Zeitung und Buch als Remix im Netz
Obwohl das Web ein textbasiertes Mediensystem ist, tun sich gerade die klassischen Printprodukte Zeitung und Buch schwer im Netz. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich Bezahlinhalte im Internet nur in sehr seltenen Fällen an den Mann bringen lassen. Mit "theblogpaper", "BookRix" und "Enhanced Editions" sind drei Projekte angetreten, die Web- und Druckformate profitabel miteinander vereinen wollen.
Am Sonntag in "matrix"
Mehr dazu am Sonntag um 22.30 Uhr im Ö1-Netzkulturmagazin "matrix".
Die Auflagen von Tageszeitungen brechen weltweit dramatisch ein. Ein Grund dafür ist, dass es ihnen kaum gelingt, junge Leser zu gewinnen. Es wächst eine Generation von Medienkonsumenten heran, die lieber Multimedia-Handys als gedruckte Zeitungen in Händen halten. Eine neue Generation von Lesern, die, wenn überhaupt, nur noch solche Zeitungen lesen, die ihnen gratis angeboten werden. Und vor allem auch eine Generation, die an Interaktivität und Rückkanäle gewohnt ist und sich mit Vorgekautem und Vorgedrucktem nicht zufriedengibt, sondern selbst mitreden und mitbestimmen möchte.
Möchte man diese neue Generation von Mediennutzern zufriedenstellen, müsste man wohl alle diese Faktoren berücksichtigen und miteinander kombinieren. Genau das haben in London der gebürtige Österreicher Karl Jo Seilern und der gebürtige Deutsche Anton Waldburg getan. Und zwar im Rahmen ihres Zeitungsprojekts "theblogpaper", das Hobbyjournalisten gemeinsam online die Inhalte einer Zeitung gestalten lässt, die anschließend auch in Druck geht.
Wettbewerb der Blogger
Registrierte User können auf der Online-Plattform von "theblogpaper" fünf Arten von Content uploaden: selbst verfasste Artikel, Fotos, Produktkritiken, Diskussionsbeiträge und "Notes", das sind mit kurzem Kommentar versehene Links zu Inhalten auf anderen Websites.
13 Rubriken umfasst "theblogpaper" im Moment - von Politik über Wissenschaft bis zu Design und Musik. Seilern und Waldburg erwarten dabei bewusst nicht, dass die Mitglieder der Community für "theblogpaper" exklusive Beiträge verfassen; im Gegenteil verstehen sie ihre Plattform als eine Art "Best of Blogs"-Wettbewerb, bei dem Blogger die ihrer Meinung nach besten Beiträge von ihren Blogs einreichen können, um so ein Mehr an Aufmerksamkeit für sich und ihre Blogs zu erzeugen.
Ritterschlag Print
In die gedruckte Ausgabe von "theblogpaper" schafft es dann schließlich eine Mischung aus den von der Community am besten bewerteten und den meistdiskutierten Beiträgen. Als großen Vorteil sieht Seilern, dass "theblogpaper" die Zielgruppe der jungen, trend- und markenbewussten Leser anspricht, die dem traditionellen Zeitungsmarkt und damit auch dem Werbemarkt seit einiger Zeit immer mehr verloren gehen.
Die Vorteile, die eine enge Verknüpfung von Online-Community und Printprodukt bietet, hat auch ein großes amerikanisches Medienunternehmen erkannt, das bereits eine Reihe von Plattformen für Blogger wie etwa den "BlogCatalog" besitzt und nun auch in "theblogpaper" investieren möchte. London würde dabei für die US-Investoren als Testgelände und Testmarkt fungieren, ehe das Konzept dann auch in amerikanischen Großstädten zur Anwendung kommt.
Expansion nach Österreich
Neben den USA haben Waldburg und Seilern noch ein weiteres Land für eine Expansion von "theblogpaper" im Visier: Österreich. Für den gebürtigen Österreicher Seilern hängt eine Expansion nach Österreich nur von einer einzigen Frage ab.
"Die Frage ist: Wie stark ist die Blogosphäre? Denn letztendlich benötigt unser Konzept immer eine kritische Masse an Bloggern, damit sichergestellt ist, dass ausreichend Qualitätscontent produziert wird."
