"Der TA-eTel-Deal ist bedauerlich"

15.01.2007

Seit November 2006 ist Roland Türke neuer Präsident des Verbands der österreichischen Internet-Anbieter [ISPA]. Mit ORF.at spricht Türke über Bedenken zur geplanten Übernahme der eTel durch die Telekom Austria [TA], die "immerhin sechs Zeilen im neuen Regierungsprogramm" und den Innovationsstillstand.

Roland Türke, seines Zeichens Technischer Chef [CTO] der UPC-Austria-Gruppe, ist seit 2001 im Vorstand der ISPA und wurde im November zum Präsidenten des Verbands gewählt.

Wie sieht die ISPA die geplante Übernahme von eTel durch die Telekom Austria?

Türke: Der geplante Zusammenschluss von TA und eTel ist eigentlich bedauerlich, denn die eTel selbst hat einige der frühen Provider, etwa die Eunet, aufgekauft. Und jetzt sind alle die Kunden, die seinerzeit nach Alternativen gesucht haben, bei der Telekom gelandet.

Die Telekom besitzt die Portokasse, um die anderen zu kaufen. Da ist wirklich Geld vorhanden und das ist die potenzielle Gefahr eines Marktbeherrschers, dass er dann so viel Geld hat, und mit Geld kann man alles machen.

Welche konkreten Auswirkungen hat die Übernahme auf den Markt?

Türke: Konkret hat es negative Auswirkungen auf den Kunden, es gibt eine reduzierte Auswahl für den Endkunden. Es verschwinden damit jetzt Unternehmen, die Innovationen in den Markt eingebracht haben - es hat sich eben herausgestellt, dass die nicht passen.

Auf der anderen Seite muss man einem Eigentümer auch zugestehen, dass er sein Asset verkauft und damit Geld macht. Es ist nur zu hinterfragen, ob das ohne Auflagen an einen Marktbeherrscher gehen kann. Ich gehe davon aus, dass es einige Auflagen geben wird. Da ist auch schon einiges kolportiert worden.

Die Wettbewerbsbehörde hat sich ja auch schon kritisch geäußert ...

Türke: Also für den Regulator ist es ein Schlag ins Gesicht, denn die ganze Arbeit der letzten Jahre wird jetzt zunichte gemacht. Wenn's ein Alternativer gekauft hätte, wär's ein bisschen anders, aber wenn der Marktbeherrscher seinen Mitbewerber aufkauft, ist das kein gutes Zeichen für die funktionierende Liberalisierung eines Marktes.

Als Maßnahme vorstellbar wäre, dass man die Kunden von den Bindefristen befreit. Die Möglichkeit, dass man es untersagt und verbietet ohne Begründung, ist relativ schwach. Ich glaube nicht, dass es so kommt. Aber dass man die Bindungsfristen loslöst, dass man bei Portierungswünschen die Kosten erlässt - das betrifft hauptsächlich die Telefonie -, solche Dinge sind zu hinterfragen. Die Umstellungskosten, wenn jetzt einer doch nicht bei der Telekom bleiben will, sondern zum Beispiel zum Silver Server, sollten so gering wie möglich sein.

Es gibt Stimmen bei unseren Mitgliedern, die meinen, sie [die TA, Anm.] sollen eTel übernehmen, aber die Internet-Sparte wieder verkaufen. Das wäre auch eine mögliche Auflage oder Sanktion, dass man Teile wieder verkauft. Ich schätze das aber als eher unwahrscheinlich ein, weil sie dann auch den Telefonie-Wholesale-Bereich wieder verkaufen müssten, weil sie da dann absoluter Marktbeherrscher werden.

Die seit Wochen geführten Verhandlungen über eine Übernahme von eTel durch die TA wurden kurz vor Weihnachten abgeschlossen: Die TA übernimmt 100 Prozent der eTel um rund 90 Millionen Euro.

