Geocaching: Schatzsuche mit Suchtpotenzial
Muggles, Tradis, Schwarzcachen: Wer diese Begriffe nicht kennt, hat offenbar noch nie einen Geocache gehoben. Geocaching, der Freizeitsport, der Natur und Kultur mit Technik und Rätselspaß vereint, wird weltweit von immer mehr Begeisterten ausgeübt. ORF.at hat sich die Welt des Geocachings näher angesehen, das auch hierzulande vor zwei Jahren einen Hype auslöste.
Neben den Geocaching-Datenbanken existieren zahlreiche Informationsportale. Hier eine Auswahl deutschsprachiger Sites:
Nach monatelangem Sonnendefizit treibt der Frühling die Menschen wieder hinaus ins Freie. Eine gute Gelegenheit, ausgedehnte Spaziergänge und Wanderungen mit einem Ziel zu verbinden: nämlich dem Geocachen. Grundlage für den Freizeitsport mit hohem Suchtfaktor ist der Cache, also der verborgene Schatz. Den gilt es zu finden, wobei das Ziel weniger der Schatz an sich ist, sondern der Ort, an dem er versteckt ist.
"Es gibt drei wesentliche Kriterien für einen guten Geocache: Location, Location und Location", erklärt Roman Temper, Österreich-Reviewer der weltweit größten Geocache-Datenbank Geocaching.com. "Dies ist allgemein nicht so bekannt, aber es geht darum, den Leuten einen besonderen Ort zeigen zu wollen", wie etwa eine schöne Aussicht, einen idyllischen Wanderweg und eine Sehenswürdigkeit.
Anfänge des Geocachings
Die Idee des Geocachens kommt ursprünglich aus Finnland. In den 80er Jahren hatte Nuuksion Metsäsissit die Idee, einen Behälter mit Notizbuch und Tauschgegenstand zu verstecken. Die Geokoordinaten teilte er damals nur seinem Bekanntenkreis mit. Einen Hype erfuhr Geocaching, nachdem die künstliche Verschlechterung des GPS-Signals im Mai 2000 unter US-Präsident Bill Clinton abgedreht wurde. Damit wurde die Positionsbestimmung für nicht militärische Nutzer von rund 100 Meter auf etwa zehn Meter erhöht.
Der US-Amerikaner Dave Ulmer schlug daraufhin in einer Usenet-Newsgroup ein weltweites Spiel vor. Ulmer war es auch, der den ersten Geocache versteckte. Der Rest des Caches (eine Dose Bohnen) wird heute wie ein Heiliger Gral verehrt und von Event zu Event gefahren, um ihn zu präsentieren. Auf dem Originalschauplatz in Portland, USA, erinnert nur noch eine Gedenktafel an den ersten Geocache.
Strenge Regeln
Dieser Grundgedanke der elektronischen Schatzsuche ist darüber hinaus mit einem sehr umfangreichen Regelwerk ausgestattet, dass es einzuhalten gilt, auch wenn die eigene Terminologie den Spielcharakter betont und für Außenstehende etwas eigentümlich wirkt. Eingefleischte Geocacher nehmen ihr Hobby sehr ernst und auch Neulingen wird das sehr ans Herz gelegt.
Um in die Welt des Geocachings einzutauchen, ist zuerst die Registrierung auf einer Geocacher-Plattform im Internet notwendig. Danach wird ein Cache in der gewünschten Umgebung ausgewählt. Die Vielfalt der Caches reicht von Traditionals (Tradis), Traveller-Caches (Inhalt wandert), CITO-Events (Cache-in-Trash-out) bis hin zu Mystery- (Rätsel) und Webcam-Caches. Zu finden sind sie überall, in der Stadt wie auf dem Land, unter Wasser und auch im Gebirge.
Muggles und Logbuch
Anhand der geografischen Koordinaten, die bei jeder Cache-Beschreibung ein "Must" sind, kann der Schatz mittels GPS und Karte lokalisiert und an Ort und Stelle unauffällig gehoben werden. Unauffällig deshalb, um den "Muggles" nicht aufzufallen, also jenen Personen, die Geocaching nicht kennen. Der Begriff stammt aus der Fantasyserie "Harry Potter". "Wichtig ist das insbesondere beim Zurücklegen des Cashes, denn die Menschen könnten sich daraus einen falschen Reim machen", erklärt Temper gegenüber ORF.at. In Deutschland hätten etwa Geocaches schon zu stundenlangen Sperren durch die Polizei wegen Bombenverdachts geführt.
