© Screenshot Adobe/ORF.at, Screenshot Adobe Creative Suite 5

Adobe Creative Suite, die Fünfte

SOFTWARE
12.04.2010

Alle 15 bis 18 Monate fiebert die produzierende Kreativbranche dem Release der nächsten Adobe Creative Suite (CS), in der Adobe seit längerem seine Kreativprogramme bündelt, entgegen. Mit CS5 steht nun die nächste Version vor der Tür. Ein Blick auf die wichtigsten Neuerungen des Software-Pakets.

Wie immer beim Neuerscheinen einer CS-Version richten sich zuerst alle Augen auf Adobes Flaggschiff Photoshop, das im Februar seinen 20. Geburtstag feierte und mittlerweile als Version 12.0 auf den Markt kommt. Wie auch in der Vergangenheit lassen sich die neuen Photoshop-Features in zwei Gruppen unterteilen: Die Produktivwerkzeuge machen Bekanntes und Gewohntes schneller und effizienter, neue Kreativwerkzeuge eröffnen weitere gestalterische Möglichkeiten.

Retuschezauberei: "Content Aware Fill"

Immer wieder sind in der Wartezeit Appetithappen mit neuen Features der einzelnen Programme auf YouTube aufgetaucht, offenbar gezielt gestreut vom Adobe-Marketing, um die Neugier ein wenig anzuheizen.

Über Photoshop hatte es im Vorfeld die meisten Mutmaßungen gegeben, einige neue Features sind bereits bekannt. Ein Highlight ist Adobes neue Technik "Content Aware Fill", die für Auswahlen und als Pinsel verfügbar ist. Es gab vorher schon Werkzeuge, die bei Retuschearbeiten die Umgebung der Fehlstelle analysierten und so zum Beispiel bei Hautunreinheiten Stellen aus anderen Gesichtspartien sauber an diese Fehlstelle kopieren und dann anpassen konnten, um diese makellos abzudecken.

Das hat bis jetzt in der Regel nur mit nicht oder wenig strukturierten Bildbereichen funktioniert. Jetzt erkennt Photoshop sowohl Muster als auch Verläufe und kann diese über zu entfernende Bereiche hinweg ergänzen, ohne verräterische Spuren dieser Retusche zu hinterlassen. Die ersten Demos sahen geradezu unheimlich aus, und so hat sich diese neue Funktion schon im Vorfeld ihren Platz als Photoshop-CS5-Highlight gesichert, dem man zweifellos das Zeug zu erheblicher Zeitersparnis zusprechen kann. Jeder, der viele Retuschejobs zu erledigen hat, darf sich hier in Zukunft freuen.

"Repousse" und verbesserte 3-D-Funktionen

Die 3-D-Funktionen, die seit zwei Versionen in Photoshop integriert sind und seit CS4 auch schon für manche Workflows wirklich brauchbar waren, wurden erweitert und verbessert. Mit der neuen Funktion "Repousse" kann man beliebige 2-D-Formen in die räumliche Tiefe "treiben" (daher der Name), also extrudieren. Das wird häufig für Logos und Schriftzüge verwendet. Bisher waren dafür kostenpflichtige Tools von Drittherstellern notwendig oder der Umweg über ein echtes 3-D-Programm.

Bei den bisher schon vorhandenen 3-D-Funktionen wurde das Rendering verbessert, die Adobe-Programmierer nahmen auch an den Beleuchtungsmöglichkeiten zahlreiche Optimierungen vor.

"Puppet Warp"

Für das Einsetzen von Bildteilen ebenso geeignet wie für das freie Verformen von Bildbereichen ist die neue Funktion "Puppet Warp". Bereits in ähnlicher Form etwa in Flash CS4 eingeführt, versieht es Auswahlen im Bild mit einem Gitter, in dem man dann einzelne Punkte verschieben kann und so das Bild in Teilen elastisch manipulieren kann, was so bisher nicht möglich war. Setzt man zum Beispiel beim Bild einer Person solche Punkte auf die Gelenke, kann man diese bewegen wie einen Hampelmann - daher wohl auch der Name.

"Echte" Pinsel

Konnte man auch schon bisher mit Photoshop recht gut malen, vor allem bei Benutzung eines Grafiktabletts, so gehen die neuen Pinsel einen Schritt weiter. Photoshop kann nun Pinsel dreidimensional simulieren und zeigt dessen Spitze dazu auch in einem kleinen 3-D-Fenster. Diese speziellen Pinsel reagieren bei Verwendung eines Tabletts je nach Ausstattung auf Druck, Drehung und Neigung des Zeichenstifts.

