© Courtesy of the NAIC - Arecibo Observatory, a facility of the NSF, Arecibo-Teleskop

Mit 400 Millionen Watt auf den Mond

FUNKEXPERIMENT
16.04.2010

Ab Freitagabend werden mit dem Radioteleskop Arecibo auf Puerto Rico von 72.000 Quadratmeter Gesamtfläche an die 400 MW effektive Abstrahlleistung in Richtung Mond gejagt. Physiknobelpreisträger Joseph Taylor, der 1974 in Arecibo den ersten Doppelpulsarstern entdeckt hatte, sprach über dieses einzigartige Amateurfunkexperiment mit ORF.at.

Der Welt größtes Auge, das seinen Blick gewöhnlich weit hinaus in die Tiefen des Alls gerichtet hat, nimmt ab Freitagnachmittag das allernächste Himmelsobjekt ins Visier. Das gigantische Teleskop von Arecibo - der Durchmesser der Schüssel beträgt 305 Meter - wird sich auf den guten alten Mond richten, zum Zweck des interkontinentalen Amateurfunkverkehrs.

Am Wochenende wird von Puerto Rico nicht Radioastronomie betrieben, sondern das Teleskop steht weitgehend im Dienste eines einzigartigen Experiments. Funkamateure benutzen den Mond - wie berichtet - als Relaisstation, indem sie mit Richtantennen gebündelte Signale in einem bestimmten Winkel auf die Mondoberfläche schießen, von wo sie auf die andere Seite der Erde reflektiert werden.

Die Protokolle

Die herkömmlichen analogen Betriebsarten wie SSB und CW (AM-Einseitenband bzw. Morse) werden dabei von speziellen digitalen Protokollen abgelöst.

Das gebräuchlichste davon heißt JT65, das zugehörige freie Software-Paket zur Erde-Monde-Erde-Kommunikation WSJT (Weak Signal Communication Software) gehört zur Standardausrüstung jedes Mondfunkers. Die Software kann nicht nur Signale, die bis zu minus 26 dB unter dem Rauschpegel liegen, herausholen, sondern restauriert auch das auf dem Weg zum Mond und zurück arg ramponierte UHF- bzw. VHF-Signal.

Funkstrecke 800.000 Kilometer

Den Autor dieses Programms, Joseph Taylor (K1JT), schrieb kurz vor seiner Abreise nach Arecibo dazu an ORF.at: "Funkamateure lieben nun einmal die Herausforderung, Signale über 800.000 Kilometer Distanz auszutauschen, also einmal zum Mond und wieder zurück. Gewöhnlich braucht man dafür ziemlich große Antennengebilde, sehr empfindliche Empfänger und 500 Watt oder mehr Sendeleistung. Mit der 305-Meter-Antenne von Arecibo am anderen Ende können auch viel kleinere Stationen dabei mitwirken."

Neben der kleinen Minderheit passionierter Mondfunker, die mit computergesteuerten, schwenkbaren Yagi-Richtantennenarrays oder Schüsseln und leistungsstarken VHF/UHF-Transceivern über den Mond digital miteinander kommunizieren, verfügt eine große Zahl von Funkamateuren über einfacheres Gerät, das angesichts der gewaltigen Sende- und Empfangsleistung ausreichen müsste.

100 Watt und eine Yagi

Er würde sich freuen, wenn auch österreichische Stationen an dem Ereignis teilnehmen würden, schrieb Taylor: "Bitte richten sie 432-MHz-Antennen während der Öffnungszeiten auf den Mond und rufen Sie KP4AO. Wir hören zwischen 5-15 kHz über unserer eigenen Frequenz 432.045 KHz. Eine kleine Richtantenne sollte genügen, um mit uns im JT65B-Modus zu kommunizieren, sobald wir die Schlange von Stationen, die uns in Morse rufen, abgearbeitet haben. Um in Morse zu arbeiten, benötigen sie eine etwas größere Antenne, so ab zehn Elementen und 100 Watt Sendeleistung."

