© APA/dpa/Bernd Weissbrod, Stromzähler

Energiesparen mit und in der IT

"MATRIX"
02.05.2010

Computer, Handys, Mikroprozessoren und Informationsnetzwerke steigern den Energiebedarf. Laut einer im Auftrag der EU-Kommission erstellten Studie soll der Verbrauch in der Informationstechnologie in 15 Jahren um 50 Prozent steigen, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Um Energie einzusparen, brauche man vor allem mehr IT, argumentiert dagegen die Computerindustrie.

Am Sonntag in "matrix"

Mehr über Energieeffizienz und Energiesparen in und mit Informatinstechnologien hören Sie am Sonntag um 22.30 Uhr im Ö1-Netzkulturmagazin "matrix".

In den vergangenen zehn Jahren habe sich die Anzahl elektronischer Kleingeräte in den Haushalten verzehnfacht, sagte Henning Schulzrinne, Leiter des Computer- und Elektronikinstituts an der New Yorker Columbia-Universität. 15 Milliarden elektronische Geräte werden 2015 im Umlauf sein, meinte Eve Schooler von Intel Labs Santa Clara auf der Konferenz Energy-Efficient Computing and Networking, die Mitte April an der Universität in Passau stattfand.

Die wissenschaftlichen Beiträge der 1st International Conference of Energy-Efficient Computing and Networking werden bei ACM veröffentlicht.

Unterschiedliche Zahlen

Wie hoch der Anteil der IT am Energieverbrauch und damit am Schadstoffausstoß ist, darüber wurden unterschiedliche Zahlen präsentiert. Manche Statistiken kommen zu dem Schluss, dass die Informations- und Kommunikationstechnik bereits genauso viel Energie verbraucht wie die gesamte Flugzeugindustrie. Demnach wären bereits zwei Prozent des globalen CO2-Ausstoßes der IT-Branche zuzurechnen.

Friedemann Mattern, Leiter der Forschungsgruppe für verteilte Systeme an der ETH Zürich, zitierte Zahlen für den europäischen Raum, die erstaunlich niedrig klingen: "Die Infrastruktur für das Internet und die Computer brauchen in den europäischen Ländern knapp ein Prozent der Energie. Gemessen am Stromverbrauch sind es rund fünf Prozent."

Zum Energieverbrauch zählt man abseits von Strom die industrielle Produktion, den Transport und auch die Entsorgung der Geräte.

Bei Statistiken immer auf den feinen Unterschied zu achten ist gar nicht so leicht. Denn während manche Statistiken etwa Spielekonsolen und Heimelektronik dazuzählen, scheinen sie in anderen Zahlenwerken nicht auf.

Fingerzeig nach China

Auch mit dem im Westen so beliebten Fingerzeig auf China wird nicht die ganze Geschichte erzählt.

Der CO2-Ausstoß in China ist heute zwar genauso hoch wie in den USA. Berücksichtigt man allerdings bei den Berechnungen die Einwohnerzahl, dann schneidet China noch immer weitaus besser ab. Der Westen ist daran auch nicht ganz unschuldig. Schließlich hat er die Geräteproduktion zu großen Teilen nach China ausgelagert.

In China wird an dem Problem auch gearbeitet. China werde etwa demnächst der größte Erzeuger von Windenergie sein, meinte Bernd Kosch, Leiter der Abteilung für Umwelttechnik von Fujitsu in München.

Energie ist nicht gleich Energie

Energiesparen ist nicht gleich Stromsparen. Es geht dabei um den Transport genauso wie um Wärme. Und Energie ist auch nicht gleich Energie. Man unterteilt sie in "gute" und "schlechte" Energie. Weshalb auch darüber diskutiert wird, ob es besser sei, Sonnenlicht, Raps oder Benzin zu tanken. Dabei steht weniger das Energiesparen als die Verlagerung des Energieverbrauchs zur Debatte. Bestenfalls geht es noch um Effizienz.

Dass sich auch die Hardware-Industrie darüber Gedanken macht, hat weniger damit zu tun, dass sie ihre "grüne" Ader entdeckt hätte. Vielmehr stieß sie an die Grenzen ihres Wachstums. Chips drohten zu überhitzten, also änderte man das Design der Prozessoren von Single Core zu Multi Core - egal ob die Kollegen der Software-Branche damit ein Problem haben oder nicht.

Stromversorger setzen auf Smart Grid

In der EU werden Haushalte derzeit mit digitalen Stromzählern ausgerüstet, um sie an das "Smart Grid" der Stromversorger zu hängen. Aber auch dabei geht es in erster Linie nicht ums Energiesparen, sondern um eine bessere Lastenverteilung des Stromverbrauchs.

