© Bild: ORF.at/Günter Hack, Tesla-Roadster

2050: Elektroautos verdrängen Benzinkutschen

MOBILITÄT
29.04.2010

Die Zukunft dürfte eine grundlegende Veränderung im Verkehr mit sich bringen. Glaubt man einer Studie des Umweltbundesamtes, sollen in 40 Jahren fast nur noch Elektroautos auf Österreichs Straßen rollen. Ob diese aber wirklich umweltfreundlich sind, darüber streiten die Experten nicht nur hierzulande.

Unter der Voraussetzung, dass sich die politischen, wirtschaftlichen und technischen Bedingungen zur Einführung und Entwicklung von E-Autos ideal entwickeln, soll es 2050 bereits rund fünf Millionen Elektrofahrzeuge in Österreich geben. Das wären drei Viertel des für 2050 prognostizierten gesamten Fahrzeugbestandes von rund sieben Millionen Autos. Heuer beträgt der Bestand an Elektroautos erst 436.

Nach dem vom Umweltbundesamt im Auftrag des Verbunds errechneten Szenario werden 2050 fast ausschließlich Stromautos neu zugelassen werden, Benzinautos wären damit so gut wie Geschichte, sagte Günther Lichtblau, Leiter der Abteilung Verkehr und Lärm beim Umweltbundesamt, Mittwochabend bei der Präsentation der Studie. 2075 soll es - unter günstigen Bedingungen - überhaupt nur noch Elektrofahrzeuge geben.

Infrastruktur muss hergestellt werden

Vertreter der Automobilindustrie haben heute auf dem 31. Internationalen Wiener Motorensymposium hingegen die Ansicht vertreten, dass der Verbrennungsmotor noch weit über das gerade begonnene Jahrzehnt hinaus die dominante Pkw-Antriebstechnologie bleibt. Die parallel dazu aufkommende Elektromobilität werde herkömmliche Antriebe noch auf Jahrzehnte nicht verdrängen können, hieß es in einer Aussendung des Österreichischen Vereins für Kraftfahrzeugtechnik (ÖVK) vom Donnerstag.

Bis es so weit ist, dass fossil betriebene Autos durch Elektroautos ersetzt werden, muss ohnehin noch viel geschehen. Selbst unter sehr günstigen Bedingungen wird die potenzielle Nachfrage das Angebot noch bis 2017 übersteigen. Erst dann dürften Elektrofahrzeuge bestimmter Fahrzeugklassen aller Hersteller in regulären Stückzahlen verfügbar sein. Zurzeit sind E-Autos und Plug-in-Hybridfahrzeuge vorwiegend in den unteren Klassen zu finden, es gibt keine Vielfalt an Marken, Klassen und Modellen. Auch die Infrastruktur, also Stromzugänge auf Parkplätzen, Tankstellen, Tiefgaragen oder direkt am Arbeitsplatz, muss erst hergestellt werden. Derzeit plant die Telekom Austria, Telefonzellen zu E-Tankstellen aufzurüsten.

Problem Akku

Eine der Barrieren, die einer breiten Einführung im Weg steht, ist die derzeit noch unzureichende Batteriekapazität. Heutige Elektrofahrzeuge können etwa 150 Kilometer im Stück fahren. Die Großserienproduktion für Lithium-Ionen-Batterien soll ab 2015 starten. Die Kosten eines Elektroautos dürften für die Kunden aber noch lange über denen eines durchschnittlichen Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor liegen. Derzeit verbraucht ein Elektroauto so viel Strom wie ein ganzer Haushalt in einem Jahr. Das klinge viel, in einen Verbrennungsmotor werde allerdings die dreifache Menge an Energie gesteckt wie in einen Haushalt, erläuterte Lichtblau.

In den nächsten Jahren wird sich also - bis auf einige Modellregionen, die sich der Elektromobilität verschrieben haben - nicht viel tun. Für 2020 erwartet das Umweltbundesamt einen Bestand von rund 200.000 E-Autos. 2025 sollen es schon fast 700.000 sein, 2030 1,6 Millionen, 2040 3,6 Millionen.

Senkung der CO2-Emissionen

Laut Lichtblau ist die Elektromobilität die "aussichtsreichste technologische Option" zur Reduktion der Treibhausgasemission. Da bei einer Nichterreichung des Zweigradzieles (maximaler mittlerer weltweiter Temperaturanstieg von zwei Grad Celsius bezogen auf die vorindustrielle Zeit) mit schlimmen Folgen des Klimawandels zu rechnen sei, müsse sich der Verkehr in Richtung Nullemission bewegen. "Die E-Mobilität könnte die CO2-Emission im Pkw-Verkehr bis 2050 um 80 Prozent senken", sagte Lichtblau. Bis 2020 sei das Einsparpotenzial noch nicht so groß und werde etwa 0,36 Mio. Tonnen CO2 betragen. Ab 2020 soll die errechnete Emissionsreduktion aber rasch zunehmen und 2030 schon knapp 2,5 Mio. Tonnen betragen. 2050 soll die Elektromobilität 5,6 Mio. Tonnen CO2 einsparen.

