© ORF.at/Nadja Igler, Neuxs One, HTC Legend und iPhone

HTC Legend: Für Apples iPhone wird es eng

SMARTPHONES
31.03.2010

Das HTC Legend ist ein gelungener Versuch, Liebhaber von Unibody-Gehäusen nicht nur optisch anzusprechen. Das Betriebssystem Android wurde mit HTCs hauseigener Benutzeroberfläche Sense gelungen und benutzerfreundlich modifiziert. Den Vergleich zu Googles "Superphone" Nexus One und Apples iPhone braucht das Legend nicht zu scheuen - ganz im Gegenteil.

Seit Apple vor nunmehr bald drei Jahren sein erstes iPhone auf den Markt gebracht hat, mühen sich die Handyhersteller ab, Geräte mit vergleichbarer Benutzerfreundlichkeit und ähnlichem Hypefaktor auf den Markt zu bringen - zum größten Teil vergeblich. Mit dem Legend schickt sich der taiwanesische Hersteller HTC nun an, dem iPhone ernsthaft Konkurrenz zu machen. Gemeinsam mit dem Modell Desire läuft das Legend zudem auch Googles Nexus One den selbst verliehenen Rang des "Superphones" ab.

Hardware-seitig steht das HTC Legend dem iPhone näher als dem "Google-Phone" Nexus One beziehungsweise dessen direktem Klon Desire (für den Test stand ein Nexus One, jedoch kein Desire zur Verfügung, Anm.) - das "Google-Phone" Nexus One wird auch von HTC hergestellt. Im Legend werkt ein Prozessor von Qualcomm, der wie die ARM-CPU des iPhone mit 600 MHz getaktet ist, der Qualcomm-Prozessor im Nexus One läuft wie im HTC Desire mit einem GHz. Alle drei Geräte sind multitouchfähig und nutzen einen kapazitiven Touchscreen ohne Tastatur.

AMOLED ist der neue Standard

Das 3,2 Zoll große AMOLED-Display des Legend hat eine Auflösung von 320 mal 480 Pixel (HVGA), die Kamera kann Bilder mit einer Auflösung von bis zu fünf Megapixel aufnehmen. Das 3,7 Zoll große AMOLED-Display des Nexus One hat mit 480 mal 800 Pixel eine deutlich höhere Auflösung, ist aber selbst in der höchsten Helligkeitsstufe etwas dunkler als das des Legend. Dafür erscheint die Farbwiedergabe des Nexus One etwas natürlicher. Bei voller Helligkeit sind beide Displays im Sonnenschein trotz spiegelnder Oberfläche halbwegs lesbar.

Die Kamera des Nexus One hat ebenfalls einen Sensor mit fünf Megapixel Auflösung, verfügt aber zusätzlich zu Autofokus und Blitz auch über ein zweifaches digitales Zoom. Die Bilder des Nexus One haben einen leichten Grünstich und sind im Vergleich zu denen des Legend bei vergleichbaren Einstellungen deutlich dünkler.

Kleine Unterschiede in der Hardware

Das ROM ist bei beiden Geräten mit 512 MB gleich groß, der Arbeitsspeicher des Legend mit 384 MB jedoch um 128 MB kleiner als der des Nexus One. Das Desire hat 576 MB Arbeitsspeicher. Mit 126 Gramm und 56,3 mal 112 mal 11,5 Zentimetern (Breite, Höhe, Tiefe) ist das Legend geringfügig leichter und kleiner als das Nexus One. Legend, Desire und Nexus One nutzen MicroSD-Karten als Speichermedium.

Optische Maus und Farbmeldungen

Das Nexus One hat im Gegensatz zu Legend und Desire keine physischen Tasten, dafür verfügt es über einen Trackball, der je nach Systemnachricht in verschiedenen Farben leuchtet. Beim Legend ist statt des Trackballs eine "optische Maus" am unteren Teil des Gehäuses angebracht. Bei Systemnachrichten leuchtet hier eine LED nahe der Hörmuschel. Die "virtuellen" Tasten des Nexus One sind im Vergleich zum Legend mühsamer in der Bedienung, da sie nicht immer reagieren.

Maus und Trackball, die jeweils zur Eingabebestätigung auch zum Klick ins Gehäuse eingedrückt werden können, funktionieren bei beiden Geräten gut, wobei der Trackball allein durch seine Form dem Nutzer besseres Feedback gibt. Beide Geräte liegen gut in der Hand, das Kippen des Bildschirms funktioniert wie gewohnt nur in eine Richtung: nach links.

