Spiele- und Musikapps als iPad-Gewinner
Für das iPhone gibt es derzeit etwa 140.000 kleine Anwendungen ("Apps") in Apples Online-Store. Diese sollen auch auf dem iPad funktionieren. Doch die Größe des Apple-Tablets bietet Programmierern auch neue Möglichkeiten. Vor allem Spiele- und Musikentwickler könnten davon profitieren. ORF.at hat sich bei den heimischen Programmierern umgehört.
Seit letzter Woche ist das Geheimnis rund um Apples iPad gelüftet. Mit der Präsentation des neuen 9,7 Zoll großen Tablets wurde auch das iPhone-Software Development Kit (SDK) aktualisiert und veröffentlicht. Neugierige Entwickler haben sich dieses sofort nach der Keynote heruntergeladen und mussten feststellen: "Die Neuigkeiten in der SDK sind eher evolutionär und mit ein paar Ausnahmen geht es überwiegend um die Verbesserung bestehender Funktionen", so der Software-Entwickler Esad Hajdarevic von Open Research aus Wien.
Neue Bedienelemente "evolutionär"
So ist es mit dem neuen SDK jetzt einfacher möglich, vorgefertigte oder eigene Gesten des Benutzers zu erkennen. Zudem wurde für die neue Büroanwendung von Apple, iWorks, ein eigenes Core-Text-Framework bereitgestellt, welches komplexere, textbasierte Anwendungen unterstützt. Dazu kommen neue Elemente für die iPad-Benutzeroberfläche wie ein Split View und Popover-Menü. "Auch externe Bildschirme werden unterstützt, und nach unserem ersten
Eindruck wird es möglich sein, am iPad und an einem angeschlossenen externen Bildschirm gleichzeitig unterschiedliche Inhalte anzuzeigen", erklärt Hajdarevic.
Die 140.000 Anwendungen, die es bereits für Apples iPhone gibt, dürften daher ohne gröbere Probleme am iPad funktionierten. Wenn sie in Originalgröße abgespielt werden, nehmen sie etwa ein Viertel des Screens ein, sie lassen sich jedoch auch auf die volle Auflösung hochskalieren. Damit das gut aussieht, müssen Entwickler für den App Store lediglich die Oberfläche für die Auflösung von 1024 x 768 Pixel optimieren.
Anwendungen für den Wohnzimmertisch
Doch damit ist es freilich nicht getan, wenn man den von Steve Jobs prognostizierten "Goldrush" erleben möchte. Das iPad wird nicht wie das iPhone der mobile, tägliche Begleiter für unterwegs, unterscheidet sich aber auch vom Computer.
"Durch das iPad können Menschen sehen, dass man mit Computern Spaß haben kann", meint etwa Josef Schuh, ein freier Spieleentwickler aus Wien, der das iPad vor allem auf dem Couchtisch im Wohnzimmer sieht. Dadurch werden Anwendungen, die diese Situation - sowie den größeren Bildschirm und die Multitouch-Fähigkeiten des Geräts - ausnutzen, zu den Gewinnern zählen.
Multiplayer- und Multitouch-Spiele im Aufwind
"Multiplayer- und Multitouch-Spiele am iPhone waren viel zu fizzelig zu bedienen, aber am iPad könnten sie gut funktionieren", so Schuh. "Die größere Oberfläche wird außerdem dazu führen, dass sich die Leute künftig mehr trauen, Multitouch auszuprobieren. Die wenigsten wissen, wie man das gut einsetzt. Das iPhone ist außerdem viel zu klein, um gleichzeitig acht oder zehn Finger auf die Oberfläche zu drücken."
Dieser Ansicht ist auch Felix Bohats von der Wiener Spielefirma Broken Rules, der das iPad zudem weniger als Computer, sondern vielmehr als Spielekonsole sieht. "Am iPhone hat man schnell etwas verdeckt, das wird am iPad nicht mehr so leicht passieren."
Schuh, der derzeit in Flash arbeitet, hofft, dass er mit der angekündigten Flash-Version Professional CS5 auch in der Lage sein wird, seine Flash-Spiele für Apples iPhone - und in Folge das iPad - anzubieten.
Die Spielefirma Broken Rules hat sich zudem mit dem Wiener Spielestudio Radiolaris zusammengetan, um ein gemeinsam konzipiertes "One Button Game" auf das iPad zu bringen, welches extra für das neue Gerät optimiert wird.
IPad als "Gerät für die ganze Familie"
Faris Kayali vom Studio Radiolaris sieht das iPad zudem "als ein Gerät für die ganze Familie, das man im Unterschied zum iPhone oder iPod gemeinsam nutzt". Für Entwickler bedeutet das, dass sich bei den Menschen die Aufmerksamkeitsspanne für ein Spiel verlängern wird, da dieses nicht zwischendurch in der Busstation konsumiert werden wird. "Man wird es länger und gemeinsam mit anderen Leuten verwenden."
Zudem eigne sich das iPad für Strategiespiele, bei denen man mehr Überblick über das Geschehen braucht, sowie für Brett- und Kartenspiele, so Kayali. "Auf dem iPad hat man ausreichend Platz, um Karten mit dem Finger herumzuziehen."
Shooter-Spiel mit Elektronik-Soundtrack
Radiolaris möchte zudem auch ihr neues Spiel Radio Flare REDUX auf das iPad bringen. "Wir haben von Anfang an darauf geachtet, die Dinge so zu entwerfen, dass es kein Problem wird, die Grafiken anzupassen. Wir planen, dass das Spiel pünktlich beim Start des iPads verfügbar sein wird", erzählt Kayali gegenüber ORF.at.