Danach erfolgt die Eintragung im Logbuch, das neben der witterungsbeständigen wasserdichten Dose Grundbestandteil eines jeden Caches ist. "Das Logbuch – ein Notizbuch oder Papierstreifen – ist der einzige wirkliche Beweis, dass man den Schatz gefunden hat", erklärt Temper. Optional kann sich auch noch ein Tauschgegenstand in der Dose befinden, wobei bei einer Entnahme unbedingt ein Ersatzgegenstand hineingelegt werden muss.
Tauschobjekte für Kinder
Danach wird der Cache wieder möglichst unbeobachtet zurückgelegt. Die Hebung wird schließlich auch noch auf der Internet-Plattform dokumentiert, quasi als Anerkennung für die Person (Owner), die den Cache versteckt hat. Dafür gebe es eine "moralische Verpflichtung" heißt es aus der Community. Wer nicht loggt, ist ein "Schwarzcacher". Für jeden gefundenen Cache gibt's einen Punkt, der einem anschaulichen Ranking der Community dient.
"Die Tauschgegenstände sind ein Aspekt, der insbesondere für Kinder interessant ist", so Temper. Das Hobby werde zumeist gemeinsam mit der Familie ausgeübt. Laut einer Umfrage unter den deutschsprachigen Geocachern ist der Durchschnitt männlich, 36 Jahre alt, lebt in einer Partnerschaft und hat ein Kind. Zudem zeichnet Geocacher ein "höheres Bildungsniveau" und eine "hohe Affinität zu Technik und Natur" aus.
Suchtpotenzial
Wie hoch das Suchtpotenzial von Geocaching ist, zeigt der Zeitaufwand, der dafür geopfert wird. Im Durchschnitt wird ein Schatz pro Woche gesucht. "Der klassische Geocacher sucht sich auch seinen Urlaubsort nach der Geocache-Dichte aus", so Temper. "Großes Ziel ist, dort wo man hinfährt, die Landkarte leerzucachen." Leider zähle hier Quantität oft mehr als Qualität, bedauert Temper.
Der Reiz des Spiels liege am spielerischen Aspekt in Kombination mit der Natur, meint Temper. "Man sieht ein Ziel dahinter, sich in die freie Natur zu begeben - nämlich die Statistik zu bedienen." Dazu käme der kindliche Spielfaktor: "Man wird wieder zum Kind, das sich daran erfreut, einen verborgenen Schatz zu finden."
Geocaching.com bietet die größte Auswahl an Caches weltweit, etwa auch in Afghanistan, Afrika und Kuba, wo an sich GPS-Geräte nicht erlaubt sind.
Geocaching.com dominiert
2001 wurde der erste Geocache in Österreich versteckt, mittlerweile sind knapp über 11.000 bei Geocaching.com gelistet. Die kommerzielle Plattform ist mit etwa einer Million Caches weltweit die größte und dominiert den Markt weitaus. Seit etwa zwei Jahren sei ein rasantes Steigen an Geocaches in Österreich zu beobachten. "Mitte 2007 waren es etwa fünf Listings pro Tag, heute sind es zwischen 30 und 80", erzählt Temper. In Summe gebe es geschätzte 2.000 bis 3.000 aktive Schatzsucher hierzulande.
Die Alternativen wie Opencaching, NaviCache und TerraCaching verfolgen dasselbe Prinzip der Schatzsuche (Dose und Logbuch), sind jedoch regional eingeschränkt und haben unterschiedliche Richtlinien. Häufig werden Caches – sofern von der Site erlaubt – auch mehrfach auf verschiedenen Plattformen gelistet.
Wer plant, selbst einen Cache zu verstecken, sollte sich die Guidelines der einzelnen Plattformen unbedingt genauer ansehen. "Ganz wichtig ist, dass zuerst einmal einige gesucht werden, bevor man selbst einen versteckt", meint Temper. Newbies würden dabei Erfahrungen sammeln und die Qualität der Caches wesentlich verbessern.
Eine Übersicht aller Opencaching-Plattformen in Europa:
Weitere Alternativen mit geringer Präsenz in Europa beziehungsweise Österreich sind:
Alternative: Opencaching.de
Platz zwei im Geocaching-Ranking besetzt Opencaching.de. Die nicht-kommerzielle Plattform basiert auf Open-Source-Software und führt – wie alle Alternativen zu Geocaching.com – noch ein Schattendasein. Die freie Plattform ist zahlenmäßig noch sehr unterlegen. Für den Raum Wien werden, so schätzt Temper, etwa 300 bis 500 Caches angeboten.