Auch kann Photoshop nun Farben "vermalen", das heißt auf der Bildfläche vermischen, was bisher nur umständlich über ein separates Werkzeug zu machen war. Photoshop zieht in diesem Bereich nun nicht nur gleich mit Corel Painter und älteren Programmen wie Studio Artist, was die Nachahmung des natürlichen Verhaltens von Pinseln und Farbe angeht, sondern übertrifft diese Konkurrenten auch. Man kann nun in Fotos malen, als würden sie aus Ölfarbe bestehen.

Neue Tools für Fotografen

Auch die Funktion zum Anfertigen von HDR-Bildern (High Dynamic Range), bei denen verschieden belichtete Einzelbilder zu Fotos mit sehr hohem Tonwertumfang zwischen Lichtern und Schatten zusammenmontiert werden, hat Adobe erheblich verbessert. Die verfeinerte Funktion läuft unter dem Namen HDR Pro und bietet dem Fotografen mehr Kontrollparameter beim Verschmelzen der Bilder. Auch die Oberfläche der HDR-Funktion wurde neu gestaltet.

Sehr interessant ist die Erweiterung der schon bestehenden Objektivkorrektur. Statt wie bisher Verzerrung und Linsenfehler manuell zu korrigieren, kann nun mit einem eigenen Zusatzprogramm (Lens Profile Creator) und einigen Aufnahmen eines ausgedruckten Testblatts für eine bestimmte Kamera-Objektiv-Kombination eine optimale Korrektur präzise errechnet werden, die man später dann mit einem Mausklick anwenden kann.

Weitere Neuheiten

Andere Verbesserungen und Neuheiten spielen sich eher in Details ab. Hier geht es meistens um die Beschleunigung des Workflows und praktische Kleinigkeiten, die auch auf Anregungen der User zurückgehen. So wurde das Freistellen von Objekten weiter verbessert, um den manuellen Nachbearbeitungsbedarf zu verringern.

Die Integration des Dateibrowsers Adobe Bridge wurde weitergetrieben. Als "Mini Bridge" ist nun eine kleine Version der Bridge in Photoshop selbst als Panel zugänglich. Man muss nicht mehr in das Programm Bridge selbst wechseln.

Der Farbwähler musste bisher immer als Dialog aufgerufen werden, nun ist dieser direkt auf der Arbeitsfläche per Mausklick mit gedrückter Zusatztaste erreichbar (HUD, "Head-up-Display"). Auch die Pipette zur Farbaufnahme im Bild liefert in einer ähnlichen Form Farb- und Sättigungsinformationen an Ort und Stelle.

Das Zoomen und Bewegen im Bild wurde ebenfalls vereinfacht. Diese Funktion macht (wie immer mehr andere auch) kräftig Gebrauch vom schnellen Speicher in der Grafikkarte.

Interaktives mit InDesign

Das Layout- und Satzprogramm InDesign erlaubt in der neuen Version erstmals unterschiedliche Seitenformate in einem Dokument. Dieses Feature erleichtert zum Beispiel die Produktion von Ausklappseiten und Flappen.

Waren interaktive Elemente auch bisher schon in InDesign verfügbar, so beschränkte sich die Ausgabe in dieser Hinsicht auf PDFs mit einer Navigation, klickbaren Querverweisen und Links ins Web. Mit dem Erzeugen von SWF-Dateien wird InDesign CS5 nun zu einem einfachen Flash-Autorenwerkzeug. Ohne jedes Coding können nun Ableitungen von Printdokumenten (etwa Zeitschriften) als interaktive, multimediale E-Magazine im Flash-Format für das Web ausgegeben werden. Einfache Animationen können direkt in InDesign erstellt werden. Gleiches gilt für die Einbindung von Videos.

Flash Catalyst

Neben den Updates der bereits vorhandenen Creative-Suite-Programme gibt es mit Flash Catalyst auch einen Neuzugang. Das schon länger aus seiner öffentlichen Betatestphase und früher unter dem Codenamen "Thermo" bekannte Programm ist nun Bestandteil der Creative Suite.

Flash Catalyst soll das Produzieren von interaktiven Oberflächen vereinfachen, indem es den dafür notwendigen Workflow zwischen Designern auf der einen und den Programmierern und Entwicklern auf der anderen Seite so aufteilt, dass jeder sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren kann. Ausgehend von Interface-Designs in Photoshop und Illustrator kann der Kreative mit Flash Catalyst Prototypen bauen und diese bereits mit einer grundsätzlichen Interaktivität (Navigation usw.) versehen. Diesen "Rohbau" kann er dann an Entwickler weitergeben, die dann in der Entwicklungsumgebung Flash Builder die eigentliche Logik und Funktionalität einbauen können.

