© Bild: ORF.at/Carina Kainz, Ein Musikvideo wird von Youtube geladen.

YouTube wirft Viacom illegale Uploads vor

PROZESS
19.03.2010

Konnte das Videoportal YouTube nur deshalb so schnell wachsen, weil seine Gründer weggesehen haben, wenn User Copyright-geschützte Inhalte dort präsentiert haben? Das wirft der US-Medienkonzern Viacom den Gründern im Rahmen eines Prozesses vor. YouTube kontert damit, dass Viacom selbst nach der Übernahme durch Google massenweise eigene Inhalte hochgeladen habe, um YouTube besser klagen zu können.

Viacom hatte YouTube 2007 geklagt, weil dort unlizenzierte Kopien von "Colbert Report", Jon Stewarts "Daily Show" und anderer Fernsehshows zu finden gewesen seien. Der San Franciscoer Bezirksrichter Louis Stanton hatte angeordnet, dass beide Parteien vorher vertrauliche E-Mails und andere Informationen zugänglich machen müssten. Damit ist der Prozess am Donnerstag (Ortszeit) in seine harte Phase eingetreten.

Denn die Mails lassen weder Viacom noch die YouTube-Gründer besonders gut aussehen. So kam heraus, dass Viacom bis zuletzt verzweifelt versucht hatte, YouTube zu kaufen, bevor Google das Unternehmen im November 2006 für 1,76 Milliarden US-Dollar übernommen hat und hinterher offenbar zu schmutzigen Tricks griff, um YouTube zu diskreditieren. 2007 schlug Google Viacom vor, für 590 Millionen US-Dollar die Inhalte des Unternehmens zu lizenzieren. Viacom klagte stattdessen und verlangt über eine Milliarde US-Dollar Schadenersatz.

Viacoms Vorwurf: YouTube habe besonders in seiner Startphase absichtlich unlizenzierte Copyright-geschützte Clips auf seiner Site zugelassen, um mit dem Content anderer Leute schneller wachsen zu können. YouTube wiederum stellt sich auf den Standpunkt, es habe sich stets an die Regeln des US-Copyright-Gesetzes Digital Millennium Copyright Act (DMCA) gehalten. Dieses sieht vor, dass Betreiber von Plattformen erst dann belangt werden können, wenn sie nach einer Aufforderung des Rechteinhabers zur Löschung inkriminierter Inhalte nicht nachkommen.

"Gestohlene Videos"

Die Viacom-Anwälte stützten ihre Argumentation vor allem auf eine E-Mail, die YouTube-Mitgründer Steve Chen am 19. Juli 2005 an seinen Kollegen Jawed Karim geschrieben hat. In dieser Mail warnte Chen Karim davor, "gestohlene Videos" auf die Site zu stellen. Man werde es schwer haben, die eigene Position in Sachen Copyright als Hoster zu verteidigen, wenn einer der Gründer Inhalte von anderen Websites stehle. Mitgründer Karim verließ YouTube noch vor der Übernahme durch Google.

YouTube reagierte auf die Offenlegung der Mail mit einer Stellungnahme, in der die Anwälte sagten, dass es sich bei den fraglichen Inhalten nicht um Fernsehserien oder Kinofilme gehandelt habe, sondern nur um Videos von Flugzeugen. Das habe nichts mit Medienpiraterie zu tun, so das Unternehmen. Viacom war an Karims Mail herangekommen, weil dieser nach seinem Ausstieg noch Nachrichten aus seiner YouTube-Zeit auf seinem privaten Rechner gespeichert hatte.

Interne Mails

Laut den Gerichtsunterlagen hatte Chen die Mitgründer Chad Hurley und Karim am 29. Juli 2005 in einer Mail dazu aufgefordert, einen nicht näher identifizierten Videoclip zu "stehlen". Auf Rückfrage von Hurley, ob er nun Filme stehlen wolle, antwortete Chen: "Haha. Ja. Oder sowas." Hurley schrieb zur Verteidigung, er habe etwas Größeres und Nützlicheres im Netz machen wollen, etwas, das die Art und Weise, wie Menschen mit Video im Netz umgingen, verändern würde.

Im Dezember 2005, als YouTube das Betastadium verließ, verarbeitete die Site rund 6.000 Videos täglich. Derzeit verarbeitet sie 24 Stunden Videomaterial pro Minute und bietet mehr als 500 Millionen Videos an, so die Gerichtsunterlagen.

Schlechte Verlierer

Auch bei Google habe es Zweifel vor der Übernahme des Unternehmens gegeben. Viacom präsentierte Unterlagen, in denen Google-Manager die Site als "Ermöglicher von Content-Diebstahl" bezeichneten und feststellten, dass YouTube "ausschließlich von gestohlenen Inhalten" lebe.

Viacom hatte andererseits bis zuletzt versucht, YouTube selbst zu kaufen. In einer Präsentation von MTV Networks, einer Viacom-Tochter, hieß es im Juli 2006, dass man mit dem Kauf von YouTube sofort zum Marktführer im Bereich Online-Video werden würde. YouTube sei "die dominante Plattform", heißt es in dem Dokument. Später befürchtete man, dass Rupert Murdochs MySpace sich die Site unter den Nagel reißen könnte. Die Präsentation stammte von dem Manager Adam Cahan, der 2006 von Google zu Viacom gewechselt war, um Vizechef von MTV Networks zu werden.

Viacom jubelte YouTube Videos unter

Cahan hatte auch versucht, Google und Viacom zu einer gemeinsamen Übernahme von YouTube zu bewegen. Er schrieb zu diesem Zweck auch an Susan Wojcicki, die Schwägerin von Google-Mitgründer Sergey Brin und Vizechefin des Google-Produktmanagements. Auch nach der Übernahme von YouTube durch Google hätten Viacom-Mitarbeiter "tonnenweise" Inhalte auf das Portal hochgeladen, wie aus einer internen Mail des Unternehmens hervorgeht.

"Sie haben nicht weniger als 18 verschiedene Marketingagenturen angeheuert, um ihre Inhalte auf die Seite hochzuladen", schrieb You-Tube-Chefjurist Zahavah Levine am Donnerstag im firmeneigenen Weblog. Levine warf Viacom vor, die Videos derart verfälscht zu haben, dass sie wie gestohlenes Material ausgesehen hätten. "Letztlich sind einige der Clips, für die uns Viacom aktuell klagt, von ihnen selbst hochgeladen worden."

YouTube hat in der Zwischenzeit die meisten Inhalteanbieter dadurch auf seine Seite gezogen, dass es ihnen einen Anteil an den Werbegeldern überlässt. Außerdem hat die Site ein Inhalte-Erkennungssystem der Firma Audible Magic eingesetzt, das unlizenzierten Content automatisch löscht.

(AP/futurezone)