Thermit, also die chemische Substanz, und das Schweizermesser hätte der Scanner aber auf jeden Fall erkennen müssen - hat er aber nicht.
ORF.at: Den Zünder haben Sie im Mund transportiert. Dieser kann von Körperscannern nicht erfasst werden. Ist es so gesehen eigentlich ausreichend, wenn man den Mund und Hautfalten zur Verfügung hat, um gewisse Substanzen zu transportieren?
Gruber: Als Terrorist kann man damit gediegen arbeiten. Sie brauchen ungefähr eine Sprengstoffmenge in der Größenordnung eines Feuerzeugs, um zu ermöglichen, dass dieses mit Garantie nicht mehr landet.
ORF.at: Dazu muss man wahrscheinlich auch kein Physiker sein.
Gruber: Nein. Wenn Sie im Internet nach Sprengstoffen suchen, finden Sie rasch Bauanleitungen. In Wahrheit braucht man nur auf die Universitätsbibliothek gehen, in den Fachbereich Chemie, und dort findet man zahlreiche Bücher zur Herstellung von Sprengstoff. Die chemische Substanz, die ich verwendet habe, ist kein Sprengstoff, aber sie verbrennt bei einer Hitzeentstehung über 3.000 Grad Celsius sehr rasch. Thermit kann man im Drogeriemarkt kaufen. Eine Dose mit zwei Kilogramm kostet etwa 50 Euro, aber es reichen kleine Flaschen mit 20 Millilitern.
ORF.at: Hätte derselbe Trick auch bei Aktivscannern funktioniert?
Gruber: Aktivscanner sind viel genauer und detaillierter, hier hätte man zu anderen Tricks greifen müssen, um diese zu überlisten. Aus technischer Sicht wäre es aber problemlos möglich gewesen. Bei Aktivscannern wird der Körper von einem fokussierten Strahl abgescannt. Das Problem dabei ist, dass die Leute, sobald sie das Wort Strahlung hören, nervös werden, weil sie sofort an Röntgenstrahlen denken. Aber die Geräte sind vor allem wegen der genauen Darstellung des Körpers weniger beliebt.
ORF.at: Würde Sie es persönlich stören, wenn Sicherheitsleute Sie nackt sehen?
Gruber: In der Physik gibt es keine Privatsphäre. Mir persönlich wäre es egal, ob mich jemand nackt sieht oder nicht. Bei berühmten Persönlichkeiten wäre es allerdings nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Bilder im Internet auftauchen würden. Sobald die Daten da sind, können sie missbraucht werden, und das fände ich nicht gut. Als Physiker kann ich allerdings nur eines ganz klar sagen: Die Scanner werden keinen Mehrwert an Sicherheit bringen, und deswegen sind sie unsinnig. Dass sie in die Privatsphäre auch noch eingreifen, ist ein zusätzliches, emotionales Problem. Natürlich muss man auch die Sicht des Überwachungspersonals sehen: Ich glaube nicht, dass es sehr angenehm ist, den ganzen Tag lang nackte Personen anzusehen, vor allem haben nicht alle eine Modelfigur.
ORF.at: Sie sind außerdem ein starker Gegner des Verbots, bestimmte Mengen an Flüssigkeiten von außerhalb des Duty-Free-Bereichs an Bord zu bringen. Können Sie begründen, warum das Ihrer Meinung nach nicht sinnvoll ist?
Gruber: Bei dem Attentatsversuch in Großbritannien, der als Auslöser für das Verbot gilt, wurde versucht, bestimmte Flüssigkeiten in Shampoo-Flaschen an Bord zu bringen. Aus diesen beiden Flüssigkeiten, Aceton und Wasserstoffperoxyd, könnte man den Sprengstoff APEX bauen. Das große Problem dabei ist allerdings, dass allein beim Zusammenmischen der beiden Stoffe nichts passieren würde, da ein Katalysator oder eine Säure fehlt. Erst danach beginnt die Flüssigkeit zu flocken, und es bildet sich ein Schaum, bevor das Ganze filtriert wird. Diese weißliche Struktur müsste dann getrocknet werden. Dieser Vorgang dauert etwa vier bis fünf Stunden, erst danach erhält man hochexplosive Kristalle. Im Flugzeug wäre sich das alles zeitlich nie ausgegangen. Außerdem funktioniert das nur unter perfekten Laborbedingungen. In einem Flugzeug würde man das niemals zusammenbringen.
ORF.at: Aber wie sieht es mit Flüssigsprengstoffen aus, die bereits fertig sind?
Gruber: Davon gibt es zwei Arten, die beide für den Terrorismus nicht geeignet sind, da sie schlagempfindlich sind. Das Flüssigkeitsverbot ist daher praktisch sinnlos. Wenn man Kontrollen macht, müsste man diese außerdem unmittelbar vor dem Flugzeug machen. Ein Sicherheitsbereich mit Infrastruktur ist relativ durchlässig, da braucht man sich eigentlich nur als Mitarbeiter zu bewerben. Auch das Verbot von Schweizermessern ist heutzutage nicht mehr zwingend sinnvoll. Heutzutage würden sämtliche Attentäter, die im Flugzeug ein Messer ziehen, sofort von den Passagieren überwältigt.
ORF.at: Was müsste man Ihrer Meinung nach tun, um die Sicherheit im Flugverkehr zu erhöhen?
Gruber: Wenn man wirklich mehr Sicherheit haben will, müsste sich jede Person zu 100 Prozent nackt ausziehen, in einer Kabine einen bereitgestellten Pyjama anziehen und danach einem Ganzkörperröntgen unterzogen werden. Josef Scheuring, der Chef der Polizeigewerkschaft in Deutschland mit langjähriger Erfahrung im Sicherheitsbereich, hat mir erzählt, dass man es Personen ansieht, ob sie etwas planen. Ein Passagier, der weiß, dass er gerade seinen letzten Kaffee trinkt, verhält sich anders als jemand, der in den Urlaub fährt. Gut geschultes Personal erkennt so etwas. Bevor man in Nacktscanner investiert und in ein Flüssigkeitsverbot, sollte man das Geld daher eher in gut geschultes Sicherheitspersonal investieren.
(futurezone/Barbara Wimmer)