Mit Flash Catalyst könnte sich in Zukunft eine gute Lösung für die traditionellen Kommunikationsprobleme zwischen Kreativen und Entwicklern etablieren, wo Menschen aus zwei verschiedenen Welten miteinander reden müssen, wenn es darum geht, Design und Funktion für Rich-Internet- und Desktop-Anwendungen zusammenzufügen.

Neue Features in anderen CS-Programmen

Adobe Illustrator hat eine neue Funktion bekommen, die manchem vielleicht aus den frühen Versionen des Malprogramms Expression, das mittlerweile zu Microsofts gleichnamiger Webgrafik-Suite gehört, bekannt vorkommt: vektorbasierte Pinselstriche. Designern und Illustratoren erlaubt es nun Ausdrucksformen, die sonst nur aus pixelbasierten Programmen wie Photoshop möglich sind. Die Pinselstriche bleiben in Illustrator allerdings komplett nachträglich editierbar.

Für räumlich wirkende Illustrationen gibt es in Illustrator ein umfangreich konfigurierbares Perspektivgitter als Zeichenhilfe.

Produktpflege für Dreamweaver

Beim Web-Editor Dreamweaver wurde hauptsächlich Produktpflege betrieben. Erwähnenswert sind die Unterstützung gängiger Content-Management- und Blog-Systeme wie Joomla!, Drupal und WordPress und die Anbindung an die Online-Testplattform Adobe BrowserLab, die ein Prüfen der erstellten Websites mit verschiedenen Browsertypen und -versionen sowie einen direkten visuellen Vergleich der Darstellungen sowie die Analyse von Fehlern erlaubt.

In Flash wurden die Typographie-Engine verbessert und die Funktion für Inverse Kinematik, die zum Beispiel für 2-D-Character-Animation gebraucht wird, um federnde Bewegungen ergänzt. Bezüglich Flash liegen die Neuerungen weniger beim Stammprogramm selbst als vielmehr bei anderen Programmen wie Flash Catalyst, bei InDesign als neuem Content-Lieferanten in diesem Format und bei der Weiterentwicklung des Flash-Builder (ehemals Flex Builder) für die Action-Script-Programmierer, die damit Rich Internet Applications entwickeln.

Ein weiteres interessantes Feature ist bereits seit längerem bekannt und hat gerade in den letzten Tagen für Aufregung gesorgt. Die nun in Flash CS5 integrierte Möglichkeit, fertige Flash-Projekte statt in SWF-Dateien direkt in iPhone-Applikationen zu kompilieren ("Packager for iPhone"), wurde von Apple mit der jüngsten Änderung der Bedingungen für iPhone- und iPad-Applikationsentwickler dezidiert verboten. Applikationen für beide Geräte dürfen nur mit von Apple zugelassenen Entwicklungsumgebungen erstellt werden. Der Konflikt zwischen Adobe und Apple im Zusammenhang mit Flash, das nach wie vor nicht auf dem iPhone läuft und auf dem Mac teilweise an Performance-Problemen krankt, geht damit in die nächste Runde.

Premiere lässt die Grafikkarte mehr arbeiten

Bei der Videoschnittsoftware Premiere hat sich vor allem unter der Motorhaube einiges getan. Die neue Abspielengine "Mercury" lagert große Teile von rechenintensiven Aufgaben an die Grafikkarte aus, die für diese Darstellungsart von Bewegtbildern besser geeignet ist. So lassen sich nun etliche Full-HD-Videostreams parallel in Echtzeit abspielen, auch wenn sie mit Effekten versehen sind.

Neu ist auch die Unterstützung der Datenformate des modularen Kamerasystems RED und diverser HD-Videoformate, die mittlerweile von einer ganzen Reihe digitaler Spiegelreflexkameras stammen.

Dem Compositing-Programm After Effects, dem "Photoshop für bewegte Bilder", hat Adobe ebenfalls hauptsächlich Performanceverbesserungen verpasst, darunter die volle Unterstützung von 64-Bit-Maschinen. Damit kann nun auch sämtlicher verfügbarer Arbeitsspeicher genutzt werden. An neuen Features ist vor allem der "Roto Brush" zu erwähnen, der das manuelle Freistellen von Videosequenzen, das Rotoscoping, teilweise automatisiert und damit erheblich vereinfacht. Dazu gibt es Erweiterungen bei den 3-D-Fähigkeiten des Programms.

