Köhler unterzeichnet Netzsperrengesetz
Regierung will Sperren nicht umsetzen, Kritiker verlangen sofortige Aufhebung des Gesetzes.
Der deutsche Bundespräsident Horst Köhler hat am Mittwoch das umstrittene Gesetz zur Sperrung kinderpornografischer Inhalte im Internet unterzeichnet. Das teilte das Bundespräsidialamt in Berlin mit. "Es bestanden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken", die den Präsidenten an einer Ausfertigung des Gesetzes gehindert hätten, hieß es in einer Erklärung.
Sperren weiterhin im Gesetz
Der Bundespräsident gehe davon aus, dass die Bundesregierung entsprechend ihrer Stellungnahme vom 4. Februar nunmehr "auf der Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes" Kinderpornografie im Internet effektiv und nachhaltig bekämpfen werde.
Die Bundesregierung ist inzwischen von dem noch von der Großen Koalition beschlossenen Vorhaben abgerückt, kinderpornografische Websites im Internet ohne richterliche Kontrolle über eine geheime, vom Bundeskriminalamt verwaltete zentrale Liste zu sperren. Diese - im Gesetz vorgesehenen - Sperren sollen daher nicht umgesetzt werden. Stattdessen hatte die Regierung dem Bundespräsidenten mitgeteilt, sie wolle sich auf Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes ausschließlich und intensiv für die Löschung derartiger Seiten einsetzen.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte am Mittwoch in Berlin, die schwarz-gelbe Regierung habe sich auf das "endgültige Aus für Netzsperren" verständigt. "Jetzt wird schnell eine neue Regelung auf den Weg gebracht, die dem Grundsatz Löschen statt Sperren entspricht", kündigte sie an.
AK Zensur: Gesetz aufheben
Die Bürgerrechtsvereinigung Arbeitskreis Zensur (AK Zensur) hat in einer Mitteilung vom Mittwoch die Unterzeichnung des bereits obsoleten Gesetzes durch Bundespräsident Köhler scharf kritisiert.
"Über die Entscheidung zur Ausfertigung des Internet-Sperr-Gesetzes sind wir enttäuscht. Trotz erheblicher verfassungsrechtlicher Bedenken aller Experten hat der Bundespräsident am heutigen Tage das Zugangserschwerungsgesetz unterzeichnet. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie jetzt, wie angekündigt, umgehend die Initiative zur Aufhebung dieses gefährlichen Gesetzes ergreift. In einem Aufhebungsgesetz müssen alle Grundlagen für eine Internet-Zensur-Infrastruktur außer Kraft gesetzt werden", so die Bürgerrechtler.
Das Gesetz verpflichte die Provider dazu, "Techniken zur allgemeinen Internet-Zensur bereit zu halten, wie wir sie beispielsweise aus Saudi-Arabien und China kennen". Diese technische Verpflichtung bleibe auch dann bestehen, wenn die Bundesregierung das BKA anweise, die Sperrlisten nicht anzuwenden. Der AK Zensur wies auch darauf hin, dass im Rahmen der Novelle des Jugendmedienschutzstaatsvertrags wieder Forderungen nach Einsetzung von Internet-Zensur laut geworden seien.
Am 25. Februar würden die Aufhebungsanträge von SPD, Grünen und Linken gegen das Gesetz in erster Lesung im Bundestag behandelt.
(AFP/dpa/futurezone)