© APA/Herbert Pfarrhofer, Handy, Mobiltelefon

Umkämpfte Privatsphäre

"MATRIX"
28.02.2010

"Wer nichts verbrochen hat, hat auch nichts zu verbergen." Mit diesem Argument versucht die Politik seit den Anschlägen von New York im September 2001, eine Vielzahl an Eingriffen in die Privatsphäre zu verteidigen. Die Privatsphäre wird aber nicht nur durch staatliche Eingriffe infrage gestellt.

Privatsphäre ist ein höchst umstrittener Begriff, der Grund dafür ist eine unzureichende Definition in den Grundrechtskatalogen. Früher war Privatsphäre "the right to be left alone", oder auch die Freiheit vom Staat, was so viel bedeutet wie dass der Staat nur mit triftigem Grund schnüffeln darf. Heute heißt Privatsphäre aber auch die eigene Persönlichkeit im virtuellen und realen Raum selbst zu definieren, sagt der Rechtsanwalt Georg Bürstmayr.

Die eigene Privatsphäre selbst gestalten zu können, klingt zwar gut, doch die tatsächliche Umsetzbarkeit ist fraglich. Auch wenn die Datenschutzrichtlinie der EU zu den strengsten der Welt gehört, betrifft sie Privatpersonen nicht. Die Frage, ob man als Benutzerin Fotos von Freunden ohne deren Zustimmung veröffentlichen darf, bleibt also vorerst ungeklärt. Und die rechtliche Durchsetzbarkeit wird mangels globaler Standards kompliziert, wenn etwa das Soziale Netzwerk, auf dem eine Datenschutzverletzung stattfindet, in Kalifornien sitzt.

Mehr zum Thema:

Allerdings zeigen gerade die jüngsten Ereignisse um das neue Soziale Netzwerk von Google namens Buzz, dass bei etwaigen Unstimmigkeiten die Nutzer sehr wohl Druck auf die Betreiber machen und Veränderungen in der Datenschutzpolitik bewirken können.

Diskussionen über Datenweitergabe

Aber auch die staatliche Verwendung und Weitergabe von privaten Daten wird in Europa heiß diskutiert. Die Server der Firma SWIFT, die internationale Banktransfers verwaltet, stehen nach heftigen Protesten wieder in Europa und die USA können nur noch bis Herbst 2010 darin nach vermeintlichen Terroristen suchen. Einen ersten Vorschlag der Europäischen Kommission über ein Nachfolgeabkommen hat das Europäische Parlament, das seit Dezember 2009 ein Mitbestimmungsrecht hat, abgelehnt.

Mehr zum Thema:

Neustart für Verhandlungen zum SWIFT-Deal

Milliardengrab Flugpassagierüberwachung

Ebenfalls seit längerem für Diskussionen sorgen die Passenger Name Records (PNRs), Aufzeichnungen zu Flugbuchungen, zu denen neben Name und Destination auch Diätwünsche gehören. Die USA bekommen mit dem Argument der Terrorismusbekämpfung alle PNRs von Flügen in ihr Hoheitsgebiet und speichern diese für 13 Jahre. Nun überlegen auch Innenminister der EU-Mitgliedsstaaten, diese Daten auszuwerten.

Umstrittene Vorratsdatenspeicherung

Die momentan größte öffentliche Diskussion dreht sich um die Europäische Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. Dabei sollen alle Verbindungs- und Standortdaten aller Telekommunikationsdienste mindestens sechs Monate gespeichert werden und bei Bedarf der Exekutive zur Verfügung stehen. Den österreichischen Gesetzesvorschlag arbeitete das Boltzmann-Institut für Menschenrechte für das Infrastrukturministerium aus.

Einerseits, weil wegen der Verspätung bei der Umsetzung gegen Österreich bereits ein Vertragsverletzungsverfahren der EU läuft. Andererseits, um ein möglichst grundrechtskonformes Gesetz zu schaffen, bei dem Zugriffe auf die Vorratsdaten nur auf richterlichem Befehl zur Aufklärung schwerer Straftaten möglich sind. Dem Innen- und dem Justizministerium ist das aber zu wenig.

Mehr zum Thema:

Widerstand in mehreren EU-Staaten

In mehreren EU-Staaten findet ein Kampf gegen die Vorratsdatenspeicherung statt. Neben der Anrufung des deutschen Verfassungsgerichtes - das Urteil wird am Dienstag erwartet - hat das rumänische Verfassungsgericht die Direktive als verfassungswidrig abgewiesen. Irland hat vergangenes Jahr eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof verloren.

In seiner Begründung betrachtet der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Vorratsdatenspeicherung nicht als justizielle Regelung zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Terrorismus, sondern als Maßnahme zur Harmonisierung des Binnenmarktes: Durch die Richtlinie könne es nicht dazu kommen, dass Internet-Provider in einem Staat weniger Kosten für Server und deren Wartung haben, weil überhaupt keine Speicherpflicht besteht. Für Gegner der Vorratsdatenspeicherung ein paradoxes Argument. Schließlich lässt die Richtlinie bei der Speicherdauer einen Spielraum zwischen sechs Monaten und zwei Jahren. Das kann je nach Umsetzung in den Mitgliedsstaaten bis zu vierfache Mehrkosten bedeuten.

Am Sonntag in "matrix"

Mehr zum Thema hören Sie am Sonntag um 22.30 Uhr im Ö1-Netzkulturmagazin "matrix".

Populismen wie "Wer nichts verbrochen hat, hat auch nichts zu verbergen", verlieren in der öffentlichen Diskussion um Datenschutz und dem Recht auf Privatsphäre an Schlagkraft. Die treffende Antwort darauf hatte eine Vortragende auf einem Kongress zu dem Thema: "Ich habe nichts zu verbergen und möchte dennoch nicht nackt vor Ihnen stehen."

Mehr zum Thema:

- Wie man der Vorratsdatenspeicherung entkommt

(matrix/Astrid Schwarz/Michael Fiedler)