Rechtsanwälte gegen Vorratsdatenspeicherung
Österreichs Rechtsanwälte warnen angesichts der zunehmenden Videoüberwachung und der Vorratsdatenspeicherung (Data-Retention) vor einem Überwachungsstaat. Sie fordern, die Richtlinie nicht umzusetzen.
Der Präsident des österreichischen Rechtsanwaltskammertages, Gerhard Benn-Ibler, forderte die Regierung auf, die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung zu verweigern und ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Kauf zu nehmen. "Wir glauben, dass Österreich ein Zeichen setzen kann und eine Richtlinie nicht umsetzen muss, wenn Österreich meint, dass sie gegen fundamentale Menschenrechte verstößt."
Orwells 1984 "schon überschritten"
Seit der Verankerung der EU-Grundrechtecharta im Vertrag von Lissabon sieht Benn-Ibler durchaus Chancen, damit vor dem EuGH durchzukommen. "Man hätte einen plausiblen Grund, warum man das nicht umsetzt", so Benn-Ibler. Sollte die Maßnahme trotzdem beschlossen werden, plädiert er dafür, die Daten nur zur Klärung von Delikten zu verwenden, die mit mehr als fünf Jahren Haft bedroht sind. Internet- und Telefonüberwachung dürfe es zudem nur bei konkretem Tatverdacht nach richterlicher Anordnung geben.
Mit der Vorratsdatenspeicherung könne man Persönlichkeitsprofile über jeden Menschen anlegen, kritisierte Benn-Ibler: "Wir sind beim gläsernen Menschen bereits angelangt. Das Jahr 1984 des George Orwell haben wir schon überschritten. Der einzige Irrtum Orwells war, dass er gedacht hat, solche Entwicklungen wären nur in einem autoritären System möglich."
Internationale Tagung
Unter dem Motto "Vom Rechts- zum Überwachungsstaat?" haben die Rechtsanwälte für Freitag unter anderem die liberale Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Diana Wallis, den Direktor der EU-Grundrechteagentur, Morten Kjaerum, und Hannes Tretter vom Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte zu einer internationalen Tagung eingeladen.
Mit der Debatte im Rahmen der diesjährigen Präsidentenkonferenz der europäischen Anwaltsorganisationen wolle die Kammer die Öffentlichkeit verstärkt dafür sensibilisieren, "dass hier die Grund- und Freiheitsrechte völlig zu Unrecht zulasten der Sicherheit beschränkt werden", so Benn-Ibler.
(APA)