Die Idee dahinter: Werden die Strompreise in Spitzenzeiten erhöht, können Privathaushalte dazu bewegt werden, ihre Geschirrspül- und Waschmaschinen nicht mehr um 18.00 Uhr, sondern ein wenig später einzuschalten. Das kommt vor allem den Energieversorgern zugute, weil sie sich damit den Zukauf von teurem Strom ersparen können. Ob sich das "Smart Grid" auch auf die Stromrechnung der Haushalte auswirken wird, bleibt abzuwarten.

Der Energieverbrauch im Haushalt

Generell sei das Energiesparpotenzial in den Haushalten gering, meinten die Wissenschaftler in Passau. Auch werde es den Konsumenten nicht leichtgemacht nachzuvollziehen, welche Geräte tatsächlich zu den "Stromfressern" zählen. Wer würde schon vermuten, dass ausgerechnet Wasserkocher und Kaffeemaschinen im Stand-by-Modus die Stromrechnung in die Höhe treiben?

Erstaunlich ist auch die Tatsache, dass der Stromverbrauch von Fernsehgeräten in den vergangenen Jahren nicht abnahm, sondern gleich blieb. Das habe wenig damit zu tun, dass in so manchen Familien mehrere Exemplare davon stehen, meinte Markus Weiss vom Bits to Energy Lab der ETH Zürich. Allein die Tendenz zu größeren Bildschirmen mache das Energiesparpotenzial der neuen Fernsehgeräte zunichte. Dazu kommen Zusatzgeräte wie Set-Top-Box, Videorecorder und Fernbedienung.

Always-on: Das ist ein Trend, der nicht nur für Kaffeemaschinen gilt, sondern auch für die Set-Top-Box, Handys, Rechner und Router. Der Stromverbrauch lässt sich auch an der Wärme, die diese Geräte abgeben, erahnen.

Energie sparen, so die Hoffnung der Wissenschaftler, werde man in Zukunft dank neuer Bildschirme aus Plastik, die keine Hintergrundbeleuchtung haben, sondern das Umgebungslicht besser ausnützen. Daran arbeitet man zumindest in den Labors. Auch die zunehmende Virtualisierung sehen manche als Lösung des Problems an.

Stichwort Cloud-Computing

Ein weiteres Stichwort ist Cloud-Computing, das Auslagern von Rechenleistung und Speicherplatz an Rechenzentren. Mit Diensten wie E-Mail-Hosting, dem Textverarbeitungssystem Google Docs, aber auch sozialen Kommunikationsdiensten wie YouTube und Facebook ist die Idee eigentlich älter, als sie klingt. Man könnte auch noch weiter in der Geschichte zurückgehen und sagen: Cloud-Computing ist "Timesharing", ein wenig weitergedacht. In den 1960er Jahren saßen Wissenschaftler vor dummen Terminals und teilten sich über ein Netzwerk die Rechenzeit eines Großrechners.

Heute hat zwar jeder die Rechenleistung dieser ehemaligen Supercomputer vor sich auf dem Schreibtisch stehen, dennoch wird man dazu animiert, zusätzlich den Speicherplatz und die Rechenleistung Dritter zu nutzen.

"Green IT"

Die Marketingabteilungen bringen dabei auch den Slogan "Green IT" in Stellung. Nicht nur Server, externe Festplatten, lokale Netzwerke und die Sorgen ums private Archiv könne man sich damit ersparen. Cloud-Computing eigne sich auch dazu, den weltweiten CO2-Ausstoß zu reduzieren. Das muss allerdings erst bewiesen werden. Denn sowohl für die Datenfernübertragung als auch für die Server im Rechenzentrum ist vor allem eines notwendig: Strom.

Laut einer Studie des japanischen Instituts für Informations- und Kommunikationstechnik (NICT) würde der Energiebedarf von hundert Routern, die eine Übertragungsrate von Petabit/s erlauben, die Energieproduktion eines ganzen Kernkraftwerks verschlingen. Das wäre der Preis für die Übertragung von noch mehr und noch schärferen Bildern und einem neuen Kinoerlebnis, so die Wissenschaftler.

Wenn die Industrie von "Green IT" spricht, dann meint sie nicht, dass sie in ihrem Sektor den Energieverbrauch reduziert, sondern - ganz im Gegenteil - steigert. "Die allgemeine Einschätzung ist die, dass man in der Lage wäre, bis zu 15 Prozent des Weltenergieverbrauchs durch IT zu senken. Dafür müsste aber der Verbrauch in der IT um drei Prozentpunkte erhöht werden", meinte Kosch. "Das würde bedeuten, dass für IT doppelt so viel Strom verbraucht wird wie heute. Damit könnte aber in anderen Bereichen eine Einsparung erzielt werden, die weit über diesen Zusatzverbrauch hinausgeht."

(matrix/Mariann Unterluggauer)