Streit über E-Book-Preise eskaliert
US-Verlage und der weltgrößte Online-Einzelhändler Amazon streiten seit längerem über die Preisgestaltung bei E-Books. Nun droht der Disput zu eskalieren. Amazon stellte den Verlegern die Rute ins Fenster und nahm die Titel des US-Großverlages Macmillan kurzerhand aus dem Angebot.
Seit Freitag suchen US-Kunden von Amazon vergeblich nach Titeln des US-Verlages Macmillan, der unter anderem die Autoren Hilary Mantel und Jeffrey Eugenides unter Vertrag hat. Zwar gibt es keine offizielle Stellungnahme zum Verschwinden der Bücher aus dem Amazon-Angebot, der Grund für die Ausmusterung dürfte jedoch in einem seit rund einem Jahr gärenden Konflikt zwischen dem Online-Einzelhändler und US-Verlegern über die Preise von E-Books liegen, berichtete die "New York Times" ("NYT") am Samstag.
Weil Macmillan eine Anhebung der Verkaufspreise seiner E-Books für die Kindle-Plattform um 50 Prozent erwirken wollte, habe Amazon die Titel des Verlages vorübergehend ausgemustert, so die Zeitung unter Berufung auf eine mit der Situation vertraute Person. Lediglich über Drittanbieter können Macmillan-Bücher auch weiter über Amazon.com erstanden werden, wie ein Blick auf die Website zeigt.
Verlage wollen bei Preisgestaltung mitreden
Amazon bietet in den USA die elektronischen Ausgaben von Bestsellern üblicherweise für rund zehn Dollar (7,1 Euro) zum Download an. Den Verlagen ist das Preisdiktat des weltgrößten Online-Einzelhändlers seit langem ein Dorn im Auge. Sie wollen bei der Preisgestaltung mitreden und streben Preise von rund 15 Dollar (10,7 Euro) für E-Book-Bestseller an.
Dabei verdienen die Verlage mit dem Verkauf ihrer E-Books auf Amazon zumindest mit Bestsellern nicht schlecht. Obwohl der E-Book-Händler Verkaufsschlager für zehn Dollar verkauft, erhalten die Verlage die Hälfte des Verkaufspreises der Hardcover-Ausgabe, üblicherweise rund 15 Dollar, für einen verkauften Bestseller. Bei Katalogware werden die Einnahmen aus dem E-Book-Verkauf laut Marktbeobachtern geteilt.
Verluste bei Bestsellern
Amazon nehme die Verluste bei Bestsellern in Kauf, um seine Vormachtstellung am E-Book-Markt abzusichern und den Verkauf seines Lesegerätes Kindle zu fördern, rechnete vor kurzem das "Wall Street Journal" ("WSJ") vor. Marktbeobachter gehen davon aus, dass Amazon bislang rund drei Millionen Stück seines E-Book-Lesegerätes Kindle verkauft hat.
Die Marktmacht Amazons macht wiederum den Verlegern Sorgen. Sie fürchten die Kontrolle über den Vertrieb ihrer Inhalte zu verlieren und drängen vehement auf Mitsprache bei der Preisgestaltung.
Apple lockt Verleger
Das will der US-Unterhaltungselektronikhersteller Apple für sich nutzen, der am Mittwoch sein Tablet iPad vorstellte und künftig auch elektronische Bücher verkaufen will. Apple lockt die Verlage mit Zugeständnissen. Sie sollen die Preise selbst bestimmen können. Kolportiert werden Apple-Verkaufspreise für E-Books zwischen 13 und 15 Dollar. 70 Prozent davon sollen an die Verlage gehen.
Die Verlage bekommen zwar von Apple für Bestseller in Summe weniger als von Amazon. Sie behalten aber die Kontrolle über die Preisgestaltung. Als einer der ersten US-Verlage hat auch Macmillan einen Vertrag mit Apple unterzeichnet.
Verlage bremsen
Andere große US-Verlage steigen unterdessen bei der Veröffentlichung von E-Books auf die Bremse. Vor kurzem kündigte etwa Simon & Schuster an, ausgewählte elektronische Versionen von Neuerscheinungen erst vier Monate nach der Hardcover-Veröffentlichung anbieten zu wollen. Laut "Wall Street Journal" hat auch die Hachette-Gruppe ähnliche Pläne. Die Verlage wollen so Einbußen beim Verkauf der Hardcover-Ausgaben eingrenzen, die wesentlich teurer sind als ihre elektronischen Pendants.