Internet nicht für alle
Für viele Österreicher ist das Internet heute unverzichtbarer Bestandteil des Alltags. Ein Grundrecht auf Internet-Zugang besteht jedoch nicht. Wenn es hart auf hart kommt, können Computer gepfändet werden. Auch Zuschüsse für Breitbandzugänge gibt es nach wie vor nicht. Damit möglichst viele das E-Government-Angebot der Regierung nutzen können, sollen in den nächsten Jahren öffentliche Zugänge ausgebaut werden.
Vor etwas mehr als zehn Jahren, als das Internet erstmals die breite Masse erreichte, sperrten sich Journalisten von Lifestyle-Magazinen wochenlang in ihren Wohnungen ein und versuchten, ausschließlich mit Hilfe des Netzes zu überleben. Stellte sich damals noch die Frage, ob die über Online-Dienste bestellte Pizza dann auch tatsächlich geliefert werden würde, so ist das Internet für viele mittlerweile tatsächlich lebensnotwendig geworden und zählt zur Grundausstattung, um im Alltag bestehen zu können.
Grundrecht auf Internet-Zugang:
ORF.at hat vor der Nationalratswahl 2008 Positionen der im Parlament vertretenen Parteien zu einem Grundrecht auf Internet-Zugang abgefragt. Die Antworten blieben allgemein und wenig verbindlich. Das Spektrum reichte von "Niemand darf ausgeschlossen werden" (SPÖ) über den "bestmöglichen Zugang zu Internet und Information für alle Bürgerinnen und Bürger" (ÖVP) bis hin zur Forderung nach "Förderungen des Zugangs für sozial schwache Personen" (FPÖ), "Technologien, die für alle Gesellschaftsgruppen zugänglich sind" (Grüne) und "kostenlosem Internet-Zugang für alle Österreicher mittels WLAN-Spots im ganzen Land" (BZÖ).
"Zugang unverzichtbar"
"Der Zugang zum Internet ist heute, wenn Sie am sozialen Leben teilhaben wollen, unverzichtbar geworden", sagte Rudolf Strohmeier, Kabinettschef der damaligen EU-Medienkommissarin Viviane Reding, im Sommer zu ORF.at. "Mobilfunk und Web sind unsere 'neuen' Kommunikationssysteme, ohne die unsere Gesellschaft nicht mehr funktionieren wu?rde", heißt es im 2008 veröffentlichten "E-Government-ABC" der Bundesregierung.
Zwar wollen alle im Parlament vertretenen Parteien Zugangshürden beseitigen und den Breitbandausbau fördern, ein Grundrecht auf Internet-Zugang lässt sich daraus aber nicht ableiten.
Computer nicht "unpfändbar"
Computer scheinen in der österreichischen Exekutionsordnung, in der Pfändungen geregelt werden, auch nicht auf der Liste "unpfändbarer Sachen" auf. Lediglich wer beruflich auf einen Computer angewiesen ist, kann erwirken, dass eine Pfändung des Geräts unterlassen wird.
"Unpfändbar sind bei Personen, die aus persönlichen Leistungen ihren Erwerb ziehen, sowie bei Kleingewerbetreibenden und Kleinlandwirten die zur Berufsausübung bzw. persönlichen Fortsetzung der Erwerbstätigkeit erforderlichen Gegenstände", heißt es etwa in Paragraf 250 Absatz 1 des Gesetzestextes.
"Praktisch kaum Computerpfändungen"
Praktisch würden Computer allerdings kaum gepfändet, sagte Anton Lojowski, Vorsitzender der Vereinigung Österreichischer Gerichtsvollzieher. Die meisten Geräte seien nicht viel wert, meint Lojowski: "Damit können die Kosten für eine Pfändung kaum gedeckt werden." Darüber hinaus müssten im Falle einer Pfändung Daten und Programme vor dem Verkauf gelöscht werden, so der Gerichtsvollzieher: "Sonst gibt es Probleme mit dem Datenschutz."
