© Fotolia/bilderbox; ORF.at (Montage), Ein Mann betrachtet einen Paragraphen und eine Musiknote.

Strafrecht gegen Tauschbörsennutzer

GESETZE
01.03.2010

Eine bevorstehende Änderung in der Strafprozessordnung könnte nach Meinung von Rechtsexperten dazu führen, dass das Strafrecht auch zur Verfolgung geringfügiger Urheberrechtsvergehen in Online-Tauschbörsen zum Einsatz kommt. Die Grünen kritisieren die geplante Gesetzesänderung scharf. Der Verband der Österreichischen Musikwirtschaft begrüßt sie naturgemäß.

Internet-Nutzer, die in Filesharing-Netzwerken unautorisiert Inhalte herunterladen und zum Upload bereitstellen, könnten in Österreich schon bald wieder mit Klagen von Rechteinhabern konfrontiert sein. Ermöglicht wird das durch eine Änderung der Strafprozessordnung, die noch im ersten Halbjahr 2010 im Paket mit einer Reform des Mediengesetzes in den Ministerrat kommen soll.

Der entsprechende Gesetzesentwurf sieht vor, dass auch für Privatanklagedelikte, wie etwa Urheberrechtsverletzungen, wieder gerichtliche Vorerhebungen beantragt werden können. Internet-Anbieter müssen dann auf richterliche Anordnung bekanntgeben, wer zu welchem Zeitpunkt Inhaber welcher dynamischen IP-Adresse war. Mit Hilfe dieser Daten können Rechteinhaber gegen mutmaßliche Urheberrechtsverletzer vorgehen und auch zivilrechtliche Schadenersatzansprüche geltend machen.

Tauschbörsennutzer im Visier der Justiz

Zwar beschränkt die Gesetzesreform Vorerhebungen von Polizei und Justiz auf Delikte, die mit mehr als einem Jahr Haft bedroht sind. Nach Meinung des Linzer Universitätsprofessors und Strafrechtsexperten Alois Birklbauer könnte damit jedoch auch der Tausch von Dateien in Filesharing-Netzwerken wieder ins Visier der Justiz geraten.

Denn die Nutzung gängiger Filesharing-Software zum Tausch nicht lizenzierter Inhalte könnte durchaus als gewerbsmäßige Urheberrechtsverletzung interpretiert werden, meint Birklbauer. Gewerbsmäßige Urheberrechtsverletzungen sind in Österreich mit bis zu zwei Jahren Haft bedroht.

Knackpunkt Gewerbsmäßigkeit

Im Strafgesetzbuch (§ 70) wird eine gewerbsmäßige Handlung, durch die Absicht begründet, "sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufenden Einnahme zu verschaffen". Bei gängiger Filesharing-Software würden Dateien mit dem Download immer auch zum Upload zur Verfügung gestellt, erläutert Birklbauer. Eine solche Tauschleistung könne durchaus als "Einnahmequelle" interpretiert werden, sagt der Strafrechtsexperte: "Das muss nicht immer Geld sein." Die Absicht der "wiederkehrenden Begehung" der Handlung ließe sich durch die wiederholte Nutzung von Filesharing-Software darüber hinaus leicht begründen, so Birklbauer weiter.

"Hauptsächlich Musikindustrie bedient"

Der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser kritisiert die Gesetzesänderung deshalb scharf: "Damit wird hauptsächlich die Musikindustrie bedient." Die werde versuchen, über das Vehikel Strafrecht an Daten heranzukommen, die sie für zivilrechtliche Klagen und Schadenersatzansprüche brauche, so Steinhauser.

Üblicherweise sei jemand, der einen Zivilprozess führen will, darauf angewiesen, sich relevante Daten über den Beklagten selbst zu besorgen, meint Steinhauser. "Da ist die Republik auch nicht mit Ermittlungsmaßnahmen behilflich." Mit der Gesetzesänderung werde der Musikindustrie eine Krücke eingebaut, damit sie ihre finanziellen Ansprüche durchsetzen könne, sagt Steinhauser, der auch auf seiner Website auf die mit der Änderung der Strafprozessordnung einhergehenden Möglichkeiten zur Verfolgung von Tauschbörsennutzern aufmerksam macht.

"Notwendig und richtig"

Franz Medwenitsch, Geschäftsführer des Verbandes der österreichischen Musikindustrie (IFPI Austria), begrüßt die Änderung im Strafrecht erwartungsgemäß: "Zu den Privatanklagedelikten zählen Kreditschädigung und Ehrenbeleidung ebenso wie Eingriffe in das Urheberrecht. Man kann nicht erwarten, dass die Täter in jedem Fall schon bekannt sind. Daher ist ein gerichtliches Ermittlungsverfahren notwendig und richtig."

