"Digitale Dividende": Die Studie in Kurzfassung

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27.04.2010

Die im Auftrag der Bundesregierung und der Regulierungsbehörde RTR erstellte Studie zur Vergabe der "digitalen Dividende" ist auf der Website der Regulierungsbehörde veröffentlicht worden. Die Regierung hat auch ein "Executive Summary" der Studie publiziert. Dieses ist hier ungekürzt wiedergegeben.

Anmerkung der Redaktion: Ab dieser Stelle folgt dieser Beitrag exakt der Aussendung der Bundesregierung von Dienstag, 27. April 2010, zur Vergabe der "digitalen Dividende" in Österreich.

Die Studie "Nutzung der Digitalen Dividende in Österreich" wurde im Dezember 2009 in Auftrag gegeben, um Handlungsempfehlungen für Entscheidungsträger zu entwickeln. Mit der Erstellung der Studie wurde auf Basis einer Ausschreibung der RTR GmbH die Arbeitsgemeinschaft "AB Consulting (Arne Börnsen)/Infront Consulting & Management GmbH" ("ARGE ABI)" mit Sitz in Hamburg) beauftragt.

"Executive Summary"

Bei der "digitalen Dividende" handelt es sich um jenen Teil des Spektrums, der durch die Digitalisierung der ehemals analogen Rundfunkdienste aufgrund neuer, effizienterer Übertragungs- und Codiertechniken verfügbar wird. Wenn man die Zahl der Fernsehprogramme und die dafür erforderlichen Frequenzen zugrunde legt, die vor dem Beginn der Analog-Digital-Umstellung im Jahr 2006 bei analoger Ausstrahlung in Österreich benötigt wurden, und sie dem Frequenzspektrum gegenüberstellt, das bei gleicher Zahl von Programmen bei digitaler Technik benötigt wird, so ergibt das einen Wert für das frei werdende Spektrum von etwa 80 Prozent.

Der im Zentrum der Studie stehende Teil der "digitalen Dividende" beschränkt sich auf das Spektrum von 790 bis 862 MHz (obere Digitale Dividende) - auch als Kanäle 61 bis 69 bezeichnet - also auf einen Anteil von rund 20 Prozent der Frequenzen des UHF-Bandes.

Es lassen sich sowohl medien- als auch telekommunikationspolitische Ziele mit der Vergabepraxis der digitalen Dividende ansteuern. Die angestrebten öffentlichen Zielsetzungen umfassen:

Zu den diskutierten Zielen gehören zudem:

- der Schutz von Sekundärnutzern (professionelle Drahtlosmikrofontechnologie), also im Wesentlichen der in Österreich zunehmend bedeutsamen Veranstaltungsindustrie, und

- die Minimierung möglicher Störungen zwischen TV-Kabelnetzen und Endgeräten einerseits und Breitband-Mobilfunk andererseits.

Die Studie orientiert sich an der übergeordneten Zielsetzung einer Optimierung der öffentlichen Zielerreichung im konvergenten Kommunikationssektor, d. h., an der Erfüllung möglichst vieler öffentlicher Ziele im Kommunikationssektor.

Der Kontext und Handlungsspielraum der Vergabe der digitalen Dividende in Österreich wird sowohl durch nationale als auch durch internationale Akteure und Entwicklungen abgesteckt. Die internationalen Rahmenbedingungen und Eckpunkte ergeben sich zum einen aus Vorgaben und Empfehlungen internationaler und supranationaler Organisationen sowie zum anderen durch die Strategien der Nachbarländer.

Erwähnenswert ist hierbei, dass alle sechs europäischen Länder, die bereits eine Vergabeentscheidung getroffen haben, darunter auch die Nachbarländer Deutschland und Schweiz, sich entsprechend der Empfehlung der Europäischen Kommission für die Nutzung der oberen digitalen Dividende durch Breitband-Mobilfunk entschieden haben. Die volkswirtschaftliche Fragestellung der Studie besteht darin, in welcher Verwendung die durch technischen Fortschritt (Digitalisierung des Fernsehens) frei werdenden Frequenzen der oberen digitalen Dividende (790 bis 862 MHz) den höchsten gesamtwirtschaftlichen Wert für Österreich haben.

Die entscheidende Größe der Beurteilung ist der Inkrementalwert, das heißt der zusätzliche Wert, den die Vergabe des Inkrements (frei werdende Frequenzen) in verschiedenen Verwendungen (insb. Fernsehen, Breitband-Mobilfunk, Schnurlosmikrofone) hätte, wobei die beiden Ersteren im Mittelpunkt stehen. Der relevante Vergleich bezieht sich also nicht allgemein auf den Rundfunk (Fernsehen) bzw. Breitband-Mobilfunk insgesamt. Verglichen werden insbesondere die Inkrementalwerte dieser Frequenzen für

(a) das Fernsehen (z. B. zusätzliche Fernsehprogramme, Umstellung auf HDTV) und

(b) Ausmaß und Qualität der Versorgung mit mobilem Breitband in Österreich.

Unter dieser Prämisse wird zwischen vier grundsätzlichen Handlungsoptionen unterschieden, die als Szenarien bezeichnet werden und im Rahmen der Studie einer systematischen Analyse unterzogen wurden.

