Netzneutralität: Zweifel an Marktgläubigkeit
Deutsche Hacker und Verbraucherschützer zweifeln daran, dass der Markt allein die Netzneutralität sichern kann. Auf der Social-Media-Konferenz re:publica versuchte die Bundesnetzagentur, dagegenzuhalten.
Sorgt der Markt dafür, dass der Datenverkehr im Internet frei fließen kann oder muss der Staat eingreifen? In puncto Netzneutralität herrschte am Donnerstag auf der Social-Media-Konferenz re:publica in Berlin keine Einigkeit. Während Verbraucherschützer und der Chaos Computer Club (CCC) genaue gesetzliche Regeln forderten, betonte eine Vertreterin der Bundesnetzagentur, dass Wettbewerb zwischen den Netzbetreibern oft schon ausreiche.
Netzneutralität bedeutet, dass Netzbetreiber alle Daten gleich behandeln und beispielsweise nicht sperren oder bremsen dürfen. Unter Experten gilt das als wichtige Voraussetzung für Wettbewerb und Innovation im Internet. Derzeit setzen die Unternehmen diese Forderung nicht vollständig um. Beispielsweise sperren Mobilfunkunternehmen Anbieter von Internet-Telefonie wie Skype aus, weil das ihrem Geschäftsmodell schadet. Zudem fordern Netzanbieter wie AT&T und die Deutsche Telekom immer häufiger, Anbieter von Inhalten und Internet-Diensten wie Amazon, Google und eBay für die Beanspruchung der Netze zur Kasse zu bitten.
Der Glaube an den Markt
In Deutschland gibt es derzeit kein Gesetz, das Internet-Anbieter ausdrücklich zur Netzneutralität verpflichtet. Allerdings gab die Europäische Kommission kürzlich im Rahmen des Telekompakets Regeln vor, welche die EU-Mitgliedsstaaten nun in nationale Gesetze gießen müssen. Dabei hat der Gesetzgeber jedoch einigen Spielraum.
Die Richtlinie sieht unter anderem vor, dass der Internet-Anbieter den Kunden informieren muss, wenn er den Datenverkehr beispielsweise drosselt. Zudem besteht die Möglichkeit, Mindestvorschriften für die Verbindungsgeschwindigkeit zu erlassen. Cara Schwarz-Schilling von der Bundesnetzagentur hält diesen Rahmen für "nützlich". "Wettbewerb dient der Netzneutralität", sagte sie.
CCC-Sprecherin Constanze Kurz forderte dagegen eine weitergehende Regulierung. Der "vielgepriesene Markt" funktioniere zum Beispiel auf dem Land kaum, da die Kunden oft nur einen Telefonanbieter zur Auswahl hätten und dessen Geschäftsbedingungen hinnehmen müssten. Zudem sei der Wechsel zu einem Konkurrenten in Deutschland "ein ziemlicher Alptraum".
(dpa)