Micro-USB wird endlich Standard

Legend und Nexus One (sowie das Desire) haben jeweils eine 3,5-mm-Klinke für Kopfhörer und einen Micro-USB-Anschluss (5-polig) zum Aufladen und haben auf der Rückseite einen Lautsprecher integriert, wobei der des Legend etwas lauter erscheint als der des Nexus One. Die Handys haben einen Nähesensor, einen Umgebungslichtsensor, einen digitalen Kompass und einen Beschleunigungssensor. Das Nexus One hat auf der Rückseite noch ein zweites Mikrofon eingebaut, das vor allem bei der Sprachsteuerung störende Nebengeräusche herausfiltern helfen soll, und an der Unterseite Anschlussstellen für ein Dock. Alle Geräte haben zudem WLAN und integriertes GPS.

Hardware ist bei Smartphones jedoch nur ein Teil des Systems, einen viel größeren Anteil am Gebrauchswert hat die Software - und hier tun sich zwischen dem Legend und dem Nexus One spürbare Gräben auf. Legend, Desire und Nexus One basieren auf der jüngsten Android-Version 2.1. Damit enden die Gemeinsamkeiten im Großen und Ganzen auch schon wieder, denn Google hat für das Nexus One einige Features reserviert, die hierzulande vorerst nur bedingt nutzbar sind. HTC hat Android dafür gekonnt und an den richtigen Stellen aufpoliert.

Extrawürste für das Nexus One

Die optische Aufmachung ist Geschmackssache, das Nexus One gibt sich nüchtern, das Legend mit der von HTC entwickelten Sense-Oberfläche wirkt etwas frischer. Insgesamt gibt es beim Nexus One fünf, beim Legend sieben Screens, die der Nutzer mit verschiedenen Widgets und oft genutzten Programmen nach Wunsch belegen kann. Die Live-Hintergrundbilder wie das bewegte Wasser sind auf dem Legend nicht zu finden. Dafür haben Desire und Legend ein FM-Radio spendiert bekommen.

Auch die 3-D-Optik im Hauptmenü, die den Anschein vermittelt, dass die Symbole auf einer Rolle gedreht werden, gibt es beim Legend nicht - ebenso wenig wie die 3-D-Effekte in der Bildergalerie und die Sprachsteuerungen, etwa bei der Navigationssoftware Car home und der Google-Suche. Das Fehlen der Sprachsteuerung auf dem Legend ist größtenteils verschmerzbar, weil sie bisher vor allem auf Englisch funktioniert und noch sehr ausbaufähig ist.

Dafür belegt die dazugehörige Taste auf der Nexus-Tastatur den Platz, den etwa der Beistrich hätte einnehmen können - ein im Alltag doch nicht ganz unwichtiges Satzzeichen. Auf dem iPhone gibt es in der SMS-Anwendung allerdings gleich gar keine Satzzeichen auf der ersten Ebene, hier muss sogar für den Punkt per Umschalttaste auf die zweite Ebene gewechselt werden.

Durchdachte Tastatur

Die Tastatur des HTC Legend ist besser durchdacht: Einerseits gibt es wie beim iPhone und beim Nexus One Doppelbelegungen. Verweilt der Finger des Nutzers länger auf einer Taste, kann er etwa ein i oder ein e mit Akzent eingeben. Zusätzlich sind beim Legend die Tasten aber auch mit nützlichen Zeichen wie @, / oder Zahlen belegt, so dass man nicht immer auf eine andere Ebene umschalten muss, um etwa ein Smiley einzugeben - wobei es beim Nexus One in der SMS-Applikation eine eigene Smiley-Taste gibt. Die gibt es auch beim Legend, allerdings erst auf der dritten Ebene - wie das Euro-Zeichen.

Feature für Soziale Netzwerke

Sehr nützlich ist die Funktion Kopieren/Nachschlagen/Teilen, die im Browser des Legend bei längerem Druck auf ein Wort erscheint. Einerseits können damit Wörter und Sätze in die Zwischenablage kopiert werden, andererseits auch direkt in der Wikipedia nachgeschlagen beziehungsweise vom Google-Übersetzer oder Wörterbuch bearbeitet werden.