Schüssel, Gondel, Hochschaubahn

Diese Frequenz liegt im 70-Zentimeter-Amateurfunkband, das Radioteleskop kann Wellenlängen zwischen drei Zentimetern und einem Meter fokussiert abstrahlen. Da ein in einer Karstsenke liegend verlegter sphärischer 305-Meter-Dish naturgemäß nicht schwenkbar ist, fährt der Sender in einer schwenkbaren Gondel auf einer Art Hochschaubahn darüber.

Gepeinigte Signale

Funksignale im Erde-Mond-Erde-Verkehr werden beim zweimaligen Passieren jedes Mal in ihrer Polarität verdreht, diese "Faraday-Rotation" verläuft nicht gleichmäßig, sondern wandert an- oder abschwellend schnell von vertikal nach horizontal und umgekehrt. Dazu kommt eine Art zeitweiser Selbstauslöschung des Signals durch Selbstüberlagerungen und andere Verzerrungseffekte, auch die Tagesintensität des kosmischen Rauschens sowie der Dopplereffekt wollen einberechnet werden.

Bei einem solchen weltweit einmaligen Funkevent prasseln die Anrufe aus allen erreichbaren Kontinenten nur so herein, und deshalb nimmt der Radioclub Arecibo zuerst nur jene sehr starken Stationen dran, die in SSB durchzukommen versuchen.

Als Nächstes folgt erwartungsgemäß eine große Zahl von weltweiten Morsestationen (CW, Continuous Wave), die es mit schwächerer Sende- und Antennenleistung über den Mond nach Arecibo schaffen können, danach wechselt man zum digitalen JT65-Protokoll.

Arecibo selbst bläst zwar nur moderate 400 Watt in den Brennpunkt der Schüssel, die gewaltige Fläche der Parabolantenne ergibt einen nachgerade außerirdischen Antennengewinn (Verstärkungsfaktor) von plus 60 dBi. Die effektive Abstrahlleistung beträgt damit rund 240 (ERP) bzw. 400 (EIRP) Megawatt.

Noch eine Schüssel

Am Sonntag mischt die CA Muller Radio Astronomy Station (PI9CAM) aus dem niederländischen Dwingeloo mit im Mondfunkkonzert, mit 25 Metern Durchmesser und einem Gesamtgewicht von über 100 Tonnen an sich ein äußerst imposantes Gerät.

Gegen die 72.000-Quadratmeter-Fläche des großen Auges in Puerto Rico aber wirkt jedes andere schwenkbare Radioteleskop zwergenhaft. Im Normalbetrieb (RADAR) werden von Arecibo auf 2,38 GHz bis zu 20 Terawatt (EiRP) ins All gejagt.

Die zur Verfügung stehenden Zeitfenster sind: Freitag 16. April von 18.45 Uhr bis 21.30 Uhr MESZ, Samstag 19.40 Uhr bis 22.20 Uhr, Sonntag 20.40 Uhr bis 23.25 Uhr MESZ.

Das Sendezeitfenster

Im Jahre 1974 hatten Joseph Taylor und Russell Alan mit dem Teleskop in Arecibo nicht nur den ersten Binär-Pulsar entdeckt (PSR B1913+16), sondern auch eine Methode zur Auffindung ähnlicher Neutronen-Doppelgestirne, die rasend schnell um die eigene Achse rotieren und starke pulsierende Magnetfelder erzeugen.

Was den Funkverkehr mit Arecibo angehe, so sei der nur in jenen Zeitfenstern möglich, in denen der Mond weniger als 20 Grad vom lokalen Zenit in Arecibo entfernt sei. Nord- und Südamerika, Afrika, Europa sowie die nördlichen und westlichen Teile Asiens seien erreichbar, schrieb Taylor an ORF.at. Den österreichischen Funkamateuren ersuchte er, dieses hier auszurichten: vy 73 de K1JT.

(futurezone/Erich Moechel)