In 40 Jahren werde sich der für den Pkw-Verkehr benötigte Strom auf neun Terawattstunden (TWh) belaufen. Damit erspare man sich 32 TWh fossile Kraftstoffe. Da der eingesetzte Strom bei seiner Gewinnung ebenfalls Emissionen verursacht, soll er ausschließlich aus erneuerbaren Quellen wie Wasser, Wind oder Sonne stammen, so der Plan. In Österreich hat sich die 2009 gegründete Plattform "Austrian Mobile Power" das Ziel gesetzt, die Einführung der Elektromobilität zu forcieren. Die als Verein organisierte Plattform hat inzwischen 19 Mitglieder, darunter unter anderem Verbund, Siemens, Magna, KTM, Wien Energie, Rewe, Telekom Austria oder Raiffeisen.

Deutschland: Umweltschützer warnen

In Deutschland haben Umweltschützer am Donnerstag die Bundesregierung vor einer undifferenzierten Euphorie beim Elektroauto und vor einseitigen Subventionen gewarnt. Sie solle stattdessen mit einem "Marktanreizprogramm besonders sparsame Fahrzeuge unabhängig von der Technologie fördern, verlangte Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Zur Finanzierung sollten Spritschlucker mit einer Strafsteuer belegt werden. "In Frankreich hat sich dieses Bonus-Malus-System ausgesprochen bewährt."

Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz, der Naturschutzbund und der Verkehrsclub Deutschland erklärten, dass mit dem Elektroauto nicht die verkehrsbedingten Klimaschäden beseitigt sein. Stattdessen würden einseitig Elektro-Fahrzeuge gefördert, "während gleichzeitig der Verkauf spritfressender PS-Boliden mit erhöhter staatlicher Förderung weitergeht", sagte Resch. Sie erfüllten bei weitem nicht die EU-Grenzwerte für den durchschnittlichen Kohlendioxidausstoß von derzeit 130 Gramm je Kilometer.

Frankreich: E-Autos mit Atomstrom

Frankreich setzt unterdessen voll auf Elektrofahrzeuge, die hauptsächlich mit Atomstrom fahren sollen. Mit seinem Anteil von fast 80 Prozent Kernkraft an der Energieerzeugung sieht sich Frankreich in Sachen Klimaschutz als idealer Ort für die stromgetriebenen Fahrzeuge. Vor zwei Wochen unterzeichneten Staat, Autobauer, Energiekonzerne und Kommunen eine detaillierte "Charta" zur Förderung von Elektroautos. Sie sieht ab diesem Jahr Versuchsprojekte in einem Dutzend Städten vor. 20 private und staatliche Firmen verpflichteten sich, 50.000 Elektroautos bis 2015 zu kaufen. Geschätzter Wert der Ausschreibung: eine Milliarde Euro. Damit solle französischen Autoherstellern wie Renault und PSA Peugeot Citroen "eine ausreichende Nachfrage" verschafft werden, "um die Produktion von Elektroautos auf industrieller Basis aufzunehmen", erklärte das Umweltministerium.

Offizielles Ziel ist es, bis 2020 rund zwei Millionen Autos als reine Elektrofahrzeuge oder aufladbare Hybridmodelle auf Frankreichs Straßen zu bringen. Trotz riesiger Löcher im Haushalt buttert der Staat kräftig zu: Mehrere hundert Millionen sind als Unterstützung für den Bau von Batterie- und Elektroautofabriken eingeplant. Hinzu kommen die Kosten für den massenhaften Kauf von stromgetriebenen Autos durch Staatskonzerne wie die Post oder den Energiekonzern EDF. Und damit sich auch Privatleute Elektroautos anschaffen, gibt es vom Staat eine "Super-Umweltprämie" von 5.000 Euro pro Fahrzeug.

Atomenergie reicht nicht aus

Einer der größten Kostenpunkte sind die Ladestationen. Bis 2020 soll es davon nach den Regierungsplänen 4,4 Millionen geben - im Schnitt zwei pro Auto. Über 90 Prozent sollen in Wohnanlagen und Firmen entstehen und damit privat finanziert werden. Rund 400.000 sollen aber an öffentlich zugänglichen Orten aufgestellt werden. Die Kosten für sie müssten größtenteils von den Kommunen geschultert werden; sie werden auf 1,5 Mrd. Euro geschätzt. Der Staat hat dafür bis zu 900 Mio. Euro aus einer nationalen Anleihe für Zukunftsinvestitionen in Aussicht gestellt.

Trotz der detailreich ausgearbeiteten Pläne bleiben Unsicherheiten. Eine ist die Kapazität der Atomkraftwerke. Schon ohne eine Flotte von Elektroautos musste Frankreich wegen Wartungsproblemen und Ausfällen im vergangenen Winter erstmals wieder Strom importieren. Die Umweltbehörde Ademe räumt auch ein, dass die Rechnung mit den 20 Gramm CO2 pro Kilometer und Fahrzeug unter Bedingungen steht. Denn wenn die Franzosen ihre Elektroflitzer alle abends aufladen, wenn durch Kochen und Heizen die Kernkraftwerke ohnehin kaum ausreichen, müssten Kohle- und Gaskraftwerke zugeschaltet werden. Die sind aber oft bei weitem nicht so effizient wie in Deutschland, weshalb sich die CO2-Bilanz der französischen Elektroautos schnell verschlechtern könnte.

(APA/dpa/AFP/futurezone)