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Cloud-Computing: "Wir sind erst am Anfang"

DISKUSSION
04.03.2010

Für Cloud-Computing gibt es noch keine klare Definition. Darüber waren sich die Experten bei einer Diskussion im Rahmen des E-Day der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) einig. Für das Arbeiten über das Netz mit Angeboten wie Google Docs und Microsoft Azure gebe es eine Zukunft, doch vorerst müsse - insbesondere für den Einsatz im Unternehmen - erst noch das Vertrauen gewonnen werden.

Während Cloud-Computing beim Endnutzer bereits angelangt ist, greifen Unternehmen aus mehreren Gründen noch zögerlich auf die neue Form von Outsourcing zurück. Neben der Kosten-Nutzen-Rechnung stehen auch mangelndes Vertrauen und der Datenschutz im Vordergrund der Entscheidung des Unternehmens, meinten die Experten bei der Diskussionsveranstaltung am Donnerstag in Wien.

"Cloud-Computing ist kein stabiler Begriff, sondern eine Klammer über verschiedene Entwicklungen, die wir in den vergangenen Jahren in der IT gesehen haben", so Werner Dorfmeister, Bundessprecher der WKO Österreich in der Expertgroup E-Business. Hinter Cloud-Computing würden Themen stecken, die schon länger bekannt seien und "sich jetzt mit Cloud-Computing materialisieren", wie Software as a Service (SaaS), Platform as a Service (PaaS) und Infrastructure as a Service (IaaS).

SaaS ist keine Technologie

"SaaS ist ein Begriff, der bereits seit etwa fünf bis sieben Jahren existiert und nichts anderes beschreibt, als dass kein langfristiges Nutzungsrecht für die Software erworben wird, sondern Software dann genutzt wird, wenn sie gebraucht wird." Es handle sich also um keine Technologie, sondern um ein Geschäftsmodell, erklärt Dorfmeister.

Als Beispiel für PaaS nennt Dorfmeister Google. Viele Unternehmen würden nicht mehr ihre eigene Website entwickeln und ihre Kommunikation zu den Endkunden über Plattformen wie Facebook und Twitter abwickeln. Damit baue ein Unternehmen nur noch die Inhalte auf eine Plattform auf und müsse über die Entstehung eines Services nicht mehr nachdenken.

Hype durch "Netznutzen"

IaaS sei das "Fundament", so Dorfmeister. Mittlerweile gebe es Anbieter, die Infrastrukturdienste in Form von Serverrechenleistung und Netzwerk-Connectivity anbieten und je nach Bedarf in Anspruch genommen würden, wie etwa YouTube zur Präsentation des eigenen Unternehmens.

Den Hype erklärt sich Dorfmeister durch die Verfügbarkeit der Dienste und dem "Netznutzen". Denn je mehr Anwender da seien und je mehr Angebot es gebe, desto mehr steige der Nutzen für den einzelnen Anwender. Den wesentlichen Vorteil gegenüber Outsourcing sieht Dorfmeister darin, dass Cloud-Service-Provider zusätzliche Services anbieten können, die wiederum von anderen Services bezogen würden.

Unternehmen würden nicht sofort zu Cloud-Computing wechseln, so Dorfmeister gegenüber ORF.at. Das liege auch an der Frage, wie sensibel die Firmendaten seien. "Zudem stelle ich fest, dass gerade bei größeren Unternehmen oft nicht die größte Sorgfalt angewandt wird." Das Kleingedruckte werde oft nicht gelesen, weil der Dienst momentan gratis sei. Als Beispiel nennt Dorfmeister etwa Firmenmitarbeiter, die im Namen des Unternehmens bei Twitter einen Blog betreiben. "Wenn dieser das Unternehmen verlässt, dann nimmt er alle seine Followers mit."

Microsoft: Hype passiert von selbst

Aufgabe von Harald Leitenmüller, Innovationssprecher von Microsoft Österreich, ist es, Wissen über die neuesten Technologien seines Konzerns auf den österreichischen Markt zu bringen. "Wichtig ist, ein neues Thema langsam auf den Markt zu tragen. Der Hype passiert dann von selber", erklärt Leitenmüller.

Es gebe drei Phasen zu bewältigen. In der Awareness- beziehungsweise Formalisierungsphase müsse das Bewusstsein geschaffen werden, "hier gibt es etwas Interessantes". Dahinter stecke aber auch die Aufgabe, ein Basisverständnis zu geben, das heißt, zu erklären, "was ist das". Denn es gebe immer noch zahlreiche Definitionen für Cloud-Computing. Diese Phase sei vor allem Aufgabe von Experten und Architekten.

