ACTA: EU-Parlament watscht Kommission
Mit 633 gegen 13 Stimmen hat sich das EU-Parlament am Mittwoch für eine vollständige Offenlegung der Geheimverhandlungen um das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA ausgesprochen. Dabei fielen auch deftige Worte in Richtung Kommission, weil sie das Parlament als "Fußabstreifer" behandelt habe.
Das Parlament sprach sich mit überwältigender Mehrheit dafür aus, dass die EU-Kommission den Stand der Geheimverhandlungen zum umstrittenen Anti-Parterie-Abkommen ab sofort offenlegen und das Parlament an den Verhandlungen beteiligen muss.
Das Ergebnis ging mit 633 pro und nur 13 Gegenstimmen knapp an der Einstimmigkeit vorbei und ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.
Ein solcher Trend hatte sich bereits in den 48 Stunden vor dem Votum abgezeichnet. Die von mehreren konservativen Parlamentariern geäußerten Vorbehalte wurden zurückgezogen, auch die EPP-Fraktion war damit Teil einer Front, die alle im Parlament vertreten Fraktionen umfasste.
"Another Crazy Treaty Agreed"
Alexander Alvaro, einer der profiliertesten Parlamentarier der liberalen Fraktion: "Jedes internationale Abkommen, das massiven Einfluss auf das Leben der Europäischen Bürger hat, muss transparent und öffentlich beraten werden - insbesondere, wenn über Maßnahmen wie Internet-Sperren und Dritthaftungen für Internet-Service-Provider entschieden werden soll. Wir erwarten von der Kommission, dass sie sich an bestehendes Recht hält und verhindert, dass ACTA zum Akronym für Another Crazy Treaty Agreed wird."
Noch deftiger hatte sich der Abgeordnete Christian Engström (Piraten/Grüne Fraktion) kurz vor der Abstimmung ausgedrückt: Das Parlament werde sich nicht länger als "Fußabstreifer" für Rat und Kommission benutzen lassen.
"Mauscheln im Hinterzimmer"
Auch die Konservativen sparten nicht mit deutlichen Worten. "Mauscheln hinter verschlossenen Türe" müsse der Vergangenheit angehören. Leider zeigt die EU-Kommission mit ihrer Nicht-Information über die Verhandlungen zum aktuellen Urheberrechtsabkommen, dass sie nichts dazugelernt hat", kritisierte die ÖVP-Europaabgeordnete Elisabeth Köstinger. "Die Informationspolitik der Kommission ist intransparent, ihre Kommunikationspolitik inexistent", so Köstinger weiter. Die spärlichen Informationen zum Stand der Verhandlungen seien schlicht nicht ausreichend und undemokratisch".
"Die Hinterzimmerpolitik ist zu Ende. Wir haben seit dem Lissabon-Vertrag eine neue EU, und die Parlamentarier nehmen ihre neuen Rechte ernst", sagte die Abgeordnete Eva Lichtenberger (Grüne) nach der Abstimmung zu ORF.at. "Schon auf der kommenden ACTA-Sitzung in Neuseeland muss dieser Punkt auf die Tagesordnung: Öffentlichkeit der Verhandlungen."
Martin Ehrenhauser (Liste Martin) sieht in dem Abstimmungsergebnis "einen weiteren positiven Schritt des Europaparlaments bei der Verteidigung der Bürgerrechte, dem nun konkrete Taten der EU-Kommission folgen müssen." Die Verhandlungen seien transparent zu führen oder abzubrechen, so Ehrenhauser, wenn die Kommission den Forderungen des Parlaments nicht nachkomme, solle ein Verfahren vor dem EuGH angestrengt werden.
Die nächste ACTA-Verhandlungsrunde wird vom 12. bis 16. April in Neuseeland stattfinden.