Verbesserte Integration

Die Programme der drei Creative Suites "Design", "Web" und "Production" wachsen immer besser zusammen. Hat es in der Vergangenheit immer wieder gehakt im Zusammenspiel der Programme aus Adobes langjährigem Portfolio und jenen, die 2005 mit Macromedia übernommen wurden, so verläuft jetzt der Datenaustausch zwischen den Anwendungen in der Regel reibungslos.

Auch die Unterschiede zwischen der Mac- und der Windows-Version sind nach dem Wechsel von Apple auf die Intel-Prozessorplattform so weit ausgebügelt, dass wirklich auch ein problemloses Arbeiten in gemischten Arbeitsgruppen über die Grenzen der Betriebssysteme hinweg möglich ist. Zudem ist das Look-and-Feel der Benutzeroberfläche nun weitgehend konsistent.

64-Bit und Cocoa für den Mac

Bei CS4 hatte es ein etwas unglückliches Timing gegeben, weil Adobes Entwicklungen in dieser Version schon recht weit gediehen waren, als Apple verkündet hatte, die alte Programmierplattform Carbon nicht mehr auf 64-Bit-Maschinen anzubieten. Da Adobe es zeitlich nicht mehr schaffen konnte, den umfangreichen Code für Apples neue 64-Bit-Maschinen von Carbon auf die aktuelle Plattform Cocoa umzuschreiben, war die CS4 auf dem Mac teilweise mit angezogener Handbremse gelaufen, und Photoshop hatte zum Beispiel auch bei voll ausgestatteten Rechnern nur etwas über 3,5 GB Arbeitsspeicher nutzen können. Das ist nun Geschichte und der Leistungszuwachs mit der CS5 auf Macs daher beträchtlich. Bei manchen Photoshop-Jobs fühlt sich der Rechner förmlich neu an.

Preise und Verfügbarkeit

Die Preise für die Programme sind nach wie vor ziemlich hoch, vor allem jene für die lokalisierten Ausgaben - hier macht sich bemerkbar, dass Adobe in der Industrie keine nennenswerten Gegenspieler mehr hat. Für die Suiten gibt Adobe folgende Preise inklusive Mehrwertsteuer an: Creative Suite Design Premium: 2.758,80 Euro, Creative Suite Design Standard: 2.038,80 Euro, Creative Suite Web Premium: 2.398,80 Euro, Creative Suite 5 Production Premium: 2.518,80 Euro, Creative Suite Master Collection: 3.718,80 Euro.

Die Preise für Upgrades der Einzelprogramme beginnen bei 298,80 Euro inklusive Mehrwertsteuer, je nach vorhandener Vorversion. Adobe bietet auch die CS5 in ihren verschiedenen Varianten als Schulversion an. Die Design-Premium-Version etwa kostet im Adobe-Store bei Vorlage entsprechender Berechtigungsnachweise 349 Euro (exkl. MwSt.).

Die englischsprachigen Versionen der Programme sollen laut Adobe Mitte Mai verfügbar sein, die deutschsprachigen Versionen ab Ende Mai.

Fazit

Bei den Kernprogrammen der Creative Suite sind bei den mittlerweile zum Teil bereits zweistelligen Versionsnummern erwartungsgemäß kaum noch bahnbrechende Neuerungen zu verzeichnen. Adobe betreibt zu einem guten Teil "Modellpflege", führt dafür aber den wichtigen Ansatz fort, den es bereits bei der CS4 verkündet hatte: die Integration über die verschiedenen Medienarten und Grenzen zwischen den Programmen, aber auch den verschiedenen Tätigkeitsfeldern weiter zu verbessern und die Bedienung der extrem funktionsstarken und dadurch für viele User kaum noch zu überblickende Programme weiter zu vereinfachen.

Adobe hört auf seine User: Viele Feature-Requests aus der Benutzergemeinde haben es diesmal in die neue Programmversion geschafft. Adobe nennt das bei Photoshop CS5 das "Just Do It-Project". Besonders wichtig sind dabei Funktionen geworden, die im professionellen Alltag kostspielige Arbeitszeit sparen, wie das "Content Aware Fill" und viele nützliche, kleine Funktionsverbesserungen. Hier befindet sich Adobe auf einem sehr guten Weg, der mit CS5 konsequent weitergegangen wird.

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(Thomas Bredenfeld)