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Spieltheorie und Online-Werbung

FORSCHUNG
22.04.2010

Monika Henzinger, ehemalige Forschungschefin von Google, arbeitet nun an der Universität Wien. ORF.at hat die Informatikerin gefragt, welche Projekte sie an ihrer neuen Stelle bearbeiten möchte und wie sie zu Themen wie Semantic Web und Open Data steht.

Henzinger war von 2000 bis 2004 Chefin der Forschungsabteilung von Google. Die deutsche Informatikerin ist Expertin für Suchsysteme und algorithmische Spieltheorie. In der Spieltheorie geht es unter anderem darum, Regeln und Strategien im Verhalten von Akteuren bei Verhandlungen zu analysieren.

2009 wurde Henzinger auf die Professur für Theorie und Anwendung von Algorithmen an die Fakultät für Informatik der Universität Wien berufen. Sie ist mit dem österreichischen Informatiker Thomas Henzinger verheiratet, der das Institute for Science and Technology (IST Austria) leitet. Beide Wissenschaftler arbeiteten vor ihrem Wechsel nach Österreich in der Schweiz an der renommierten ETH Lausanne. Monika Henzinger ist nicht mehr bei Google angestellt.

Am 17. März hielt Monika Henzinger ihre Antrittsvorlesung an der Universität Wien zum Thema "Algorithmische Spieltheorie". ORF.at konnte der Wissenschaftlerin einige kurze Fragen per E-Mail stellen.

ORF.at: Welche Forschungsprojekte wollen Sie an der Uni Wien in Angriff nehmen?

Monika Henzinger: Zurzeit plane ich zwei Schwerpunkte, beide liegen in der theoretischen Informatik. Ein Schwerpunkt sind algorithmische Fragestellungen, wie sie in der Spieltheorie im Allgemeinen und in der Online-Werbung im Speziellen entstehen. Der zweite Schwerpunkt sind Anwendungen von graphtheoretischen Algorithmen, zum Beispiel in der automatischen Verifikation (Korrektheitsüberprüfung) von Software und Hardware.

ORF.at: Welche Aspekte dieser Felder interessieren Sie konkret?

Henzinger: Sowohl Software-Systeme als auch die Hardware, beispielsweise die Schaltkreise, die auf einem Chip integriert sind, werden immer komplexer, während die dahinterliegenden Algorithmen in den letzten fünf Jahren nicht wesentlich schneller wurden. Das bedeutet, dass es immer länger dauert, ein System zu verifizieren. Gleichzeitig wurden neue algorithmische Techniken auf anderen Gebieten entwickelt, die bei den Verifikationsalgorithmen noch nicht zum Einsatz kommen. Daher wollen wir erforschen, wie diese neuen Techniken zu schnelleren Verfikationsalgorithmen führen können. Ich arbeite dabei mit Professor Krishnendu Chatterjee vom IST Austria zusammen.

Was die aktuellen Probleme auf dem Gebiet der algorithmischen Spieltheorie betrifft: Reklame auf Suchmaschinen, wie etwa Google, wird durch Auktionen verkauft. Bisher können die Werbenden nur einen Preis bieten, und dann wird vom System bestimmt, ob und auf welchen Positionen ihre Reklame gezeigt wird. Pro Seite gibt es bis zu acht Positionen, die weiter oben angeordneten bekommen viel mehr Aufmerksamkeit von den Benutzern als die unteren.

Wir entwickeln neue Algorithmen, die die Auktionen ablösen können und bei denen die Werbenden viel mehr Möglichkeiten haben. Sie können beispielsweise genau bestimmen, auf welcher Position ihre Reklame gezeigt werden soll und wie viel sie für diese Positionen bieten - das kann je nach Position unterschiedlich sein - und wie viel sie für eine Position maximal zahlen wollen. Sie sollen auch mehrere Positionen kaufen und auch Positionen mit anderen Werbenden teilen können, die nicht direkt miteinander konkurrieren, sagen wir von SAP oder Speedo.

ORF.at: Seit etwas über einem Jahrzehnt gibt es Ansätze dafür, ein Semantic Web zu schaffen, in dem Daten mit Metadaten versehen sind, die von Computern besser eingeordnet und verarbeitet werden können. Allerdings hat sich die Vision, die Tim-Berners-Lee in diesem Zusammenhang formuliert hat, "Intelligent Agents" inklusive, bisher nicht ganz durchsetzen können. Andererseits ist Google auf seinem Gebiet mit dem Einsatz von Algorithmen ziemlich erfolgreich. Ist es besser, auf Algorithmen zu setzen als auf den Aufbau einer komplexen Syntax und Taxonomien? Wie sehen Sie die weitere Entwicklung des Semantic Web?

Henzinger: Meiner Meinung nach muss man an beiden arbeiten. Eigentlich ist das Semantic Web eine gute Idee und für den Austausch von Informationen in "gesicherten Umgebungen", wie innerhalb einer Firma oder zwischen kooperierenden Firmen, gut geeignet. Das Hauptproblem in "ungesicherten Umgebungen", wie im World Wide Web, besteht aber darin, dass Autoren von Daten und Metadaten aus verschiedensten - hauptsächlich finanziellen - Gründen daran interessiert sind, diese Daten und Metadaten zu verfälschen. Daher können Suchmaschinen diesen Metadaten oft nicht trauen, was wiederum die Entwicklung des Semantic Web beeinträchtigt.

ORF.at: Wie beurteilen Sie die jüngsten Initiativen in Sachen Open Data, also der Freigabe von Regierungsdaten im Rahmen von data.gov und data.gov.uk? Welche Perspektiven ergeben sich dadurch?

Henzinger: Wenn Informationen oder Daten von offiziellen Seiten auf das World Wide Web gestellt werden, können Suchmaschinen annehmen, dass diese Daten und eventuell vorhandene Metadaten nicht manipuliert sind und dass sie daher bei der Anordnung von Suchergebnissen diese Metadaten berücksichtigen können.

Daher denke ich, dass das ein Schritt in die richtige Richtung ist, sofern natürlich die Privatsphäre der Bürger nicht beeinträchtigt wird.

ORF.at: Die Verwendung von (A)GPS-fähigen Mobilgeräten wie Smartphones ist speziell in Österreich weit verbreitet. Muss eine Suchmaschine für Smartphones anders funktionieren als eine für Desktops? Welche Rolle spielen diese Standortdaten in der aktuellen Arbeit an Suchmaschinen und Werbesystemen?

Henzinger: Natürlich wird an Algorithmen gearbeitet, die den Standort von Benutzern bei der Anordnung von Suchergebnissen und eventuell auch bei der Auswahl von Werbung berücksichtigen. Gerade bei Suchergebnissen ist das sehr nützlich, denn wenn ich das Wort "Pizza" in mein Smartphone eintippe, ist es wahrscheinlicher, dass ich eine Pizzeria in der Nähe suche, als dass ich Pizzarezepte will. Ich erwarte mir gerade durch diese Lokalisierung eine Verbesserung in den Suchergebnissen von Fragen, deren Antwort man auch in den Gelben Seiten finden könnte - wenn man die Gelben Seiten dabei hätte.

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