Die IFPI Austria setze zwar langfristig auf Information und Aufklärung, könne und wolle aber kurzfristig nicht auf die Möglichkeit verzichten, sich gegen die Verletzung ihrer Rechte auch gerichtlich zu wehren, teilte Medwenitsch auf Anfrage mit.

Die IFPI Austria griff seit 2004 nach eigenen Angaben rund 1.000 Fälle wegen Urheberrechtsverletzungen in Online-Tauschbörsen auf. Die eingeleiteten Filesharing-Fälle seien alle erledigt, so Medwenitsch. Verfahren gegen Urheberrechtsverletzungen im Netz würden jedoch laufend geführt.

Klagen rechtlich kaum durchsetzbar

Klagen gegen Tauschbörsennutzer waren zuletzt in Österreich rechtlich kaum durchsetzbar, weil die Identität mutmaßlicher Urheberrechtsverletzer nicht ausgeforscht werden konnte. Seit einer Anfang 2008 in Kraft getretenen Reform der Strafprozessordnung, die nun teilweise wieder rückgängig gemacht werden soll, waren Vorerhebungen bei Privatanklagedelikten nicht mehr möglich. Rechteinhaber konnten seither nicht auf die Hilfe eines Richters zählen, wenn sie Inhaber dynamischer IP-Adressen ausfindig machen wollten.

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Nach einem im August veröffentlichten Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) wurde auch der den Rechtinhabern im Urheberrechtsgesetz (Paragraf 87b Abs 3) zugebilligte zivilrechtliche Auskunftsanspruch de facto außer Kraft gesetzt.

Der OGH kam in seinem Urteil in einem mehrjährigen Verfahren der Verwertungsgesellschaft LSG gegen den Internet-Anbieter Tele2 zu dem Schluss, dass Internet-Anbieter die persönlichen Verkehrsdaten ihrer Nutzer unverzüglich löschen müssen und daher nicht dazu verpflichtet werden können, den Rechteinhabern ohne Einschaltung eines Gerichts Auskunft über diese Daten zu erteilen.

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Vorratsdaten wecken Begehrlichkeiten

Lobbyistenorganisationen der Unterhaltungsindustrie forderten daher wiederholt Zugriff auf die bei der geplanten Vorratsdatenspeicherung (Data-Retention) gespeicherten Daten. Das Justizministerium unterstützte diese Forderung in seiner Stellungnahme zu dem vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte (BIM) im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) erarbeiteten Gesetzesentwurf. Das Ressort machte sich dafür stark, dass die gespeicherten Daten Rechteinhabern "zumindest drei Monate" verpflichtend zur Verfügung stehen sollen.

Das Urheberrecht passe nicht zur Vorratsdatenspeicherung, Eingriffe in Urheberrechte seien keine Verbrechen, räumt zwar IFPI-Geschäftsführer Medwenitsch ein. Die gänzliche Preisgabe des Urheberrechts im Internet würde aber dem geforderten Ausgleich der Grundrechte auf Datenschutz und den Schutz geistigen Eigentums widersprechen. "Ich schätze daher die Chancen für einen Auskunftsanspruch mit Richtervorbehalt hoch ein", meint Medwenitsch.

Dass die Vorratsdatenspeicherung zur Durchsetzung wirtschaftlicher Ansprüche verwendet werden solle, zeige ihre Brisanz und Problematik auf, meint Steinhauser. Unabhängig davon könnten Rechteinhaber aber auch schon mit der Änderung der Strafprozessordnung auf die Daten von Tauschbörsennutzern zugreifen, so der grüne Justizsprecher.

Umsetzung offen

Die Begutachtungsfrist zur Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG), mit der die entsprechende EU-Richtlinie in Österreich umgesetzt werden soll, endete Mitte Jänner. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass dass sämtliche Verbindungsdaten von Internet-, Telefon- und E-Mail-Anwendern künftig ein halbes Jahr lang gespeichert werden - und zwar bei allen Teilnehmern, ohne Vorliegen eines konkreten Tatverdachts. Verwendet werden sollen die Daten zur "Verfolgung von schweren Straftaten". Justiz- und Innenministerium wollen aber schon beim Verdacht einer "mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Straftat" auf die Daten zugreifen dürfen.

Ob und wann die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung in Österreich umgesetzt wird, ist offen. Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) hatte sich zuletzt, ebenso wie der österreichische Datenschutzrat, für eine Überprüfung der Richtlinie auf europäischer Ebene ausgesprochen.

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(futurezone/Patrick Dax)