Das Shooter-Spiel Radio Flare REDUX arbeitet sehr intensiv mit visuellen und akustischen Erlebnissen. Die Aktionen, die sich alle in einem Weltraum abspielen, lassen sich nur im Rhythmus der Musik ausführen. "Alles pulsiert im Takt der Musik, die Bewegungen passen sich an die Musik an", beschreibt Kayali. Der Soundtrack stammt dabei von acht internationalen DJs aus dem Elektronik- und Technobereich.
"Neue Generation von Anwendungen"
Auch Michael Breidenbrücker, Entwickler der iPhone-Anwendung Rjdj des österreichisch-britischen Unternehmens Reality Jockey, ist überzeugt, dass Spiele- und Musikanwendungen generell zu den Gewinnern des neuen Gerätetyps zählen, während triviale Anwendungen (wie "iFart") darunter leiden werden.
"Das iPad wird den App Store bereichern. Sehr viele Anwendungen, die bisher unter dem kleinen Bildschirm stark gelitten hatten, werden aufblühen und erst jetzt ihre Fähigkeiten verwirklichen können", ergänzt Breidenbrücker. "Das wird über sehr intuitive neue Multitouch-Bedienkonzepte sowie über Netzwerk-Kollaborationen passieren. Uns steht definitiv eine neue Generation von Anwendungen bevor."
Rjdj fürs iPad als "neue Musikerfahrung"
Die erfolgreiche Musikanwendung RjDj nimmt über das iPhone-Mikrofon Umweltgeräusche auf und verarbeitet sie zu Echtzeit-Soundcollagen, die sich je nach Geräuschkulisse ständig ändern. Breidenbrücker möchte Rjdj für das iPad aufrüsten - und zwar nicht nur mit einer neuen Grafikoberfläche, sondern mit neuen Funktionen. "Wir wollen mit Rjdj das iPad nicht nur als erweitertes Interface nutzen, sondern auch eine neue, vernetzte Musikerfahrung testen. Rjdj ist so sehr Science Fiction wie das iPad für den PC. Das müsste gut zusammenpassen", scherzt Breidenbrücker.
"Wir haben die Benutzeroberfläche bisher absichtlich möglichst einfach gehalten, dafür aber komplexe musikalische Operationen über den Sensory-Input gesteuert. Das wird sich beim iPad ändern, da wir jetzt einen sehr großen Bildschirm und ein Touch-Interface haben", verrät Breidenbrücker vorab.
Auch Jim Yonac, der etwa den Thereminator (ein Theremin) und einen Minisyntheziser (ein elektronisches Musikinstrument) auf das iPhone gebracht hat, sieht im iPad eine "neue Dimension" für die Anwendung als Musikinstrument und Musikcontroller. Es sei dadurch viel einfacher, Noten mit dem Finger zu treffen, so Yonac.
Universal Applications als Herausforderung
Allerdings stelle das iPad die Entwickler, die planen, "Universal Applications" anzubieten, die auf dem iPhone sowie auf dem iPad gleichermaßen funktionieren, auch vor eine harte Aufgabe: "Es ist wesentlich einfacher, die Information von einem kleinen Bildschirm auf einen großen zu transferieren, als umgekehrt."
Daher planen manche heimischen iPhone-Entwickler nur kleinere Updates ihrer Anwendungen, sofern diese von der Größe des Geräts nicht explizit einen Nutzen daraus ziehen können. So wird etwa die österreichische iPhone-Anwendung Tunesbag lediglich optimiert werden. "Wir werden die neuen Popup-Menüs verwenden", erzählt Hansjörg Posch von tunesBag.
Auf tunesBag kann Musik online gespeichert, verwaltet und angehört werden. Zudem können Playlists und Musikfiles mit Freunden geteilt werden, allerdings nur als Stream. Für Anwendungen wie diese wäre es allerdings sinnvoll, wenn sie im Hintergrund laufen könnten. "Wir sind daher sehr gespannt, ob das nächste OS Multitasking bieten wird. Bei einem Fun-&-Browsing-Gerät wie dem iPad und einer entsprechend längeren Nutzungsdauer wäre dies noch viel wichtiger als beim iPhone", so Posch.
Augmented Reality - vorerst - ausgeschlossen
Andere Entwickler, nämlich die von Augmented-Reality-Anwendungen, bleiben aus dem iPad vorerst ausgeschlossen, da es zunächst keine Kamera geben wird. Andreas Hauser von Mobilizy, dem Entwickler des erfolgreichen Augmented-Reality-Browsers "Wikitude", sieht das Fernbleiben der Kamera vorerst gelassen: "Sobald eine Kamera, in welcher Form auch immer, auf dem iPad verfügbar sein wird, ist Wikitude auch am iPad mit großen Display funktionsfähig."
Mittels einer erweiterten Realität könnte man - sobald Apple eine Kamera nachreicht - am iPad als Architekt ganze Wohnzimmer einrichten, so Philipp Schmid, dessen Firma Open Research derzeit mit einer österreichischen Zeitschrift im Gespräch ist, rechtzeitig zum iPad-Launch die Inhalte auf das neuartige Gerät zu bringen. Die Ideen der Entwickler, was man mit Apples neuem Tablet-PC alles anfangen kann, sind also vielfältig.
(futurezone/Barbara Wimmer)