Poker um analoge TV-Kanäle in heißer Phase
In der deutschen Frequenzauktion wurden die sechs Frequenzpakete der "digitalen Dividende" im 800-MHz-Band am Dienstag auf bis zu 41 Millionen Euro hochgezockt. Die ehemaligen TV-Kanäle werden derzeit zehnfach höher bewertet als die neu vergebenen Bänder für das mobile Superbreitband LTE. In Österreich wird noch über die Vergabe beraten.
In ihrer zweiten Woche gewinnt die Frequenzversteigerung in Deutschland langsam an Fahrt. Verantwortlich dafür, dass am Ende der Dienstag-Auktionsrunden der Gesamtpreis auf 380 Millionen Euro stand, war gerade einmal ein Sechstel des zu vergebenden Bereichs.
Das Match dreht sich um die Bänder der digitalen Dividende. Das ist jener Teil des Spektrums, der von den TV-Anstalten zu den Mobilfunkern umverteilt wird. Der Preis für jedes der sechs Frequenzpakete mit zweimal fünf MHz, die um je 2,5 Millionen Euro ausgerufen waren, lag Dienstagabend zwischen 33 und über 41 Mio. Euro.
Die insgesamt 60 MHz Bandbreite werden damit höher bewertet als die gesamten 300 MHz zusammen, die sonst noch zur Versteigerung stehen. So bewegen sich die Gebote für das kommende Superbreitband LTE (2,6 GHz) und für zusätzliche UMTS/HSPA-Kanäle bisher - mit zwei Ausnahmen - im niedrigen bis mittleren einstelligen Millionenbereich.
Die Gründe des Begehrens
Dass die digitale Dividende - die Bänder von 790 bis 862 MHz - so heiß umkämpft ist, hat gute Gründe. Eröffnet sich den Mobilfunkern doch die Möglichkeit, ihre bestehende Infrastruktur (Masten, Strom) von GSM-900 zum Ausbau von drahtlosem Breitband zu benützen.
Umfang der Auktion
Von der Außenwelt (fast) völlig isolierte Teams von T-Mobile, Vodafone, O2 (Telefonica) und E-Plus zocken werktäglich in Mainz um 360 MHz Bandbreite. Im GSM-Band 1,8 GHz sind insgesamt 50 MHz zu vergeben, etwa 60 sind für UMTS vorgesehen (2 GHz). 190 MHz insgesamt stehen für den UMTS-Nachfolger LTE (Long Term Evolution, 2,6 GHz) zur Verfügung.
Damit können nicht nur die bestehenden GSM-900-Netze vor allem im ländlichen Raum mit UMTS/HSPA äußerst kostengünstig aufgerüstet werden. Der weitere Netzausbau kommt ebenso billiger, weil neue Masten nicht so eng gesetzt werden müssen wie beim herkömmlichen UMTS, das auf zwei Gigahertz gefunkt wird.
Im urbanen Raum wiederum dringt der 800-MHz-Funk weit besser in Gebäude ein als UMTS/HSPA, was gerade bei der Versorgung von großen verglasten Bürogebäuden und anderen Stahlbetonbauten von Bedeutung ist.
Die Verlierer
Die Crux dabei ist freilich, dass hier nicht mehr als 60 MHz zu verteilen sind, aber vier Netzbetreiber, die jeweils 20 MHz benötigen, darum rangeln, um diese Bänder bespielen zu können. Im Rennen um die "Lukrierung der digitalen Dividende" wird es also mindestens einen Verlierer unter den Mobilfunkern geben, der nicht mitlukrieren wird.
Doch das wird nicht der einzige Verlierer sein. Die Neuvergabe dieser ehedem analog bespielten TV-Frequenzbänder zieht nämlich eine ganze Anzahl von Branchen in Mitleidenschaft. Die Funkmikros und Tonanlagen von Theatern, Tonstudios, TV-Produktionsfirmen, Freiluftbühnen und Sportveranstaltungen aller Art fanden bis jetzt zwischen den analogen TV-Kanälen Platz.
Das betraf den gesamten Bereich des UHF-Fernsehspektrums von 470 bis 862 MHz. Man funkte eben dort, wo regional Frequenzen frei waren und keine anderen Störungen auftraten.
Dem ist nun nicht mehr so. Die digitalen TV-Kanäle im unteren Teil des Spektrums sind weitaus dichter gepackt als vordem die analogen und deswegen für Funkmikros nicht mehr nutzbar. Der obere Bereich wird ebenfalls bald wegfallen.
Der Stand in Österreich
Die Telekomregulierungsbehörde RTR hat Ende Dezember eine Studie in Auftrag gegeben, um die Nutzungsmöglichkeiten für die digitale Dividende in Österreich aus volkswirtschaftlicher Sicht bewerten zu lassen.
Spektrale Verschiebungen
Die neue Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung (FreqBZPV) der deutschen Regulierungsbehörde sieht vor, dass die TV-Anstalten dafür noch weiteres Frequenzterrain abtreten müssen, so dass nur noch 470 bis 710 MHz für terrestrisches TV genützt werden können. Zwischen 710 und 790 werden in Deutschland nämlich ausschließlich Drahtlosmikrofone arbeiten.
Für analogen Sprechfunk verbrauchen diese Kanäle relativ viel Spektrum, denn gefordert ist absolute Störungsfreiheit bei hoher Audioqualität, also vergleichsweise viel Bandbreite und ein relativ großer Kanalabstand. In einem Megahertz Bandbreite haben so gerade einmal acht Kanäle Platz.
Viele Möglicheiten zum Ausweichen hat man nicht, denn sonst steht in Deutschland nur noch das schmale Bändchen 863 bis 865 zur Verfügung. Zwei weitere Bereiche sind aufgrund des Signalverhaltens auf diesen weit höheren Frequenzen (1452 bis 1477,5 MHz bzw. 1785 bis 1800 MHz) nur bedingt brauchbar.
Erweiterte Fußnoten
"Durch die Erweiterung der Fußnote D296 der FreqBZPV in diesem Frequenzbereich", hieß es seitens der deutschen Regulierungsbehörde, seien "künftig auch Frequenznutzungen für (sonstige) professionelle drahtlose Produktionen zulässig".
Für "ortsfeste Nutzungen (z. B. Theater, Freilichtbühnen, Stadthallen)" steht nämlich der gesamte übrig gebliebene digitale TV-Bereich (470 bis 710 MHz) weiterhin zur Verfügung.
Der Ablauf der Versteigerung lässt sich auf der Website der deutschen Bundesnetzagentur mitverfolgen. Die PowerPoint-Präsentation detailliert das hochstrukturierte Prozedere.
Da abseits von Rund- und Mobilfunk sämtliche Frequenzzuteilungen in Europa je nach Land zum Teil erhebliche Unterschiede aufweisen, werden sich Bands vor internationalen Tourneen warm anziehen müssen.
In Österreich ist eine vom Ministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) in Auftrag gegebene Studie zur bestmöglichen Nutzung der digitalen Dividende dieser Tage intern präsentiert worden. Ob überhaupt und, wenn ja, wann sie veröffentlicht wird, steht momentan in den Sternen. Auf Anfrage von ORF.at wurde seitens der RTR bedauernd bekanntgegeben, dass über die Studie derzeit keinerlei Auskunft erteilt werden könne.
(futurezone/Erich Moechel)