Inwiefern mischt die ISPA in diesem Prozess mit?

Türke: Es gibt jetzt ein Begutachtungsverfahren, das dauert noch drei Wochen, parallel gibt es den Aufruf zur Stellungnahme bis Dienstag, dann gibt es ein Prüfungsverfahren.

Und wenn es zu einer vertieften Prüfung kommt, wovon wir ausgehen, dann muss die Behörde innerhalb von fünf Monaten entscheiden, ob es dazu kommt oder nicht. Wir haben keine Parteienstellung in dem Wettbewerbsverfahren, das ist vielleicht auch ein Nachteil. Alle Marktteilnehmer dürfen sich dazu äußern, aber Parteienstellung gibt es keine.

Wir als ISPA haben eine Pressemitteilung rausgeschickt - als einer von vielen -, wo wir die Übernahme bedauern. Und zweitens werden wir uns unter Umständen auch positiv dazu äußern, dass es zu einer Überprüfung kommt. Konkrete Forderungen werden wir deshalb nicht stellen, weil es eben Unternehmen gibt, die sich sehr wohl verkaufen wollen. Die EUnet hat sich auch an eTel verkauft, weil sie es wollten. Sie wollten Geld verdienen.

Und das ist das Problem. Die Kernfrage ist: Wohin wird es verkauft? Geht es an einen Marktbeherrscher, der den Markt noch stärker beherrschen will, oder findet sich irgendeine andere Lösung? Eine Konsolidierung findet immer wieder statt.

In letzter Zeit wird vor allem seitens der alternativen Betreiber immer öfter von einer Remonopolisierung gesprochen. Wie sieht das die ISPA?

Türke: In der Vergangenheit hat sich die ISPA zu solchen Zusammenschlüssen eher reserviert verhalten. Wir haben auch andere Umgangsformen und -töne im Vergleich zum VAT [Verband alternativer Telekom-Netzbetreiber]. Bei uns gibt es neben dem Wettbewerb auch andere Themen.

In dem konkreten Fall fordern wir halt die Behörden auf, dass sie ganz genau darauf schauen, dass es nach dem Zusammenschluss zu keinen Marktverzerrungen kommt. Ich halte nichts von marktschreierischen Aussagen. Insgesamt sind wir aber nicht begeistert. Es ist kein Zorn, es ist kein Ärger - es überwiegt die Besorgnis.

Eine europaweite Studie zur Liberalisierung der Telekom-Märkte bescheinigte Österreich vor kurzem einige Mankos bei Wettbewerb und Regulierung. Während sich die alternativen Telekoms in ihrer Kritik bestätigt sehen, ist das Ergebnis für die Telekom Austria "nicht nachvollziehbar".

Seit letzter Woche steht die neue Regierung. Die ISPA hat das Regierungsprogramm als "ersten Schritt in die richtige Richtung" bezeichnet ...

Türke: Im letzten Regierungsprogramm waren wir gar nicht vorhanden. Im jetzigen Regierungsprogramm haben wir von 167 Seiten zumindest sechs Zeilen. Was uns zu der Pressemitteilung bewogen hat, war eine Aussage von Frau Karin Hakl [ÖVP] über die glorreiche IKT-Zukunft und die vielen Förderungen.

Es steht aber noch nicht einmal fest, welches Ressort dafür verantwortlich wird und welche Person das übernehmen wird. Diese sechs Zeilen im Regierungsprogramm zeigen, dass es kein Streitthema war, aber auch kein wichtiges Thema. Die ISPA wird daran arbeiten, dass es sehr wohl ein wichtiges Thema wird.

Nur die Internet-Branche in Österreich macht vier Prozent vom Bruttoinlandsprodukt aus. Das ist vergleichbar mit der Landwirtschaft und ich denke, dass die Landwirtschaft in der Regierung wesentlich besser vertreten ist.

Gibt es Wunschkandidaten für den IT-Ansprechpartner in der Regierung?

