"Das iPad wird die Zeitung nicht retten"
Tablets wie das Apple iPad und E-Reader von Amazon und Sony werden als Hoffnungsträger für die Buch- und Medienbranche gehandelt. Heimische Branchenvertreter warnen vor hochgesteckten Erwartungen. Marktbeobachter und Mobilfunker mahnen innovative Inhalte für die portablen Geräte ein.
"Apples iPad wird die Zeitung nicht retten, der Kindle sowieso nicht", meinte Peter Krotky, Geschäftsführer von Diepresse.com, bei einer Diskussionsveranstaltung zum Thema E-Reader und Medien am Dienstagabend im Rahmen des APA-IT-Forums im Wiener Techgate. "Hoffen darf man aber trotzdem."
Die Markterwartungen für die elektronischen Lesegeräte skizzierte einleitend Clemens Schwaiger vom Unternehmensberater Arthur D. Little. E-Reader seien derzeit der "große Hype". Die tatsächlichen Verkaufszahlen der Geräte blieben jedoch noch weit hinter anderen mobilen Gadgets wie dem iPhone und Sonys PlayStation Portable zurück.
"Interessant sind die Inhalte"
Derzeit werde hauptsächlich auf die Hardware fokussiert. Interessant seien aber die Inhalte, die auf die Geräte gespielt werden, gab Schwaiger zu bedenken. Die Verkaufszahlen des iPhone seien auch erst mit dem rasant wachsenden Angebot an Applikationen gewachsen, so der Unternehmensberater.
Um auf den neuen Gadgets zu reüssieren, müsse die Branche weiter gehen, als sie es bisher tue: "Man kann nicht das klassische Buch nehmen und es auf E-Reader bringen", meinte Schwaiger. "Digitaler Text ist mehr." Digitale Angebote auf iPad, Kindle und Co. müssten multimediale Inhalte und die Möglichkeiten des digitalen Storytellings berücksichtigen.
Nischenprodukt E-Reader
Einig waren sich die Diskutanten, dass E-Reader wie der Amazon Kindle, die sich auf die elektronische Lektüre beschränken, wohl Nischenprodukte bleiben werden. "Kunden wollen auf den Geräten nicht nur lesen, sondern auch Videos ansehen und spielen", zeigte sich Nicolas Sorger von Microsoft Österreich überzeugt. Die Mehrheit werde deshalb Tablets oder Slate-PCs nutzen, die diese Möglichkeiten integriert haben.
"Reine E-Reader schauen aus wie das Internet in den 90er Jahren", meinte auch Krotky. Bei Geräten wie dem iPad finde die spannendere Entwicklung statt, so der Diepresse.com-Geschäftsführer. Das iPad werde die Plattform sein, "auf die man setzen muss". Für die Medienbranche gelte es aber abzuwarten, "wie sich die Verkaufszahlen des iPad tatsächlich entwickeln".
Mobilfunker wollen mitmischen
Das war das Stichwort für Bernhard Wiesinger von Hutchison 3G Austria, der gleichsam die Mobilfunker für den Vertrieb der Geräte in Stellung brachte. Die Branche habe jede Menge Erfahrung mit der Subvention von Endgeräten, warf Wiesinger ein. Gerätestützungen würden auch notwendig sein, um den Gadgets zum Durchbruch zu verhelfen: "Mit Geräten, die mehr als 100 Euro kosten, ist kein Massenmarkt zu schaffen", meinte Wiesinger. Das iPad werde voraussichtlich in Europa in seiner billigsten Variante rund 500 Euro kosten: "Unsubventioniert bleibt es ein Nischenprodukt."
Die Mobilfunker könnten darüber hinaus auf ein funktionierendes Abrechnungssystem verweisen und hätten auch die Möglichkeit, wertvolle Informationen zum Nutzungsverhalten der Kunden zu liefern, so Wiesinger. Es müsse sich jedoch ein Geschäftsmodell finden, das die Mobilfunkbetreiber berücksichtige. Die Frage, warum jemand für Inhalte auf dem iPad bezahlen sollte, wenn er auch im Netz gratis darauf zurückgreifen könne, müssten jedoch die Verlage beantworten.
"Ganz neue Formen"
Welche Inhalte auf den Geräten Erfolg haben werden, sei offen, meinte Krotky. Ob die Aufbereitung mehr in Richtung Magazin oder in Richtung Internet gehe, würden erst die tatsächlichen Nutzungsweisen zeigen. Es werde "ganz neue Formen" geben, die auf Geräten wie dem iPad publiziert werden. Inhalte würden nicht nur einmal täglich heruntergeladen, sondern müssten vielleicht laufend aktualisiert werden. Das Always-on sei ein systemimmanenter Bestandteil des iPad und ähnlicher Geräte.
Das pure Portieren bestehender Zeitungsinhalte schaffe keinen Mehrwert für die Zahlungsbereitschaft, meinte auch der Unternehmensberater Schwaiger. Er rechnet damit, dass sich neue Inhalte durchsetzen, die neue Nutzungsformen mit sich bringen: "Auch Smartphone-Apps haben eine neue Nutzung auf Endgeräten erzeugt."
Es werde viele Experimente geben, von denen enige auch "grandios scheitern" werden, prognostizierte Krotky. Fest stehe, dass alle versuchen werden, Bezahlinhalte durchzusetzen.
"Tendenz zu Bezahlinhalten"
Die Tendenz gehe zu Paid Content, meinte auch Günter Kaminger von der APA-IT, der auch eine Entwicklung des Unternehmens zur automatischen Erstellung von E-Reader-Ausgaben heimischer Zeitungen präsentierte.
Die Chance auf eine Werbefinanzierung von Inhalten, die für Tablets und E-Reader produziert werden, schätzt auch der Unternehmensberater Schwaiger gering ein. "Es ist sehr schwierig, hochqualitativen Content ausschließlich über Werbung zu finanzieren." Entscheidend sei aber auch das Verhältnis von freien und bezahlten Inhalten. Eine Einschränkung des Online-Gratiszugangs hielten die Diskutanten jedoch für unwahrscheinlich: "Das zeichnet sich nicht ab."
"Zukunft des Journalismus Kernthema"
Die Frage sei nicht, ob die Zeitung Zukunft habe, sondern ob der Journalismus Zukunft habe, hakte Krotky ein: "Das ist mittlerweile das Kernthema." Wenn selbst Denkmäler wie die "New York Times" Probleme hätten, sei die Finanzierung qualitativ hochwertiger journalistischer Angebote generell infrage gestellt. Wolle man den Qualitätsjournalismus in die elektronische Welt retten, seien die heutigen Kosten das Mindeste, was verdient werden müsste. "Geht man darunter, bedeutet das weniger journalistische Leistung, die der Gesellschaft angeboten werden kann."
(futurezone/Patrick Dax)