Für Nutzer von Microblogging-Netzwerken ist die Teilen-Funktion interessant: Damit können Wörter oder ganze Sätze mit automatisch verkürzter URL per E-Mail, SMS oder Twitter verschickt werden - ohne dass der Browser dafür geschlossen und ein anderes Programm aufgemacht werden muss. Facebook ist auf beiden Geräten vorinstalliert, wobei auf dem Legend mit dem Friendsstream-Widget Facebook- und Twitter-Meldungen zusammengefasst werden können.

Lesefreundlichkeit im Fokus

Praktisch, wenn auch gewöhnungsbedürftig ist die sehr rigorose Neuskalierung von Texten im Browser bei Doppelklick auf eine Website: Ganze Absätze werden dabei neu formatiert und die Schriften stark vergrößert, um die Lesefreundlichkeit zu erhöhen. Beim Vergrößern mittels Gesten versucht das Legend, den Text möglichst so auf dem Schirm zu zentrieren, dass er lesefähig bleibt.

Die Surf-Geschwindigkeitkeit des Legend ist gut, das Nexus One ist aber schneller - hier darf man vor allem auf einen direkten Vergleich zwischen Nexus One und Desire gespannt sein. Das Legend kann im Gegensatz zu Nexus One und iPhone Flash verarbeiten, was die Performance des Browsers allerdings auch ein wenig verlangsamt.

Exchange mit Hindernissen

Sowohl Legend als auch Nexus One unterstützen wie das iPhone Microsoft-Exchange-Konten mit Push-Funktion, das Nexus One allerdings mit eingeschränkter Funktionalität. Begrenzt sind auch die Möglichkeiten, Kalender und Kontakte von einem lokal installierten Outlook auf ein Nexus One zu überspielen: Das geht nur über die Nutzung eigener Google-Tools wie Calendar Sync oder über Software von Drittherstellern. HTC legt seinem Legend auf der Speicherkarte eine eigene Sync-Software bei, die zwar mit der Vorabversion Office 2010 nur mit einer modifizierten Exe-Datei, ansonsten aber klaglos funktioniert und Termine und Kontakte synchronisiert.

Das iPhone wird langsam alt

In Sachen Usability steht das HTC Legend dem iPhone um nichts nach und macht einige Dinge sogar besser, wie etwa die Neuskalierung von Websites und die ausgebaute Copy&Paste/Share-Funktion. In den knapp drei Jahren seit seiner Einführung hat Apple sein Handy mit diversen Software-Updates zwar immer wieder verjüngt und dabei Standards gesetzt, doch die Hardware sieht langsam alt aus, und die Mitbewerber setzen mittlerweile gezielt und mit Aussicht auf Erfolg zum Überholen an. Kein Wunder, dass Apple HTC mit Patentklagen eindeckt.

Optisch muss sich das HTC Legend mit seinem aus einem Stück Aluminium gefertigten Gehäuse vor dem iPhone nicht verstecken, sondern löst viel eher den "Will haben"-Reflex aus. Auch das Desire wird selbst bei eingefleischten iPhone-Nutzern seinem Namen gerecht. Mit dem größeren Schirm und dem deutlich schnelleren Prozessor sowie den HTC-eigenen Features der Sense-Oberfläche könnte das Desire dem iPhone noch gefährlicher werden als das Legend.

Die Konkurrenz holt auf

Apple wird sich abseits seiner Patentklagen etwas Konstruktiveres einfallen lassen müssen, um HTC und Konsorten auf Abstand halten zu können. Denn auch die Motorola-Geräte, die auf der Handymesse in Barcelona zu sehen waren, sahen mit ihrem Android-Betriebssystem vielversprechend aus.

Wenn jetzt noch die Entwicklung der Android-Apps und vor allem der Spiele für Android anzieht, könnte das Linux-basierte Betriebssystem dem iPhone nachhaltig Konkurrenz machen - ab Herbst dann vielleicht mit Unterstützung durch die Windows Phones. Allerdings könnte Apple beziehungsweise sein Chef Steve Jobs nach dem iPad bis dahin schon wieder etwas ganz anderes im Schilde führen. Für Juni wird der Tradition folgend vorerst ein neues iPhone erwartet, letzten Gerüchten zufolge mit doppelter Bildschirmauflösung im Vergleich zum jetzigen Modell.

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(futurezone/Nadja Igler)