Datenschutz im 21. Jahrhundert
"Der Datenschutz ist momentan weit entfernt von dem, wo wir hinwollen." Das sagte Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk bei einer Diskussionsveranstaltung anlässlich des Europäischen Datenschutztags in Wien. Kritik von allen Seiten gab es an der geplanten Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung (Data-Retention).
Die Frage, ob Datenschutz, wie wir ihn kennen, heute noch zeitgemäß sei, stand im Zentrum des Europäischen Datenschutztags am Donnerstag. Verfassungsrechtler und Vertreter der Kontrollorgane diskutierten über die datenschutzrechtlichen Herausforderungen im 21. Jahrhundert, die die neuen technischen Entwicklungen mit sich bringen würden.
Verfassungsrechtler Funk sieht eine Tendenz zulasten der Privatsphäre des Einzelnen unter dem "Titel der Gewährleistung von Sicherheit". Es gebe einen Wandel von der "Disziplinar- zur Kontrollgesellschaft". Erstere würde mit Sanktionen arbeiten, während Zweitere mehr Wert auf Überwachung lege. Schließlich laufe es auf eine "schleichende Abkehr von der Unschuldsvermutung" hinaus, so Funk zu den aktuellen Trends in der Sicherheitsgesetzgebung.
Abwarten bei Vorratsdatenspeicherung
Bei der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung sprach sich Funk für eine abwartende Haltung aus. Die "riskante Strategie" bestehe darin, eine verbindliche Entscheidung der europäischen Höchstgerichte abzuwarten. Eine weitere Möglichkeit wäre die "schonende Umsetzung". Die beste Option sei jedoch: "Nicht umsetzen und dann bestätigt bekommen, dass es richtig war."
Die Kritik des Verfassungsrechtlers geht in dieselbe Richtung wie jene von Datenschützern und Bürgerrechtlern. So sei die Frage, ob Ermächtigungen und Eingriffe per se nicht verfassungswidrig seien und die Grundrechte verletzen würden. Die Antwort darauf könne nur entweder vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) oder vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) kommen.
Auch der Vorsitzende des Datenschutzrats, Johann Maier (SPÖ), setzt weiter auf Abwarten bei der Vorratsdatenspeicherung. Er hofft auf eine zu erwartende Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Waltraut Kotschy, geschäftsführendes Mitglied der Datenschutzkommission (DSK), betonte zwar, dass das Thema nicht in die direkte Zuständigkeit ihrer Einrichtung falle, persönlich sei sie aber skeptisch: "Die Erfolge bei der Strafverfolgung, die Eingriffe rechtfertigen würden, ist man uns ja immer schuldig geblieben."
Betrieblicher Datenschutzbeauftragter
Nachdem der betriebliche Datenschutzbeauftragte nicht in der Novelle zum Datenschutzgesetz verankert wurde, hofft Maier, dass dieser in den Verhandlungen des Sozialministeriums zum Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) Beachtung findet. Die Datenschutzvorschriften für Arbeitnehmer würden derzeit zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern verhandelt.
Kotschy ist der Meinung, dass der betriebliche Datenschutzbeauftragte nicht "überbewertet werden darf und eine Form der Zusammenarbeit gefunden werden müsste". Ihr Vorschlag wäre eine Form von Auditierung in Hinblick auf den Datenschutz. So könne etwa in erster Linie ein Wirtschaftsprüfer im Zuge seiner Arbeit auch die Einhaltung des Datenschutzes in Betrieben kontrollieren. In zweiter Linie könne das auch die Datenschutzkommission übernehmen, dafür sei jedoch mehr Personal Voraussetzung.
Google Street View abgeschlossen
Thema in der DSK war im vergangen Jahr auch der Start von Googles Online-Dienst Street View in Österreich. Die Registrierung sei abgeschlossen, sagte Kotschy gegenüber ORF.at. Der Internet-Konzern musste dafür drei Bedingungen erfüllen. Zum einen, dass keine Hinweise die zu einer Identifizierung einer Person führen könnten, aufscheinen dürfen, das heißt, diese Details mittels Verfremdungstechnologie (Blurring) unkenntlich zu machen.
Die zweite Bedingung ist das Löschungsrecht. "Wenn jemand feststellt, dass er selbst erkennbar ist oder Details, die eine Identifizierung seiner Person zulassen, dann kann er ein Löschungsansuchen an Google stellen", so Kotschy. Davon betroffen seien etwa auch Autos bzw. Autokennzeichen und Häuser.
Praktisches Problem
"Hier gibt es aber noch ein praktisches Problem. Denn wie stelle ich fest, dass die Person, die den Löschungsantrag stellt, auch wirklich der Besitzer des Hauses ist?", erläuterte Kotschy. Zudem könne es auch zu Meinungsverschiedenheiten kommen, wenn im Erdgeschoß des Hauses etwa ein Gastronomiebetrieb sei, der aus Werbegründen sehr wohl bei Street View aufscheinen möchte. Dass eine Unkenntlichmachung der eigenen Fenster - wie etwa bei Mietwohnungen - beantragt werde, dagegen spricht laut Kotschy nichts.
Dritte Bedingung für die Registrierung in Österreich war Googles Zusage, dass die "Daten nicht länger als ein Jahr gespeichert werden". Als Argument führte Kotschy hier an, dass "Google die Daten ausschließlich für die Verbesserung des Algorithmus zur Anonymisierung der Bilder verwendet". Google sei auch an die ausschließliche Verwendung zu diesem Zweck gebunden.
Pessimistischer Ausblick
"Der Datenschutz ist momentan weit entfernt von dem, wo wir hinwollen", meinte Funk in Hinblick auf die für 2011 geplante Revision des europäischen Datenschutzrechts. So werde es nicht einfach, "ein einigermaßen einheitliches europäischen Datenschutzrecht" zu erzielen.