© ORF.at/Nadja Igler, Handys auf auf dem World Mobile Congress

MWC: Die Strategien gegen Apple

MOBIL
16.02.2010

Auch wenn es keiner zugeben will: Der Erfolg von Apples iPhone und seinem App Store hat die Mobilfunkbranche nachhaltig geprägt und sie auch das Fürchten gelehrt. Selten erlebte man Handyhersteller und zum Teil Mobilfunker so planlos wie auf der heurigen Handymesse Mobile World Congress (MWC) in Barcelona. Ihre Gegenstrategien reichen von Imitation über "Anything goes" bis hin zum Linux-Ansatz der Offenheit.

Revolutionen sehen anders aus. Zumindest nicht unbedingt so wie Microsofts neues Handybetriebssystem für seine Windows Phones 7 Series. Für den Software-Hersteller ist es ein großer, beachtlicher und zugegeben respektabler Wurf, mit dem Microsoft wieder zu den anderen Anbietern aufschließen kann. Er wäre in dieser Radikalität aber wohl kaum passiert, hätte nicht Apple vor zwei Jahren sein iPhone auf den Markt gebracht. Seitdem sieht nicht nur Windows Mobile alt aus.

Man mag Apples iPhone mögen oder nicht, sein Einfluss auf die Mobilfunkbranche ist in Barcelona überall zu merken und unbestreitbar - auch wenn es öffentlich kaum einer zugeben will. Warum setzen die Handybauer dann aber seit zwei Jahren verstärkt auf Touchscreens, werden Handydisplays, vor allem der gehobenen Preisklasse, immer größer und bemüht sich jeder, auf seinen Geräten Multitouch anzubieten? Souveränität sieht anders aus.

Auf der Suche nach einem Geschäftsmodell

Die Mobilfunker weinen, wenn keiner hinschaut, ebenfalls leise in ihre Bilanzbücher, nicht wegen der hohen Anschaffungskosten für das Gerät selbst. Bei Apples App Store gibt es für die Mobilfunker keine Umsatzbeteiligung wie bei Googles Android, ganz abgesehen davon, dass Apple seine Plattform mehr als geschlossen hält, wie iPhone-Gegner gerne und oft betonen. Trotz all dieser Hürden ist das iPhone bei den Besuchern der Fachmesse auffällig oft zu sehen.

Mit dem iPhone schaffte Apple das, was viele in der Branche gerne hätten: ein gewinnbringendes Handy mit einem funktionierenden Geschäftsmodell dahinter. Auch wenn der App Store wegen hoher Investitionen laut Apple gerade mal die Gewinnzone erreichte, mit dem iPhone selbst macht Apple satte Gewinne und sorgt damit für viel Unruhe in der Branche. Die sucht fieberhaft nach Lösungen, um vom Hype rund ums iPhone zu profitieren – mit verschiedenen Ansätzen.

Die Imitatoren:

"Jedes Windows Phone ist ein Zune", erklärte Microsoft am Montag bei der Vorstellung seiner Windows Phone 7 Series. Die Ähnlichkeit zu Apples iPhone mit seinem integrierten iPod ist sicher nicht ganz zufällig. Auch sonst nähert sich Microsoft dem Apple-Modell an, indem der Hersteller etwa strikte Vorgaben bei der Hardware für seine Windows Phones macht. So müssen alle Handys kapazitive und multitouchfähige Displays und drei vordefinierte Buttons haben. IPhones unterscheiden sich äußerlich auch kaum voneinander.

Bei der Oberfläche von Windows Phone 7 setzt Microsoft ebenfalls auf Konsistenz und will damit den Wildwuchs der verschiedenen Oberflächen eindämmen. Wie weit das haltbar ist, wird sich zeigen. HTC erklärte bei der Vorstellung seiner neuesten Geräte am Dienstag, dass seine hauseigene Oberfläche Sense in leicht geänderter Form bei Handys mit Windows Phone 7 auch Einzug halten soll.

Die "Alles geht"-Truppe

Die beiden neuen Android-Geräte von HTC bestechen auch durch eine optimierte Darstellung von Texten im Browser. Für eine bessere Lesbarkeit werden die Zeilenumbrüche geändert. Laut Drew Bamford, bei HTC für die Sense-Oberfläche zuständig, sitzen auch PR-Leute im Entwicklerteam, die Feedback von Nutzern aus Blogs und Tweets sowie Medienberichte direkt an das Designteam weiterleiten.

Apropos HTC: Der taiwanesische Hersteller ist mit ein Vertreter der Gruppe "Anything goes". HTC machte sich zu Beginn als Hersteller von Handys mit Windows Mobile einen Namen, mittlerweile hat der Hersteller auch Googles Android im Programm und fertigt für T-Mobile und Google eigene Android-Handys.

