E-Medikation: Ärzte und Apotheker uneinig
Das Nachfolgeprojekt zum "Arzneimittel-Sicherheitsgurt", die E-Medikation, befindet sich derzeit in der Warteschleife. Ärzte und Apotheker streiten darum, wer was auf der E-Medikationsliste sehen darf.
Auch ein Spitzengespräch zwischen Hauptverband der Sozialversicherungsträger, Ärzte- und Apothekerkammer konnte am Montag keine Einigung herbeiführen, berichtet die APA. Gestritten wird zwischen Ärzten und Apothekern.
"Es gab keine Einigung", hieß es am Dienstag bei der Österreichischen Apothekerkammer. "Wir sind sehr weit. Die Apotheker werden sich wohl noch bewegen müssen", erklärte der Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer, Artur Wechselberger. Bei der E-Medikation handelt es sich um das erste zentrale Projekt für E-Health nach der E-Card-Einführung. Es ist auch Startpunkt für die elektronische Gesundheitsakte (ELGA).
Elektronische Medikationsliste
In Zukunft sollen möglichst viele Arzneimittel, die der Patient von den verschiedenen Ärzten verschrieben bekommt und in der Apotheke abholt, sowie die rezeptfreien Medikamente, die er eventuell noch zusätzlich in Apotheken kauft, elektronisch abrufbar sein.
Vor Weihnachten waren diese Grundbedingungen klar, man war auch übereingekommen, im Herbst 2010 drei Pilotversuche mit dem System zu starten: In Tirol-West, in Oberösterreich und in Wien-Donaustadt - dort unter Beteiligung des Donauspitals. Das Krankenhaus soll keine Medikation selbst eingeben, aber nach Einschau in die Medikationsliste eines eingelieferten Patienten auf die bisherigen Verschreibungen aufbauen und im Notfall schnell reagieren können.
Streit über rezeptfreie Medikamente
Dieser Teil war klar und abgehakt. Doch im Zusammenspiel zwischen Apothekern und Ärzten spießt es sich weiterhin. Der wichtigste Punkt: Die Ärzte wollen neben den verschriebenen rezeptpflichtigen Arzneimitteln prinzipiell auch die rezeptfrei in der Apotheke verkauften Medikamente (OTC-Medikamente) in der Medikationsliste sehen.
Wechselberger: "Das System macht nur Sinn, wenn Ärzte auch jene Medikamente außerhalb der von ihnen verordneten sehen. Also jene, die sie frei kaufen können." Hier kann es durchaus zu einem Wechselwirkungsrisiko kommen. Seitens der Apothekerkammer hieß es aber: "Alle rezeptfreien Medikamente sind Kompetenz der Apotheker."
Warnung vor gläsernen Patienten
"Der Datenschutz ist eine heilige Kuh", argumentiert Heinrich Burggasser, Präsident der Apothekerkammer, gegenüber ORF.at. Es sei Sache des Patienten, welche rezeptfreien Arzneimittel sich dieser in der Apotheke kaufe. Das betreffe nicht die Ärzte. "Wenn sich ein Kunde ein Vitaminpräparat in der Apotheke kauft und der Arzt dieses auf der Medikationsliste sieht, kann es dann sein, dass dieser meint, er hätte es auch von ihm haben können", so Burggasser.
Weil das System sozusagen am Thema "Zeigst du mir deines, dann zeig ich dir meines" hängen zu bleiben drohte, wurde ein Kompromissvorschlag erarbeitet. Die österreichische Arzneimittelagentur AGES-PharmMed erstellte eine Liste von 80 Substanzen beziehungsweise 336 Arzneimitteln von insgesamt rund 4.000 erhältlichen und nicht rezeptpflichtigen Präparaten, die das Potenzial haben, über Interaktionen mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln Probleme zu machen. Diese sollten die Ärzte auch einsehen können. Aber auch dieser Vorschlag sei laut Wechselberger von den Apothekern abgelehnt worden.
Offene Fragen
Erledigt sein dürfte hingegen die Frage, wie die Verschreibung und Abholung von Arzneimitteln in der Medikationsliste registriert werden. Der Arzt vermerkt die Verschreibungen, während in der Apotheke dann die tatsächlich erfolgte Abgabe und eben auch rezeptfreie Produkte notiert werden sollen.
Geklärt werden müssen auch noch die Finanzierungs- und Haftungsfragen. Bei den Kosten - die Apotheker haben für das Projekt laut eigenen Angaben bereits rund drei Millionen Euro investiert - wollen weder diese noch die Ärzte wesentliche zusätzliche Aufwendungen tragen. Zudem will die Ärzteschaft nicht, dass das System über Server der Pharmazeutischen Gehaltskasse der Apotheker läuft, welche allerdings bisher auch schon die gesamte elektronische Kassenrezeptverrechnung für Österreich abwickelt.
Nun soll weiterhin verhandelt werden. Ein möglicher Kompromiss jedenfalls, was die Einsichtsmöglichkeit der Ärzte in die OTC-Medikation betrifft. Die Pilotversuche könnten teilweise mit und ohne diese Möglichkeit gestartet werden. Dann könnte man später vergleichen, was sich wirklich bewährt hat.
(APA/futurezone)