In der Analyse wird darüber hinaus zwischen folgenden drei Breitbandarten unterschieden:

Szenario 1: Vergabe an den Rundfunk

Eine volkswirtschaftliche Begründung für die Vergabe der oberen digitalen Dividende an das Fernsehen ist nicht ersichtlich. Der Rundfunk ist auch bei voller Erfüllung seines Frequenzbedarfs durch 10 HD- und 15 SD-Programme unter der Annahme der Einführung von DVB-T2 und MPEG4 nicht auf das Spektrum der oberen digitalen Dividende angewiesen. Eine Zuweisung dieses Spektrums an den Rundfunk ist daher nicht gerechtfertigt.

Szenario 2: Vergabe an den Breitband-Mobilfunk

Die Analyse zeigt, dass der Inkrementalnutzen der oberen digitalen Dividende für die Bevölkerung und die Unternehmen in Österreich besonders hoch ist, wenn sie vollständig für den Breitband-Mobilfunk und hier insbesondere zur flächendeckenden Versorgung ländlicher Räume verwendet wird. Dazu eignen sich die Frequenzen der digitalen Dividende im 800 MHz-Bereich aufgrund besonders günstiger Ausbreitungs-Charakteristika und der möglichen Mitnutzung von Standorten der 900 MHz-GSM-Netze außerordentlich gut.

Diese Verwendung liefert wesentliche Beiträge

- zur Schließung von Breitbandversorgungslücken (die bei Festnetz-DSL, Kabel-Modem etc. bestehen), von 1 % der Bevölkerung im Fall von Alpha-Breitband bzw. rund 4 % im Fall von Beta-Breitband

- zur Ermöglichung der mobilen/nomadischen Nutzung (für Einwohner, Geschäftsleute, Touristen etc.) und

-zur Verbesserung (Bandbreite, Preise etc.) von deren Angeboten.

Darüber hinaus werden durch die höheren Zugangsbandbreiten der einzelnen Funkteilnehmer auch sehr breitbandige Netzanbindungen der Funkstandorte notwendig, die wirtschaftlich meist nicht mehr sinnvoll durch Richtfunk realisierbar sind. Somit kann und wird die so verwendete digitale Dividende auch einen positiven Beitrag zum Rollout von Glasfasernetzen in Österreich leisten.

Auch können durch eine Entscheidung für die Nutzung für Breitband-Mobilfunk die entstehenden Skaleneffekte in Bezug auf Mobilfunkinfrastruktur und Endgeräte genutzt werden. Durch die bereits erfolgten Vergabeentscheidungen pro Mobilfunk in anderen Ländern existiert bereits ein potenzieller Endkundenmarkt von rund 220 Millionen Menschen in Europa.

Allerdings sind bei einer Vergabe an Breitband-Mobilfunk eine Reihe von Begleitmaßnahmen zu initiieren, um die möglichen negativen Auswirkungen auf TV-Kabelnetze, PMSE-Anwendungen und den terrestrischen Rundfunk zu minimieren, sowie eine zeitnahe Versorgung in ländlichen Gebieten sicherzustellen.

Szenario 3: Geteilte Nutzung für Rundfunk und Breitband-Mobilfunk

Eine volkswirtschaftliche Begründung für eine geteilte Vergabe der oberen digitalen Dividende an Rundfunk und Breitband-Mobilfunk ist nicht ersichtlich, da das Ziel der Verbesserung der Breitbandversorgung nicht signifikant gefördert werden kann.

Eine geteilte Nutzung des Spektrums der oberen digitalen Dividende für Rundfunk und Breitband-Mobilfunk ist auf Grund der Ineffizienz der Frequenznutzung, sowie der aus dieser Nutzungsart resultierenden Probleme nicht praktikabel. Darüber hinaus ist der volkswirtschaftliche Nutzen der Frequenzen der oberen digitalen Dividende geringer als im Szenario Nutzung für Breitband-Mobilfunk und sollte daher nicht zur Anwendung kommen.

Szenario 4: Aufschub der Entscheidung

Die frei werdenden Frequenzen gegenwärtig gar nicht zu vergeben, sondern abzuwarten, wie die weitere Entwicklung verläuft wäre dann akzeptabel, wenn die fraglichen Frequenzen gegenwärtig nicht wirklich benötigt würden und für die nächsten Jahre entweder auf der Angebotsseite (technische Innovationen, Produktentwicklungen etc.) oder auf der Nachfrageseite (Präferenzverschiebungen, neue Dienste mit anderen Anforderungen an die Übertragungsinfrastruktur etc.) wesentliche Veränderungen erwartet werden könnten, die andere Frequenznutzungen nahe legen würden. Die Nutzung für Breitband-Mobilfunk ist bezüglich der transportierten Inhalte nämlich eine sehr universelle Verwendung.

Die fraglichen Frequenzen werden jedoch gegenwärtig benötigt um die ländlichen Räume in Österreich mittels Breitband-Mobilfunk mit einer modernen Kommunikations-Infrastruktur voll zu versorgen und damit auch international wettbewerbsfähig zu sein. Ein Abwarten wäre also eine volkswirtschaftlich teure Option. Es ist nicht von Vorteil, eine absehbar notwendige Entscheidung nicht heute, sondern erst nach mehreren Jahren zu treffen. Diese Alternative wird als wirtschaftlich nicht sinnvoll beurteilt.