Cloud-Computing nicht für alles und jeden

In der zweiten Stufe, der Verteilungsphase, werde "das Interessante" von mehreren genutzt und ein Skalierungseffekt entstehe. "Das ist der Hauptteil." Der wichtigste Teil sei aber die Virtualisierungsphase, in welcher das Verständnis entstehe: "Was machen wir hier eigentlich, was ändert sich dadurch und in welchem Kontext ändert sich das Thema dadurch." Dort passiere die Innovation, von der alle profitieren würden. Erfahrungsgemäß dauere die Etablierung zehn Jahre und, "wir sind derzeit zirka im ersten Jahr, wo die Formalisierung passiert", meint Leitenmüller.

Im Bereich Datenschutz sei noch vieles ungeregelt. "Das ist ist auch der Grund, warum wir Cloud-Computing nicht dogmatisch verordnen wollen", so Leitenmüller. Es werde noch länger eine Koexistenz verschiedener Modelle geben. Wichtig sei, das Prinzip einzuhalten, dass die unterschiedlichen Plattformen betrieben werden können, als würden sie eine sein. "Und ich empfehle, dass wirklich sensible Daten im eigenen Datencenter belassen werden", sagt Leitenmüller.

"Kein Tsunami"

Für Andreas Lohner vom IT-Markt- und Trendforscher Forrester Research Österreich ist Cloud-Computing zwar "kein Tsunami, aber rechnen Sie damit, dass es in seiner vollen Länge und Breite kommt". Der Qualitätsdruck der Cloud komme aus dem Konsumentenmarkt. Die privaten Nutzer seien gewohnt, die Dienste kostenlos und ohne Probleme zu bekommen.

Technisch biete Cloud-Computing viele Vorteile, aber zu beachten sei auch die Verantwortung, die ein Provider künftig übernehmen müsse. Laut einer Studie hätten 70 Prozent der Leute, die sich Cloud-Diensten nähern, aus Sicherheits-, Compliance- und rechtlichen Gründen Angst davor. Diese könne mit der Zeit gelöst werden, jedoch nicht von der technischen, sondern nur von der Seite der Verantwortung.

Als Motor für Cloud-Computing sieht Lohner auch die steigende Zahl an Laptops und Mobiltelefonen. Derzeit gebe es weltweit eine Milliarde Laptops und sechs Milliarden Mobiltelefone. Auch er sehe den Dienst erst in seinen Anfängen, weltweit seien es zwölf Prozent, die Cloud-Services nutzen würden.

Mobile Buchhaltung

Harald Trautsch, Leiter der Unternehmensentwicklung des epunet-Entwicklers Blue Monkeys, sieht bezüglich Sicherheit und Verfügbarkeit von Daten kein Problem. "Die Wahrscheinlichkeit, dass meine Daten auf einem ausgelagerten Server verloren gehen, ist wesentlich geringer, als dass meine eigene Festplatte versagt."

Epunet ist eine Office-Applikation, die sämtliche Services von der Lagerverwaltung bis hin zur Rechnungslegung umfasst. Die Daten würden auf dem eigenen Server gespeichert, täglich ein Backup durchgeführt und zudem seien sie verschlüsselt.

Soziale Verantwortung

Haymo Meran, Director of Product Experiences vom Software-Hersteller Gentics, geht auf die rechtlichen Probleme ein. Das Unternehmen habe teilweise Dienste ausgelagert, wie etwa den Terminkalender. Nicht jedoch den Mail-Server, weil dafür noch nicht ausreichend Vertrauen da sei. Zudem gebe es rechtliche Unsicherheiten, da mit einigen Kunden sensible Daten ausgetauscht würden. Mit diesen gebe es etwa Verträge, dass keine Daten auf fremden Speicherplätzen abgelegt würden.

Zwar erspare sich das Unternehmen, das Betriebssystem wie auch Hard- und Software ständig updaten zu müssen, nicht auslagern ließen sich Administration und der Service. Neben einem Administrator im eigenen Unternehmen brauche es immer noch einen lokalen Service-Dienstleiter, der bei Problemen zur Verfügung stehe.

Meran spricht auch die soziale Verantwortung an, das Wissen das in der Cloud entsteht, auch zu sichern. "Wikipedia ist freies Wissen, das allen zur Verfügung steht, aber sie haben finanzielle Probleme." Die Politik solle sich darüber bewusst werden, dass auch bei Cloud-Computing Geld notwendig sei. "Genauso wie wir ein kulturelles Erbe haben und dort Geld investieren, ist es auch wichtig, in die Cloud und in das Wissen, das jetzt frei verfügbar ist, zu investieren."

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(futurezone/Claudia Glechner)