"USA brechen Flugdaten-Abkommen"
Statt drei Jahre werden die Daten europäischer Flugpassagiere 40 Jahre lang gespeichert. Sie verbleiben auch nicht im US-Heimatschutzministerium, sondern werden an die Geheimdienste weitergegeben. US- und internationale Bürgerrechtler fordern die EU zur Revision des Abkommens auf.
Privacy International und die American Civil Liberties Union [ACLU] haben EU-Kommission und -Parlament sowie die Datenschutzenbeauftragten aller EU-Länder dazu aufgefordert, das Abkommen mit den USA zur Übermittlung von Passagierdaten rückgängig zu machen.
Anwälte der beiden Datenschutz- und Bürgerrechtsorganisationen stellten in einer Reihe von Verordnungen des US-Ministeriums für Heimatschutz nicht nur Verstöße gegen EU-Datenschutzrecht und bestehende Verträge fest.
"Automatisches Zielsystem"
Das "Automated Targeting System" [ATS] des Heimatschutzministeriums stehe auch in Konflikt mit US-Datenschutzgesetzen, betonte die älteste Bürgerrechtsorganisation der USA, die ACLU.
Ein Beschluss beider Häuser des US-Kongresses hatte den Heimatschützern eine derartige Daten-Rasterfahndung bei US-Staatsbürgern explizit untersagt.
Speicherzeit 40 Jahre
Statt der im Flugdatenabkommen mit den Europäern vereinbarten drei Jahre Speicherzeit werden die vollständigen Datensätze der europäischen Flugpassagiere in den USA nun für 40 Jahre gespeichert.
Zugang zu den Daten erhalten alle möglichen US-Regierungsstellen und sogar private Unternehmen, mit denen die US-Regierung zusammenarbeitet. Für die Betroffenen gibt es keinerlei Einsichtsrecht, was ebenfalls nach EU-Recht ungesetzlich ist.
EU-Kommissar Franco Frattini hatte sich nach Aushandlung des Passagierdaten-Abkommen auf Garantien der USA berufen, dass die Daten nach europäischem Recht behandelt würden.
Weitergabe an Geheimdienste
Auch an die vereinbarte Nichtweitergabe der europäischen Daten an andere US-Behörden halte sich die US-Seite nicht, hieß es im Schreiben der Bürgerrechtler.
Das "Automated Targeting System" der Heimatschützer ist nämlich Teil eines anderen Netzes, des "Treasury Enforcement Communications System".
Dieses ursprünglich nur zur Verfolgung des Warenverkehrs geschaffene System ist zu einer Art Meta-Datenbank für Reisende und Güter ausgebaut worden, die wiederum mit "spezifischen kooperierenden Programmen" abgeglichen wird.
Stichwort "Finanz" ...
Aus diesem Data-Mining-Prozess wird dann ein "Bedrohungsprofil" für jeden individuellen Passagier erstellt. Dabei handelt es sich um eine Art Punktesystem, ähnlich der im Bankenbereich üblichen Methode des "Credit Scoring", wobei vor jeder Kreditvergabe die Kundendaten nach gängigen Betrugsmustern gerastert werden. Ab einer bestimmten Punktezahl schlagen Systeme dieser Art Alarm.
Welche "spezifischen kooperierenden Programme" mit den Passagierdaten abgeglichen werden, sagt das Stichwort "Treasury", also "Finanz". Die Analyse aller aus der internationalen Finanztransferzentrale SWIFT laufend abgezapften Datensätze obliegt nämlich offiziell auch Beamten des US-Finanzministeriums.
... führt zu SWIFT
Unterstützt werden sie dabei von der Consulting-Firma Booz Allen Hamilton. Der ist gerade Senior Vice President Mike McConnell abhanden gekommen, weil dieser zum obersten Geheimdienstkoordinator der Regierung Bush aufgestiegen ist. Vor Booz Allen war McConnell NSA-Direktor im Range eines Admirals.
Während der US-Kongress zwei zum Verwechseln ähnliche Vorhaben für Data-Mining in Flugpassagierdaten - genannt "CAPPS II" bzw. "Secure Flight" - der Regierung George W. Bush verworfen hatte, ging ein drittes System offensichtlich in aller Stille in Betrieb.
Im Heimatschutzministerium wird parallel dazu eine Art der elektronischen [Aus-]Reisekontrolle entwickelt, wie sie eigentlich nur aus kommunistischen Diktaturen bekannt ist.
Vorbild für das System, bei dem die Antragsteller ihre Daten über das Netz an die US-Behörden schicken und von diesen dann die Reiseerlaubnis erhalten, ist ein entsprechender Prozess, der bereits in Australien angewendet wird.
(futurezone | Erich Moechel)