Konsumentenschützer warnen vor ACTA
Der Transatlantic Consumer Dialogue (TACD), eine Plattform führender Konsumentenschutzorganisationen aus EU und USA, hat am Montag scharf vor den Konsequenzen des im Geheimen verhandelten Anti-Piraterie-Abkommens Anti Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) gewarnt. Eine parlamentarische Anfrage der SPÖ bei heimischen Ministerien brachte unterdessen wenig Neues.
Zu den Mitgliedern des TACD gehören auch der EU-Konsumentenschützerdachverband BEUC, der heimische Verein für Konsumenteninformation (VKI) und der deutsche Verbraucherzentrale Bundesverband.
Sorgen bereitet den Konsumentenschützern vor allem, dass die geheimen ACTA-Verhandlungen, für die auf EU-Seite Handelskommissar Karel de Gucht zuständig ist, vollkommen an jeder demokratischer Kontrollinstanz vorbei verlaufen: "Mit ACTA soll ein internationales Herrschaftsmodell installiert werden, das die normalen Abläufe in multilateralen Institutionen, im Europaparlament und in den Nationalstaaten umgeht", heißt es in der Erklärung unter dem Titel "Die umfangreichen Bedrohungen durch ACTA".
Haftbarmachung von Providern
ACTA sei, so die Konsumentenschützer weiter, eine "riesige protektionistische Initiative zur Verteidigung einiger weniger wirtschaftlicher Interessen in den reichsten Ländern", die dazu führen werde, dass der Zugang zu Informationen und wichtigen Gütern wie Medikamenten in den armen Ländern weiter eingeschränkt werde. Dazu kämen noch die in ACTA vorgesehenen "drakonischen Kontrollmethoden" an den Grenzen.
Einer der wenigen öffentlich bekannten und offiziell bestätigten Punkte aus den ACTA-Verhandlungen ist, dass die USA und die EU die Internet-Provider für die Inhalte in ihren Netzen verantwortlich machen wollen. "ACTA versucht, die Provider haftbar zu machen und damit die Installation von Inhaltefiltern zu fördern", schreibt der TACD, "diese Maßnahmen würden die Provider zu einer Art Privatpolizei machen. Die Privatisierung der Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte, die hier als 'Selbstregulierung' bezeichnet wird, würde auf eine umfassende Überwachung des Internet hinauslaufen und die Privatsphäre der Bürger unterminieren."
Filtern und Blockieren
Weiter: "ACTA wird dazu führen, dass Filtern und Blockieren von digitalen Ressourcen im Namen des Schutzes des geistigen Eigentums blockiert wird. Es wird direkte negative Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit und Kommunikation haben. Mit ACTA könnte die EU ihre moralische Legitimität verlieren, auf deren Grundlage sie für die Menschenrechte eintritt." Auch auf den internationalen Handel würden die geplanten Verschärfungen der Grenzkontrollen negative Auswirkungen haben.
Für heute, Montag, hat die EU-Kommission in Brüssel eine Informationsrunde für Interessengruppen angesetzt, die auch Vertretern der Zivilgesellschaft und Konsumentenschützern offensteht. Die nächste Runde der ACTA-Verhandlungen wird vom 12. bis zum 16. April in Neuseeland stattfinden. Wie das TACD-Mitglied Knowledge Ecology International herausfand, wird das Treffen im Intercontinental Hotel in Wellington stattfinden.
Wie der kanadische Copyright-Experte Michael Geist schreibt, ging die Geheimniskrämerei der Verhandler so weit, dass die neuseeländische Regierung nicht einmal den Verhandlungsort bekanntgeben wollte. Immerhin werde es diesmal aber am 13. April ein Treffen geben, anlässlich dessen interessierte Gruppen mit den Verhandlern zusammenkommen würden.
Anfrage in Österreich
Der SPÖ-Nationalratsabgeordnete und Konsumentenschutzexperte Johann Maier hatte im Jänner eine parlamentarische Anfrage bezüglich ACTA an verschiedene österreichische Ministerien gestellt. Bisher haben Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) und Justizministerin Claudia Bandion-Ortner auf die Anfrage geantwortet. Die Texte der Ministerien beschränken sich weitestgehend auf die Wiedergabe die bereits von der EU-Kommission verlautbarten Standardantworten, darunter auch auf das Statement, dass ACTA nicht über das geltende EU-Recht hinausgehen werde.
Die Haftbarmachung der Internet-Provider für ihre Inhalte würde allerdings eine glatte Umkehr des bisherigen EU-Rechts, in diesem Fall der E-Commerce-Richtlinie, bedeuten. Für ACTA sind in Österreich das Wirtschaftsministerium, das Justizministerium, das Finanzministerium und das Verkehrsministerium zuständig. Vertreter dieser Ministerien seien, so die Antwort des Wirtschaftsministeriums, in die "formellen und informellen Meetings in Brüssel" eingebunden. Die Kommission habe ansonsten "bei zahlreichen Anlässen" das EU-Parlament und die Stakeholder informiert.
Das EU-Parlament sieht sich von der Kommission nicht ausreichend ins Bild gesetzt, zumal es nach zwei Jahren immer noch keine belastbaren Texte aus den Verhandlungen vorgelegt bekommen hat, wie in Debatten von Anfang März deutlich wurde. Es hat am 10. März mit überwältigender Mehrheit die Kommission dazu aufgefordert, das Parlament präzise über die Verhandlungen und die dazugehörigen Texte zu informieren und die Volksvertretung an den Verhandlungen zu beteiligen.
Nun liegt der Ball bei EU-Chefunterhändler De Gucht - und beim EU-Ministerrat, welcher der Kommission das Verhandlungsmandat erteilt hat. De Gucht hat anlässlich einer Debatte am 9. März den Parlamentariern zugesichert, dass er sich für eine Öffnung der Verhandlungen einsetzen werde. Dazu ist er aber freilich auf die Zustimmung sämtlicher anderen ACTA-Unterhändler angewiesen.