Im Gegensatz zu Geocaching.com gibt es bei Opencaching.de jedoch keinen Reviewer. Dieser prüft etwa die formale Richtigkeit eines Geocaches, bevor er veröffentlicht wird. Darüber hinaus ist der Download von GPX-Files bei Opencaching.de kostenfrei. Das Datenformat GPX zur Speicherung von Geodaten beinhaltet etwa die Koordinaten und Beschreibungen der Caches und lässt sich mit der entsprechenden Software von PC, Smartphone oder GPS-Gerät lesen.
Statistiken zur Geocacher-Szene in Österreich bietet Aj-gps. Die Site bezieht die Daten von Geocaching.com. Darüber hinaus lässt sich eine Karte mit den Daten sämtlicher Caches in Österreich von Geocaching.com, NaviCom und Opencaching abrufen. Auch die Liste mit Links diverser Online-Karten, wie etwa vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen, könnte dem Geocacher nützlich sein.
GPS-Geräte und Smartphones
Ein wesentlicher Bestandteil des Geocachings sind die GPS-Koordinaten, "sonst wäre es nur eine einfache Schnitzeljagd", erläutert Temper. GPS-Smartphones würden sich für traditionelle Caches in der Stadt eignen, seien aber auf dem Land und im Gebirge eher weniger gebräuchlich, da sie zu ungenau seien. Während GPS-Geräte bis zu zwei bis fünf Meter Toleranz hätten, reiche sie bei Smartphones nur bis zu zehn bis zwanzig Meter.
Am häufigsten würden GPS-Geräte von Garmin verwendet. Temper empfiehlt hier das Modell Oregon, der gemeinsam mit Groundspeak, dem Unternehmen hinter Geocaching.com, entwickelt wurde. Anwendungen für Smartphones gebe es aber auch für alle gängigen Systeme wie iPhone, Android, BlackBerry und Windows Mobile. Diese würden sich vor allem bei Multicaches - Wege, wobei zumeist bei jedem Wegpunkt die Koordinaten für die jeweils nächste Station bekannt gegeben werden - bezahlt machen.
Von Vorteil sei auch ein eingebautes Gyroskop, ein Kreisel, der die Relation zum Erdmittelpunkt messe. Mit dem Dreiwegekompass müsse das Gerät nicht mehr genau waagrecht gehalten werden, um genaue Daten zu erhalten. Die neuesten Geräte von Garmin seien damit ebenso ausgestattet wie etwa auch das iPhone 3GS.
Auf der Suche nach einem Cache
User "Crisix", der bereits seit 2005 in der Szene unterwegs ist, ließ sich beim Cachen auf dem Wiener Brunnenmarkt begleiten und verriet dabei einige Tipps. "Oase im Brunnenmarkt" hieß der "Traditional", den es zu heben galt. Ausgestattet mit einem Garmin Geko 201 und einem Ausdruck der Beschreibung des Caches wird auf dem Yppenplatz gestartet.
Nach dem Einschalten findet der GPS-Empfänger gerade einmal vier der 24 möglichen Satelliten. "Vier erwischt man immer", so Crisix. Je mehr, desto genauer würden die Angaben. Bei gutem Empfang, das heißt wolkenlosem Himmel und wenigen Gebäuden, die die Signale reflektieren könnten, erreiche die Toleranz bis zu vier Meter. "Crisix" füttert den Geko 201 mit den Zielkoordinaten des Caches.
Der Weg führt in die Brunnengasse, ein Detail, das in der Beschreibung bekanntgegeben wurde. Eine Orientierung gibt auch die Markierung auf der bei Geocaching.com implementierten Karte von Google. Die Meter zum Ziel verringern sich laut Geko 201, was bedeutet, dass die Himmelsrichtung stimmt. "Leider verfügt das Gerät über keinen Kompass, was besonders am Land Vorteile bringt", meint "Crisix".
Der belebte Markt ist von Muggles übersät. "Oft ist es besser, wenn es viele Muggles sind, als wenn nur einzelne Personen anwesend sind", erklärt "Crisix". In der Menge falle der Geocacher weniger auf. Im Viermeterradius angekommen, ist die Lokalisierung des möglichen Verstecks aufgrund des Geocache-Namens nahe liegend. Nicht erwünscht sei es, das Versteck im Online-Logbuch zu verraten oder zu fotografieren, erläutert "Crisix".