Türke: Über Personen würden wir uns nicht äußern. Es muss auf jeden Fall jemand mit entsprechenden Kompetenzen sein, der auch etwas bewegen kann. Die Stellung innerhalb der Regierung muss so sein, dass er ein Budget hat, dass er Ressourcen hat und dass er auch Einfluss üben kann. Der Minister ist es nicht geworden, der Staatssekretär auch nicht.

Jetzt hoffen wir halt auf jemanden, der etwas davon versteht, keine Berührungsangst hat und der dann auch wirklich den Rückhalt hat, um etwas zu bewegen. Die angekündigten Förderungen - 500 Millionen Euro für den Breitbandausbau -, das wirkt nicht, als wäre es zu Ende gedacht.

Wie sieht es mit Innovationen auf dem Markt aus?

Türke: Aus ISPA-Sicht ist es zu einem Stillstand der Technologie gekommen. Wir vermuten, dass das auch absichtlich blockiert wird. Es gibt Anträge, etwa von Silver Server und der Inode, um neue Technologien ins Netz zu bringen. Da gibt es dann immer davor eine Netzverträglichkeitsprüfung, um zu sehen, welche Modulationen möglich sind und welche Dienste gestört werden.

Der Netzbetreiber hat aber die Möglichkeit, das so lange zu verzögern, bis er selber in der Lage ist, das zu launchen.

Also in dem Fall die Telekom Austria ...

Türke: Ja, dann gibt er es frei, und zufällig hat er die Technologie dann in 20 Kollokationen oder 100 Wählämtern selber schon ausgebaut. Das ist halt ein klassisches Ausnützen der Marktposition. In Österreich macht sich das nun bemerkbar, dass wir zurückfallen, weil wir die neuesten Technologien einfach nicht mehr einsetzen.

Da brauchen wir als ISPA eben die Hilfe der RTR - dass wir schauen, dass Österreich innovativ und auf dem letzten Stand der Technologie bleibt. Wenn man diese Netzverträglichkeitsprüfung unabhängig auslagern könnte, wäre das schon eine große Hilfe.

Etwa an die RTR? ==

Türke: Darüber führen wir Gespräche und die haben auch ein offenes Ohr dafür. Auch im ISPA-Vorstand wird das diskutiert.

Da ist ein Kupferschatz, den seinerzeit der Österreicher aufgebaut hat, und der ist halt der Telekom Austria mitgegeben worden. Gehören tut das aber noch immer Österreich, der Volkswirtschaft. Diese Ressource kann nicht nur einer Firma zugeschrieben werden, sondern sie sollte sehr wohl dazu dienen, dass man mehr draus machen darf. Das ist der Grund, warum man entbündeln darf, warum der Markt liberalisiert wurde und ähnliche Dinge.

Wie steht es um die Idee, nach dem Vorbild Großbritanniens Infrastruktur und Services zu trennen?

Türke: Da gibt es etliche Meinungen. Das wichtigste wäre, dass das eine wirklich unabhängige Firma macht, was ja in England nicht der Fall ist. Dort ist es eine Tochter der British Telecom und es sind Leute der British Telecom.

Am wichtigsten wäre, dass die Prozesse und die Bestellabwicklung und überhaupt der Umgang miteinander genau geregelt sind, dass es keine Streitereien gibt. Dass auch so wenig wie möglich Pönale bezahlt wird, weil die vereinbarte Leistung geliefert wird, und erst wenn das funktioniert, kann man überlegen, dass man das separiert.

Aber einen ohnehin schon schlechten Prozess noch einmal zu zerteilen macht die Situation wahrscheinlich nicht besser. Von der OFCOM [britische Regulierungsbehörde] und alternativen Betreibern haben wir noch keinen Kommentar, aber denkmöglich ist es selbstverständlich. Es darf auf jeden Fall nicht schlechter werden, als es jetzt ist.

(futurezone | Nayla Haddad)