Österreichs Mobilfunklandschaft in Bewegung
Umsätzen, die seit Jahren sinken, steht ein hoher aktueller Investitionsbedarf für das kommende Superbreitband LTE gegenüber. Seitens der Finanzen wie auch der Technik deuten alle Zeichen auf irgendeine Art von Konsolidierung des österreichischen Mobilfunkmarkts. Auf die Regulationsbehörde RTR kommt eine Menge Arbeit zu.
Nun ist klar, dass die "digitale Dividende", nämlich der obere Bereich des ehemals analogen TV-Bandes (790 bis 862 MHz) nach deutschem Vorbild auch in Österreich von den TV-Stationen an die Mobilfunker gehen wird.
Weiters steht fest, dass die Versteigerung dieser Frequenzen hierzulande nach einem anderen Modus ablaufen wird als in Deutschland, denn dort werden sowohl die Bänder zwischen 790 und 862 MHz gerade in einem Aufwaschen versteigert wie auch die neuen 2,6-GHz-Frequenzen für das mobile Superbreitband LTE.
In Österreich ist die Ausschreibung dieses Bereichs gerade angelaufen, als voraussichtlichen Zeitpunkt der Auktion gibt die RTR den September an. Besonderes spannend wird das nicht, denn hier gibt es genug Frequenzen für alle. Wer von den vier Mobilfunkunternehmen aber wann wie viel vom knappen, heiß begehrten Spektrum der "digitalen Dividende" bekommt, ist noch völlig offen. Fraglich ist auch, ob es zum Zeitpunkt der Versteigerung hierzulande noch vier voneinander unabhängige Bieter geben wird.
Knappe Frequenzen
Eine ganze Reihe von Faktoren spricht für eine Marktkonsolidierung, eine Schlüsselrolle kommt dabei den Frequenzen im unteren Bereich zu, nämlich den bisherigen GSM-900-Bändern (880 bis 915 und 925 bis 960 MHz), sowie den neu dazugekommenen, die fast direkt benachbart sind.
Funk auf diesen Wellenlängen hat nicht nur eine viel größere Reichweite als im UMTS/HSPA-Bereich oder gar in den designierten LTE-Bereichen (zwei bzw. 2,6 GHz), er dringt auch weitaus besser in Gebäude ein. Aus Brüssel wurde mit einer Verordnung im Rahmen des Telekompakets bereits grünes Licht gegeben, sowohl den 900er-Bereich, in dem europaweit bis jetzt nur GSM gefunkt werden durfte (GSM-Refarming), als auch die ehemaligen analogen TV-Bänder mit schnellem Breitband zu bespielen.
Die Situation in Österreich
Als seitens des Verkehrsministeriums am Dienstag offiziell bekanntgegeben wurde, dass die Frequenzen der "digitalen Dividende" an die Mobilfunkbetreiber vergeben würden, reagierten diese naturgemäß erfreut über den Zuschlag.
Das Problem dabei ist erstens, dass für vier Anbieter insgesamt nicht genug Bandbreite zur Verfügung steht, auch wenn sämtliche GSM-900-Kanäle, also die Telefonie, in den GSM-1.800er-Bereich migriert würde. Zweitens sind die GSM-900-Bänder unter den Wettbewerbern nicht nur extrem ungleich verteilt, sondern auch noch zersplittert. Um LTE effizient auszubringen, braucht es aber am besten einen durchgehenden Bereich von 2 x 20 MHz pro Mobilfunkunternehmen, den momentan keiner der vier Anbieter im Portfolio hat.
Das Beispiel England
Verhandlungen sind also unvermeidlich, und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es zu engen Kooperationen vor allem zwischen Nicht-Marktführern kommt. In diesem Lichte ist auch das im April endgültig genehmigte Joint Venture zwischen T-Mobile UK und Orange in Großbritannien zu sehen. Durch den Zusammenschluss stieg man nicht nur zum englischen Mobilfunkmarktführer auf, eine Schlüsselrolle spielte dabei die Breitbandausbaustrategie.
Anders als die beiden großen Mitbewerber Vodafone und O2 (Telefonica) haben T-Mobile (Deutsche Telekom) und Orange (France Telekom) nichts zum "Refarmen", da sie in England ausschließlich über GSM-1.800-Frequenzen verfügen. Das neue Joint Venture ist also für den Breitbandausbau auf Bänder aus der "digitalen Dividende" angewiesen, um die man sonst eine Bieterschlacht auch gegeneinander hätte führen müssen.