Der Cache wurde mit nur einem Stern für Terrain – somit auch mit dem Rollstuhl erreichbar – und zwei Sternen für Schwierigkeit ausgezeichnet. Wer den Ort nicht findet, kann in diesem Fall auch auf den Hinweis (Hint) in der Geocache-Beschreibung zurückgreifen, ein mit einem Rotation-13-Key verschlüsselter Hinweis. "Er ist deshalb verschlüsselt, damit Leute, die ohne arbeiten wollen, ihn nicht gleich lesen können", meint "Crisix".
Am Ort angekommen, beginnt die Suche nach dem Micro-Cache, eine in der Stadt sehr häufig verwendete Größe, zumeist eine Filmdose. "Sehr begehrt sind Neodyn-Magnete, um die Geocaches zu befestigen", erläutert "Crisix". Nebenbei bemerkt: die Caches dürfen auf keinen Fall vergraben werden oder Personen dazu nötigen, etwas Illegales zu machen, was nicht bedeuten muss, dass er "nicht gefährlich sein kann", wenn er etwa in einer Felsspalte in den Bergen versteckt ist.
"Nachdem der Cache unauffällig gehoben wurde, soll man sich vom Ort entfernen und erst dann die Dose öffnen", so "Crisix". Gesagt, getan. Wie erwartet, befindet sich ein schmaler Papierstreifen in der Dose, der den Geocache als solchen auszeichnet. "Crisix" trägt seinen Nickname und Datum ein. Wenn der Zettel voll ist, wird er vom Owner – der Person die den Cache gelegt hat – erneuert, denn Geocaching.com erlaubt nur Caches, die auch von jemand gewartet werden. Somit sind Caches, die während des Urlaubs spontan versteckt werden, nicht erlaubt.
Unauffällig wird der Geocache wieder zurückgelegt, wiederum eine Herausforderung aufgrund der zahlreichen Muggles. Der Rest passiert zuhause vor dem Computer. "Crisix" loggt den Fund auf der Plattform, erhält damit einen weiteren Punkt und rückt damit der 300er-Grenze wieder ein Stückchen näher.
Megaevent
Auf dem Programm des Megaevents für Geocacher in Salzburg steht auch ein CITO. Beim Cache-in-Trash-out steht der Naturgedanke im Vordergrund. Geocacher befreien ein bestimmtes Areal von Müll und verstecken in Gedenken daran einen Cache.
Wirtschaftsfaktor Geocaching
Geocacher veranstalten auch gerne Treffen. Neben diversen Stammtischen, die auf den Internet-Portalen angekündigt werden, gibt es heuer auch zum zweiten Mal einen Megaevent. Vom 28. bis 30. Mai veranstalten lokale Geocacher ein Treffen in Zell am See/Kaprun. "Heuer werden 1.500 Geocacher erwartet", so Gerhard Laga, bei der WKO für E-Business und E-Government verantwortlich. Die Veranstaltung beziehungsweise Geocaching sei damit bereits "ein Faktor für den Bereich Tourismus".
"Mir ist auch schon die Ajatollah-Mentalität in der Szene aufgefallen", meint Laga, weshalb auch wichtig sei, dass "die Wirtschaft Geocaching so akzeptiert, wie es ist, und nicht für sich vereinnahmt". Ein Problem sei etwa, wenn zu Werbezwecken eine Dose vor dem eigenen Geschäft platziert werde. Als Negativbeispiel nennt er auch die CDU-Wahlkampagne im vergangenen Jahr. In den Geocaches wurden Werbeartikel versteckt und mit dem Spruch "Es ist für jeden etwas drinnen" versehen. Damit sei gegen die Tauschregel verstoßen worden.
"Ich habe bisher etwa 300 gefunden und ich bin auch schon süchtig danach", gesteht Laga, der seit zwei Jahren cacht. Der Antrieb sei das Erfolgserlebnis. Einsteigern rät auch Laga, am besten mit einer bereits erfahrenen Person mitzugehen und den Geocache gemeinsam zu heben. "Beim ersten Mal habe ich den Geocache gar nicht gefunden. Von Leuten, die das schon länger machen, kann man sehr viel lernen."
(futurezone/Claudia Glechner)