© Reuters/Luke MacGregor, Flagge Großbritannien

GB: Unterhaus macht Weg für Netzsperren frei

COPYRIGHT
08.04.2010

Das britische Unterhaus hat die Digital Economy Bill beschlossen, die Warnbriefe und letztlich auch Kündigungen von Internet-Anschlüssen bei Urheberrechtsverletzungen vorsieht. Auch ein Zusatzpassus, der das Blockieren von Websites ermöglicht, die mit Urheberrechtsverstößen in Zusammenhang gebracht werden können, befindet sich in dem Gesetz.

Die britische Regierung peitschte die umstrittene Gesetzesvorlage am Mittwochabend im Eilverfahren durch das Unterhaus. Nach nur zweistündiger Debatte sprachen sich 189 Abgeordnete der regierenden Labour-Partei und der konservativen Opposition nach der dritten Lesung für das Gesetz aus. 47 Volksvertreter - neben liberaldemokratischen Abgeordneten waren auch einige Labour-MPs darunter - stimmten dagegen.

Zahlreiche Abgeordnete kritisierten, dass das Gesetz ohne ausreichende Prüfung durch das Parlament beschlossen wurde. Die Digital Economy Bill ist eines von rund einem Dutzend Gesetzesvorlagen, die im "Wash-up-Verfahren" vor dem Ende der Legislaturperiode am Montag verabschiedet werden sollen.

Warnbriefe und Account-Kündigungen

Die Digital Economy Bill verpflichtet Internet-Anbieter dazu, Warnbriefe an Kunden zu verschicken, die im Verdacht stehen, Urheberrechtsverletzungen begangen zu haben. Die Provider müssen Rechteinhabern diese Daten zur Verfügung stellen, damit diese mit Hilfe eines Gerichts Name und Adresse der verdächtigen Personen ausfindig machen und gegen sie vorgehen können.

Bei wiederholten Urheberrechtsverletzungen kann die britische Regulierungsbehörde Ofcom nach einer Übergangsfrist von einem Jahr "technische Maßnahmen" zur Eindämmung von Urheberrechtsverstößen anordnen. Diese können von einer Drosselung der Internet-Verbindung bis zur Kündigung der Anschlüsse reichen.

Blockade von Websites

Ein umstrittener Passus, der Internet-Anbieter auf Zuruf von Rechteinhabern zur Blockade von Websites verpflichtet hätte, die "signifikant" gegen das Copyright verstoßen, wurde aus der Gesetzesvorlage ausgeklammert. Stattdessen findet sich laut "Guardian" nun eine Klausel in dem Gesetz, die es der britischen Regierung erlaubt, nach der Prüfung durch ein Gericht, Websites zu sperren, die Urheberrechtsverstöße begehen oder dazu genutzt werden können.

Einwände von Parlamentariern, dass davon auch Angebote wie die Whistleblower-Site Wikileaks betroffen sein könnten, auf denen sich zahlreiche urheberrechtlich geschützte Materialien befinden, wurden nicht berücksichtigt.

Konzessionen

Um das Gesetz durch das britische Unterhaus zu bringen, musste die regierende Labour-Partei zahlreiche Konzessionen machen. So wurde etwa ein Passus, der die Lizenzierung verwaister Werke vereinfacht hätte, aus der Gesetzesvorlage entfernt. Auch bei den Befugnissen der Regulierungsbehörde Ofcom gab es Eingeständnisse.

Der Labour-Abgeordnete Tom Watson, der sich gegen das Gesetz starkmachte, sprach laut BBC von einem "Desaster". Der britische Kulturminister Ben Bradshaw sieht hingegen sowohl die Interessen der Kreativindustrie als auch die Rechte der Konsumenten gewahrt. Er bezeichnete die Digital Economy Bill gegenüber der BBC als eine ausgeglichene Lösung.

Heftige Diskussionen

Die Digital Economy Bill sorgte in Großbritannien für heftige Diskussionen. Britische Bürgerrechtsgruppen und Telekommunikationsanbieter opponierten gegen die Gesetzesvorlage. Anfang der Woche schalteten Befürworter und Gegner ganzseitige Anzeigen in britischen Tageszeitungen, um für ihre Standpunkte zu werben.

Rund 20.000 Leute forderten ihre Abgeordneten per E-Mail in einer von der britischen Open Rights Group initiierten Kampagne dazu auf, gegen das Gesetz zu stimmen. Am Donnerstag fand sich auf der Website der britischen Bürgerrechtler ein ausgestreckter Mittelfinger und dazu ein kurzer Text: "So denkt das Parlament über Ihr Recht auf Internet-Zugang."

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