In Barcelona kündigte HTC mit dem Desire und dem Legend zwei neue Handys mit Android 2.1 an, das neue HD2 Mini wird wie sein großer Bruder allerdings unter Windows Mobile 6.5 laufen. Das Legend hat übrigens ein Unibodydesign, ist also aus einem Stück Aluminium gefräst, wobei der Akku des Geräts trotzdem vom User gewechselt werden kann. Auch Sony Ericsson zeigte in Barcelona Geräte mit Android und Symbian. Alle genannten Geräte haben übrigens ein berührungsempfindliches Display. Zufall?

Samsung setzt auf alles

Noch radikaler ist Samsung: Der koreanische Hersteller hat an Betriebssystemen nicht nur Windows Mobile, Android, Symbian sowie das hauseigene Bada im Programm, sondern wird im zweiten Quartal auch Handys mit dem auf Linux basierenden Betriebssystem LiMo in Österreich auf den Markt bringen. Im dritten Quartal soll dann Samsungs eigener App Store in Österreich starten. App Stores schießen derzeit bei den Handyherstellern wie Unkraut aus dem Boden und versuchen, den Mobilfunkern in dieser Hinsicht das Wasser abzugraben.

"Im Moment ist viel Trial and Error", meint Martin Wallner von Samsung Österreich. Die Branche sei derzeit extrem unsicher, die Zahl der obersten Mobilfunkchefs in Barcelona sei heuer besonders hoch. "Die Branche weiß derzeit nicht, wo es genau hingehen soll, vieles ist mittlerweile zur Chefsache erklärt geworden." Vom eigenen App Store erwartet sich Wallner nicht viel: "Das können die Apples und Googles dieser Welt besser als wir." Samsung, derzeit ohnedies der aggressivste Anbieter auf dem Markt, will laut Wallner aber überall dabei sein – wohl um im Fall des Falles eine möglichst gute Startposition zu haben.

Der Linux-Ansatz: Offen für alle

App Store ist auch das Stichwort für einen Vertreter der dritten Fraktion mit dem Linux-Ansatz: Nokia. Mit der Freigabe von Symbian und der Verschmelzung der Maemo-Plattform mit Intels Moblin zu MeeGo setzt Nokia auf einen möglichst offenen Zugang für alle, wie auch Google mit Android. Nokia will mit dem Schritt unter anderem eine Fragmentierung des Marktes verhindern, natürlich möglichst zugunsten Nokias, versteht sich.

Obwohl Weltmarktführer konnte Nokia dem iPhone bis jetzt wenig Nachhaltiges entgegensetzen. Die eigene Spieleplattform N-Gage scheiterte trotz mehrmaligen Anläufen. Mitte letzten Jahres öffnete Nokia seinen Ovi Store und verzeichnet laut dessen "Head of Content" Gerard Grech mittlerweile eine Million Downloads pro Monat. Apple gab Anfang des Jahres bekannt, dass aus seinem Store mittlerweile drei Milliarden Apps auf iPhones und iPod Touch heruntergeladen wurden.

Nokia will Lösungen anbieten

Laut Grech wächst der Ovi Store bei Nutzern und Downloads im zweistelligen Bereich, er gibt aber zu, dass der Marketplace noch in den Kinderschuhen stecke. Auf die Frage, ob sich Nokia mittlerweile selbst als Hardware-Hersteller oder als Serviceanbieter sehe, meint er: "Wir sind Anbieter von Lösungen", die Kunden würden von Handys mittlerweile mehr erwarten als die Funktion zum Telefonieren und Versand von SMS-Nachrichten. Auf die mittlerweile auffällige fehlende Innovationskraft von Seiten Nokias angesprochen meinte er: "Innovation ist eine Reise, kein Ziel."

Die Suche nach dem heiligen Gral

Die Trennlinien zwischen den drei Gruppen sind nicht scharf. Bada von Samsung etwa ist auch als offene Plattform konzipiert. Die Mobilfunker spielen aus Angst, zu reinen Infrastrukturanbietern zu verkommen, mehr oder weniger mit oder versuchen sich mit Services, möglichst in Richtung integrierte Angebote, ein eigenes Stück vom Kuchen zu sichern. So ist auch die Allianz zur Entwicklung von Handyanwendungen und gemeinsamen Standards, die auf möglichst vielen Geräten funktionieren sollen, zu verstehen.

Handybauer und Mobilfunker eint der Versuch, in einem sich besonders schnell bewegenden Markt möglichst rasch die richtige Strategie zu finden. Zahlreiche Beispiele belegen, wie schnell man mit falschen Entscheidungen binnen kurzer Zeit den Anschluss verlieren kann. Ob Apple wirklich den heiligen Gral der Mobilfunkwelt fand, wird sich zeigen. Die Branche setzt auf jeden Fall alles daran, das möglichst schnell herauszufinden.

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(futurezone/Nadja Igler)