Die "Oscars" der Spiele
Beinahe gleichzeitig zur den beliebten Academy Awards fanden im Rahmen der Game Developers Conference feierliche Prämierungen von Computer- und Videospielen aus dem Vorjahr statt. Robert Glashüttner berichtet aus San Francisco.
Eine Dame im schicken Abendkleid und ein Herr in noblem Frack auf einer ausladenden Showbühne. Dahinter überdimensionale Vidiwalls und davor ein riesiger Saal, halbkreisförmig angeordnet und feierlich illuminiert.
So eine glamouröse Atmosphäre würde man einer Videospiel-Veranstaltung zunächst gar nicht zutrauen, sprechen die üblichen Klischees der Games-Industrie doch eher von zurückgezogenen Teenagern vor ihren Computern und steifen Business-Men in Konferenzräumen.
Doch die Game Developers Conference in San Francisco ist eine Ausnahmeerscheinung und findet darüber hinaus in den USA statt – jenem Land, das Showbusiness und Performance in jeder Lebenslage als besonders wichtig erachtet.
"And the winner is ... !"
In zwei Blöcken werden zunächst die herausragendsten Independent Games und später die Spiele der großen Entwicklerstudios prämiert. Für zwei Hauptpreise sowie die Kategorien Visual Art, Audio, Design, Technical Excellence und Innovation ("Nuovo Award") gibt es jeweils fünf Nominierungen, die im Show-Reel präsentiert werden. Anschließend wird – ganz traditionell – der Siegername aus dem heißbegehrten Gewinnerkuvert gezogen. Jahr für Jahr bekommt darüber hinaus der Student Showcase Award besondere Aufmerksamkeit, der Games-Projekte von internationalen Bildungsinstitutionen ins internationale Rampenlicht rückt. Dieses Jahr bekommt aus 190 Einreichungen der Titel "Continuity" der Universität Göteborg in Schweden den begehrten Independent-Games-Festival-Award – ein Flash-Game, das eine gewitzte Mischung aus Geschicklichkeitsspiel und Verschiebepuzzle ist.
Die meisten Jungentwickler, die einen IGF-Preis einheimsen, haben erfrischend ungewöhnliche Dankesreden parat. So nimmt beispielsweise Tyler Glaiel, der Macher vom diesjährigen Audio-Award-Gewinnerspiel "Closure", seinen Onkel mit auf die Bühne, der für Sound und Musik des Spiels verantwortlich ist. Der erzählt dann auch prompt eine Anekdote über seinem Neffen, als der ihm als Kind seinen innigsten Berufswunsch mitgeteilt hat – er wollte schon damals Computerspielentwickler werden.
Auch auf das Enfant terrible Jonatan Soderstrom alias Cactus kann man sich in Sachen Abgedrehtheit verlassen. Der Schwede gewinnt den dieses Jahr neu hinzugekommenen Nuovo Award und betritt nach der Verkündung des Ergebnisses mit schrulligem Outfit die Bühne. Nach ausgiebigem, salbungsvollen Nicken bedankte er sich schließlich bei Gott und Jesus für die Inspiration zu seinem Gewinner-Game "Tuning".
Mit Mickey durch den Abend
Konventioneller und doch auch amüsant laufen anschließend die Game Developers Choice Awards ab. Star-Game-Designer Warren Spector, unter anderem verantwortlich für die "Thief"- und "Deus Ex"-Spieleserien betritt mit Mickey-Mouse-Ohren die Bühne – ein eindeutiger Hinweis auf sein im Herbst erscheinenden Spieles "Epic Mickey". Die Auszeichnungen bei den "großen" Spielen fallen etwas umfangreicher aus: In zehn Kategorien und einem übergeordneten "Game of the Year"-Award werden Titel, die im Vorjahr erschienen sind, prämiert. Beinahe langweilig viele Auszeichnungen bekommt dabei das Action-Spiel "Uncharted 2" (PlayStation 3), das auch den Hauptpreis abräumt.
Interessanter sind die speziellen Auszeichnungen, die an besondere Persönlichkeiten aus der Videospielbranche vergeben werden. So wird etwa der Lifetime Achievement Award an das langgediente Programmier-Wunderkind John Carmack vergeben, das vor allem durch die technische Entwicklung von "Doom" und "Quake" bekanntwurde. Er sei erfolgreich dem Peter-Prinzip entkommen, meint Carmack in seiner Dankesrede. Anstatt immer höher in der Jobhierarchie aufzusteigen und gleichzeitig immer inkompetenter zu werden, würde er weiterhin täglich als Programmierer arbeiten und intensiv an den kommenden Games seiner Firma id Software mitwirken.
(Robert Glashüttner)