Entgegen der landläufigen Meinung sind auch TV- und Radiogeräte in der Exekutionsordnung nicht grundsätzlich von der Pfändung ausgenommen - Nutztiere allerdings schon. "Eine Milchkuh oder nach Wahl des Verpflichteten zwei Schweine, Ziegen oder Schafe" seien unpfändbar, "wenn diese Tiere für die Ernährung des Verpflichteten oder der mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienmitglieder erforderlich sind", wie es in dem Gesetzestext heißt.
Die gesetzliche Vorschrift sei veraltet, meint Lojowski, der eine Überarbeitung dringend für notwendig hält: "Die Exekutionsordnung ist ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert."
Internet in Österreich
Der Monitor der Regulierungsbehörde RTR wies für Österreich Anfang 2009 1,811 Millionen Festnetz-Breitbandanschlüssse und 1,038 Millionen mobile Breitbandanschlüsse aus. Laut dem EU-Statistikamt Eurostat verfügten im vergangenen Jahr 70 Prozent der heimischen Haushalte über einen Internet-Anschluss. Den Prozentsatz der Breitbandhaushalte bezifferte Eurostat mit 58 Prozent. Laut dem Statistikamt nutzten im vergangenen Jahr 48 Prozent der Österreicher im Alter von 16 bis 74 Jahren das Internet täglich. In der Altersgruppe von 16 bis 24 Jahren waren es sogar 70 Prozent.
Die Anzahl der Exekutionsverfahren war in den vergangenen Jahren relativ konstant geblieben. 2008 wurden laut Justizministerium rund 1,1 Millionen Verfahren eingeleitet, 2009 waren es mit 1,076 Millionen geringfügig weniger.
Zuschuss für Breitbandinternet wird geprüft
Die Regierung fördert zwar die Infrastrukturerrichtung, individuelle Zuschüsse zum Internet-Anschluss wie beispielsweise für Telefoniedienste gibt es für Bedürftige und sozial Schwache derzeit nicht.
Eine vom damaligen Infrastrukturminister Werner Faymann (SPÖ) geplante Erweiterung der Zuschussleistung für Sprachtelefoniedienste auf Breitbandinternet fiel der Neuwahl im Jahr 2008 zum Opfer. Der wenige Monate vor der Wahl zur Begutachtung ausgesandte Änderungsentwurf des Fernsprechentgeltzuschussgesetzes verlief im Sand. Seither herrscht über die Zuschüsse für Breitbandinternet Schweigen.
Rund 295.000 beziehen Telefoniezuschuss
"Wir prüfen derzeit, ob und wie der Zuschuss für Sprachtelefonie auf Internet-Dienste erweitert werden kann", sagte Walter Fleißner, Pressereferent im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT), auf Anfrage von ORF.at.
Den Zuschuss für Sprachtelefonie erhalten derzeit rund 295.000 Personen, darunter je rund 20.000 Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger sowie 160.000 Pensionisten und 90.000 Pflegegeldempfänger, hieß es aus dem Ministerium. Sie kämen damit auch für den Breitbandzuschuss infrage.
"Jeder, der die Chance hat, E-Government zu nutzen, ist ein begrüßenswerter Kunde von uns", sagt Christian Rupp, Sprecher der Plattform Digitales Österreich, dem Koordinations- und Strategiegremium der Bundesregierung für E-Government.
Ausbau von E-Government-Terminals
Immer mehr Gemeinden würden in Ämtern und anderen öffentlichen Einrichtungen wie Bibliotheken Computer mit Internet-Zugang, Drucker und Chipkartenlesegeräte für das E-Government zur Verfügung stellen, so Rupp. Daneben sei auch über die Multimedia-Telefonsäulen der Telekom Austria der Zugang zu Informationsangeboten möglich.
Laut dem aktuellen Regierungsprogramm ist der Ausbau solcher E-Government-Terminals vorgesehen. Detaillierte Zahlen könner er keine nennen, meint Rupp: "Oberstes Ziel ist die Flächendeckung." Generell gelte aber, dass E-Government eine Option sei, es gebe keine Verpflichtung, die Dienste zu nutzen.
Auf die Frage, ob ein Grundrecht für Internet-Zugang in Österreich wünschenswert wäre, meint Rupp: "Wenn irgendwann einmal gewisse Informationen auschließlich über das Internet zugänglich wären, dann ja."
(futurezone/Patrick Dax)