© ORF.at/Günter Hack, Die EU-Abgeordneten Eva Lichtenberger und Albert Steinhauser

Grüne sehen Wende bei Data-Retention

KONTROLLE
25.01.2010

Die Grünen haben erneut gefordert, die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung nicht in österreichisches Recht umzusetzen. Strafzahlungen seien vor einer Entscheidung des EuGH über die Vereinbarkeit der Data-Retention mit den Grundrechten nicht zu befürchten. Auch in der EU-Kommission habe sich die Stimmung gegen den Überwachungsplan gedreht.

Anlässlich einer Pressekonferenz am Montag in Wien bekräftigten die grüne Europaabgeordnete Eva Lichtenberger und Albert Steinhauser, Justizsprecher der Grünen im Nationalrat, ihre Kritik an der geplanten Vorratsdatenspeicherung erneut.

Die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung (Data-Retention) sieht vor, dass sämtliche Telekom- und Internet-Verbindungsdaten sowie Handystandortdaten aller Bürger von den Providern für mindestens sechs Monate verdachtsunabhängig gespeichert und zur Bekämpfung von Schwerstkriminalität und Terrorismus an die Behörden übermittelt werden müssen.

"Bei den Anhörungen der neuen Kommissare vor den EU-Parlamentsausschüssen gab es einige interessante Aspekte", so Lichtenberger, "Neelie Kroes, die Kommissarin für die Digitale Agenda, hat gesagt, dass die Vorratsdatenspeicherung heute nicht mehr so beschlossen werden würde. Justizkommissarin Viviane Reding hat versprochen, jede neue Maßnahme auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundrechten prüfen zu lassen."

"Blindwütiges Speichern"

Das, so Lichtenberger, weise auf ein Umdenken in der Kommission hin, denn die Aussagen von Kroes und Reding seien auch mit Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso abgesprochen. Auch im Parlament selbst gebe es eine "erhöhte Sensibilität" in Sachen Datenschutz und Bürgerrechte. "Das blindwütige Speichern aller Telekommunikationsdaten ist einer der schwersten Eingriffe in die Privatsphäre", sagte Lichtenberger.

Derzeit läuft die Umsetzung der Data-Retention-Richtlinie in Österreich. Steinhauser sagte, die Regierung solle es auf ein Vertragsverletzungsverfahren durch die Kommission ankommen lassen und die Richtlinie nicht in österreichisches Recht umsetzen. "Österreich muss auch keine Strafzahlungen leisten, solange das Verfahren vor dem EuGH nicht abgeschlossen ist", so Steinhauser.

"Das Argument, dass man nun schnell umsetzen müsse, um Strafzahlungen zu vermeiden, ist daher nicht stichhaltig." Da die Vorratsdatenspeicherung gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), das Gebot auf Achtung der Privatsphäre, verstoße, stünden die Chancen gut, das Projekt kippen zu können.

Vorwürfe an Bandion-Ortner

Steinhauser: "Profikriminelle können sich ohnehin gegen die Überwachung schützen. Was bleibt, sind der Eingriff in die Grundrechte aller Bürger und die vielen Missbrauchsmöglichkeiten." Steinhauser wies darauf hin, dass zwar die Begutachtung der notwendigen Änderung im Telekommunikationsgesetz (TKG) durch das federführende Infrastrukturministerium öffentlich gemacht worden sei, das "Kleingedruckte" in der Strafprozessordnung und im Sicherheitspolizeigesetz aber noch fehle.

"Hier könnte es wieder so laufen wie bei der letzten Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes. Man findet zwei willige Abgeordnete, die in letzter Minute einen Abänderungsantrag stellen und die wesentlichen Punkte an der kritischen Öffentlichkeit vorbei ins Gesetz bringen. Man will keine öffentliche Debatte."

Justizministerin Claudia Bandion-Ortner habe sich bisher nicht der Öffentlichkeit gestellt, so Steinhauser. Sie habe ihm auf eine Anfrage im Menschenrechtsausschuss des Nationalrats hin gesagt, dass sie das Strafmaß, ab dem die Strafverfolger auf die Vorratsdaten zugreifen können, bereits auf ein Jahr angesetzt habe. Dies sei "überschießend" und entspreche nicht dem Geist der Richtlinie, die zur Terrorismusbekämpfung eingeführt worden sei. In seiner Stellungnahme zum Gesetzesentwurf hatte das Justizministerium auch gefordert, die Daten gegen Urheberrechtsverletzungen im Internet einsetzen zu dürfen.

TKG-Überarbeitung läuft

Aus Sicht von Paul Hefelle, Sprecher der Justizministerin, liegt der Ball nun bei Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ). "Wir sind mit Abgabe der Stellungnahme fertig", so Hefelle. Wann das Gesetz im Ministerrat besprochen werde, hänge vom Infrastrukturministerium ab.

"Wir werden die Änderungen im Lauf der kommenden zwei Wochen in den Entwurf einarbeiten", sagte Bures-Sprecherin Susanna Enk am Montag auf Anfrage von ORF.at. Dann folge die "politische Abstimmung" im Ministerrat, im Rahmen derer die Details der Umsetzung festgefügt würden. Einen genauen Termin dafür gebe es noch nicht. Bures, die kürzlich eine erneute Überprüfung der Richtlinie auf EU-Ebene angeregt hatte, trete weiterhin für eine minimale Umsetzung der Richtlinie ein.

Am Dienstag war die Vorratsdatenspeicherung auch Thema im Petitionsausschuss des Nationalrats. Die Bürgerinitiative "Freiheit statt Angst" hatte Unterschriften gegen das Vorhaben gesammelt. Die Parlamentarier beschlossen in ihrer Sitzung, als Entscheidungsgrundlage mehr Informationen von den beteiligten Ministerien anzufordern.

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(futurezone/Günter Hack)