Der britische Markt ist zwar weit größer als der österreichische, aber in seiner Umkämpftheit durchaus vergleichbar. Mit nunmehr vier statt fünf Mobilfunkunternehmen sind es aktuell ebenso viele wie im vergleichsweise winzigen Österreich.
400 Millionen Euro für zehn MHz
Die laufende Auktion in Deutschland zeigt, dass die "digitale Dividende" auch nach 115 Versteigerungsrunden beim momentanen Preis von rund 400 Millionen Euro pro 2x5-MHz-Block noch Potenzial nach oben hat. Im LTE-Bereich (2,6 GHz) ist die gleiche Bandbreite dabei um wohlfeile zehn Millionen zu haben.
Ein weiterer wichtiger Punkt, der künftige Kooperationen - in welcher Form auch immer - hierzulande sehr wahrscheinlich macht, betrifft die Hardware. Während das Aufstellen neuer Luftschnittstellen (Masten) immer schwieriger wird, ist es technisch längst möglich, sowohl Feeds als auch Antennen auf den Masten gemeinsam zu nutzen.
Seit etwa einem Jahr ist immer mehr Equipment auf dem Markt, das "RAN-Sharing" (Radio Access Network) ermöglicht, die neuesten Basisstationen (NodeBs) können sogar zwei verschiedene Betreibernetze gleichzeitig bedienen.
Laufende Investitionen
Wer in HSPA+ investiert - und das tun alle Anbieter in Österreich -, hat zwar bereits die für LTE nötige Hardware, das Roll-out kostet jedoch weitere Lizenzgebühren für die Software, deren Preis im Telekombereich stets sehr hoch ist. Wesentlich teurer wird die Anbindung der Stationen, von denen bereits vor Einführung von LTE mit HSPA+ "bis zu" 42 MBit/s in Richtung Glasfaser-Backbone abzutransportieren sind.
Mobile Daten plus 200 Prozent
Anstatt sich wie bisher jährlich zu verdoppeln, wächst das Datenaufkommen in UMTS-Netzen in den letzten Monaten hochgerechnet gegen 200 Prozent. Bereits heuer werden die Datenraten in den Netzen trotz HSPA-Aufrüstung weltweit nachgeben, hieß es in einem Marktreport der Beratergruppe Unwired Insight im vergangenen Herbst. Einige Betreiber stünden daher vor schweren Entscheidungen.
Orange und "3" (Hutchison 3G), die ihre Sendemasten bis jetzt großteils mit Richtfunkstrecken vernetzt haben, müssen ihre Glasfaser-Backbones für den LTE-Betrieb enorm ausbauen. T-Mobile wiederum muss in erster Linie bei der Telekom Austria angemietetes Kupfer ebenso durch Glasfaserstrecken ersetzen.
Die mobilkom wiederum kann für ein Upgrade ihrer Leitungen auf das bei weitem am besten ausgebaute Glasfasernetz zurückgreifen. Das ist bereits im Gange, bis 2013 sollen mehr als 4.000 Basistationen mit Glasfaser angebunden sein.
Multipler Regulationsbedarf
Auf die RTR kommt also eine Menge Arbeit zu, wobei die Versteigerung der LTE-Frequenzen im September die einfachste Aufgabe ist. Erstens ist das "Refarming" von GSM-900-Frequenzen zu regulieren, damit mobiles Breitband dort überhaupt möglich ist. Sodann - eigentlich parallel dazu - müssen Regeln für die Vergabe jener 2 x 35 MHz getroffen werden, die im Rahmen der "digitale Dividende" anfallen.
Um Wettbewerbsnachteile für jene Anbieter zu vermeiden, die in den österreichischen Markt eingetreten waren, als alle GSM-900-Frequenzen schon vergeben waren, ist eine ausgewogene Regelung gefragt, was alles zusammen nicht einfach wird.
Links
Der Ablauf der Versteigerung lässt sich auf der Website der deutschen Bundesnetzagentur mitverfolgen.
Und dann muss der Regulator auch noch entscheiden, welche Kooperationen unter den Netzbetreibern künftig möglich sind und welche wettbewerbsverzerrend wirken. Alle Zeichen stehen nämlich darauf, dass etwas in diese Richtung passieren wird, wenn auch das Ausmaß noch nicht absehbar ist.
Seit 2007 sinken jedenfalls bei allen österreichischen Betreibern die Durchschnittsumsätze pro Kunde (ARPU) auf einem "reifen Markt" - dem steht der größte Schub an Investitionskosten seit Jahren gegenüber, der bereits angelaufen ist.
(futurezone/Erich Moechel)