SWIFT-Affäre: Showdown in Madrid
In Madrid beginnt am Donnerstag ein hochrangiges transatlantisches Treffen zu den Streitthemen Austausch von Finanztransfer- und Flugpassagierdaten. Die US-Unterhändler sind Heimatschutzministerin Janet Napolitano und Justizminister Eric Holder. EU-Parlamentarier Ernst Strasser (EVP) über die Position der Europäer.
In diesen für drei Tage anberaumten Verhandlungen geht es um den transatlantischen Austausch von Daten sowie von weiteren Daten und außerdem den Fluss von Daten in die Gegenrichtung. Anders gesagt: Es wird auf zweithöchster Ebene über Passagier- und Finanzdatentransfers diskutiert, die in der jüngeren Vergangenheit völlig einseitig verlaufen waren, zum wachsenden Unmut der Europäer.
Die späte Folge war bekanntlich ein Veto des Parlaments Anfang Februar 2010 gegen den noch vom EU-Ministerrat ausgehandelten SWIFT-Vertrag mit den USA, der im Wesentlichen eine Fortschreibung der bisherigen Interimsverträge darstellte. Jetzt bestehen die Europäer darauf, dass europäische Datenschutzgesetze eingehalten werden und diese Abkommen in beide Richtungen gelten müssen.
Hochrangige Nichtankündigung
Von US-Seite werden Napolitano und Holder gestellt, ihnen gegenüber sitzen Justizkommissarin Viviane Reding und Cecilia Malmström, zuständig für das Ressort Inneres und Sicherheit. Dazu kommen die Innen- und Justizminister von Mitgliedsstaaten, hochrangige Vertreter der spanischen Ratspräsidentschaft, EU-Ratspräsident Herman van Rompuy sowie hochrangige Ministerialbürokraten beider Verhandlungsseiten.
Für eine solch illustre, transatlantisch besetzte Runde, die obendrein die mithin wichtigsten Streitpunkte zwischen Europa und den USA der letzten sieben Jahre beilegen soll, ist die Ankündigungspolitik auffallend dürftig. Auf der Website des Heimatschutzministeriums wie jener der spanischen Ratspräsidentschaft findet sich je ein Absätzchen, ohne ein Wort zu Inhalt, Sinn und Zweck des Treffens zu verlieren.
Ankündigungspolitik
"Anders als beim ersten Versuch zeigen sich Kommission und Präsidentschaft diesmal sehr gut vorbereitet", sagte der EU-Abgeordente Strasser (EVP) zu ORF.at. Die beiden Institutionen hätten sich nämlich der Resolution des Parlaments angenähert, sowohl was das Ausmaß der übertragenen Daten als auch deren Speicherdauer betreffe, sagte Strasser, der für die EVP-Fraktion im EU-Parlament zum Thema SWIFT zuständig ist.
Die Abkommen SWIFT und PNR
Bei der allmählich verwirrenden Vielzahl von Interimsabkommen bezüglich der Flugpassagier- und Finanztransferdaten (Passenger Name Records, PNR bzw. SWIFT) hier eine stark verkürzte Version des Ablaufs seit 2003:
Für die Speicherdauer für Flugpassagierdaten in den USA war einmal von sieben Jahren, dann von der Hälfte die Rede, bevor sie als "gelöscht markiert" wurden. Die Meldefrist für Flugpassagierdaten wurden seitens der USA laufend vorverlegt, die Datenfelder immer umfangreicher.
Beide Abkommen sehen vor, dass die Daten von den USA an Drittstaaten weitergegeben werden können, außerdem sind vor US-Gerichten keine Klagen dagegen möglich. Diesen Zustand zu beenden ist das erklärte Ziel der Europäer, und darum heißt der wichtigste Begriff aus dem diplomatischen Argot denn auch "Reziprozität", also Wechselseitigkeit als Grundsatz, im Gegensatz zum bisherigen "unilateralen" Vorgehen der USA.
Im Falle SWIFT hatten die USA zwar mehrmals deutlich gemacht, dass auch bilaterale Abkommen abgeschlossen werden könnten. Grob übersetzt heißt das: "Wenn wir über die EU nicht an die Daten kommen, werden Belgien (SWIFT-Zentrale) und die Niederlande (SWIFT-Datenzentrum) in den Schwitzkasten genommen." Wahr gemacht wurde das offenbar nicht einmal im Ansatz.
Das Hin und Her um SWIFT
"Schuss vor den Bug"
Es seien ihm keine konkreten Vorstöße der US-Seite bezüglich bilateraler Abkommen bekannt, sagte Strasser: "Wir konnten vielmehr feststellen, dass die Amerikaner gar keine bilateralen Abkommen schließen wollen." Zu dieser Positionsfindung habe wohl auch "der Schuss vor den Bug" durch die Entscheidung des Parlaments in Sachen SWIFT beigetragen.
Was die Ergebnisse der Verhandlungen in Madrid betrifft, so werden diese Gegenstand eines Treffens von 27. bis 30. April in Washington sein. Eine Delegation des parlamentarischen Innenausschusses, der auch Strasser angehört, wird sich dann dort mit der US-Seite unter anderem über Verfahren austauschen, wie von Europäern angeforderte Daten aus den USA geliefert werden sollen.
(futurezone/Erich Moechel)