Selbstverlag im Internet
Seit der Erfindung des Buchdrucks waren Autoren in der Regel auf die Hilfe von Verlegern und Verlagen angewiesen, um ihre gedruckten Schriften und Bücher an die Leser zu bringen. Wie in so vielen Bereichen hat auch hier das Internet die Spielregeln und Möglichkeiten grundlegend verändert. Heutzutage kann jeder eigene Texte im Internet veröffentlichen oder auch E-Books, etwa im PDF-Format. Doch während Herr und Frau Normaluser selbstgedrehte oder selbstfabrizierte Videos aus YouTube vorzeigen und eigenen Songs auf MySpace Gehör verschaffen kann, fehlte lange Zeit eine zentrale Plattform für Buchautoren, auf der sie in userfreundlicher Form online ihre Bücher publizieren und im Alleingang, ohne Hilfe eines Verlages, vermarkten konnten.
Eine der Plattformen, die diese Marktlücke ausfüllen möchte, ist "BookRix" aus München, die als besonderes Feature online das Anlegen eines mit Fotos und Fußnoten gestaltbaren E-Books anbietet. Technisch betrachtet kombiniert "BookRix" die vielfältigen Features von Content-Management-Systemen mit denen von sozialen Netzwerken wie Facebook oder MySpace. Und setzt obendrauf auch noch eine Embedding-Funktion wie bei YouTube - man kann als registrierter User also sein Buch bei "BookRix" hochladen und anschließend auf seiner eigenen Website einbetten.
Internationale Expansion
Die Idee dazu entstand bereits 2007, eine erste Version des Portals ging 2008 online. Nach anfänglich langsamem Wachstum ist "BookRix" mittlerweile mit einer englischsprachigen Version auch international erfolgreich: 75.000 User nutzen weltweit das Gratisservice von "BookRix", über 20.000 Bücher lassen sich mittlerweile auf der Plattform lesen und auch als E-Book downloaden.
Nachwuchsautoren freuen sich über eine Plattform wie "BookRix", Leser und Literaturinteressierte ebenso. Aber das liegt nicht zuletzt daran, dass "BookRix" seine Dienste gratis anbietet. Doch wie bei so vielen Gratis-Diensten im Internet stellt sich dabei die Frage: Wie kommt der Gratisdienstleister auf sein Geld? Auch so extrem "erfolgreiche" Gratisdienstleister wie YouTube produzieren keinen Gewinn, sondern nur laufend Kosten.
Book on Demand
Die Betreiber von "BookRix" versuchen diesem Teufelskreis - populär, da gratis, aber ohne finanziellen Gewinn - zu entkommen, indem sie verstärkt mit Verlagen zusammenarbeiten, die "BookRix" mit speziell angelegten Verlagsprofilen als Marketingsplattform nutzen können. Weiters in der Überlegung ist auch eine verstärkte Zusammenarbeit mit Book-on-Demand-Diensten: ein auf "BookRix" veröffentlichtes E-Book könnte der Leser dann bei Gefallen auf der Site gleich auch als Printexemplar bestellen.
Doch Start-ups wie "BookRix" sehen sich beim Austüfteln von funktionierenden Geschäftsmodellen einem Grundproblem gegenüber: Die User gehen davon aus, im Web alles gratis zu bekommen. Eine der wenigen Firmen, die es geschafft haben, die User online für Inhalte zahlen zu lassen ist Apple mit seiner Verkaufsplattform iTunes.
E-Books auf Apple-Geräten
Weil Apple auf iTunes den Bereich E-Books bis dato - also bis zur Vorstellung des iPad - vernachlässigt hat, haben sich 2008 in London Peter Collingridge und Rhys Cazenove entschlossen, einen digitalen Verlag zu gründen, der Bücher digital und multimedial aufrüstet, anschließend in Apps verwandelt und schließlich auf iTunes zum Verkauf anbietet.
Gleich mit dem ersten Projekt landete "Enhanced Editions" einen Volltreffer: Der Roman "The Death of Bunny Munro" des Sängers und Autors Nick Cave verkauft sich als iPhone-App nicht nur wie die warmen Semmeln, sondern wird in der Buchindustrie auch als Vorzeigemodell gehandelt, wie sich in Hinkunft mit digitalen Versionen von Büchern Geld verdienen lässt.
(matrix/Richard Brem)