"Wettbewerb soll Netzneutralität sichern"
Eine Expertenrunde hat am Dienstagabend in Wien das Thema Netzneutralität diskutiert. Wie auch die EU-Kommission waren die Beteiligten vorwiegend der Meinung, dass der freie Wettbewerb die Netzneutralität sichere.
Unter dem Motto "Netzneutralität - Wie neutral ist das Internet?" lud der österreichische Provider-Verband ISPA die Experten zu einer Diskussion ein. Nachdem die Diskussionen in den USA darüber bereits vor fünf bis sechs Jahren begonnen haben, findet das Thema nun auch hierzulande Gehör. Netzneutralität bedeutet, dass Netzbetreiber alle Daten gleich behandeln und beispielsweise nicht sperren oder bremsen dürfen.
Hintergrund sind die von der Europäischen Kommission kürzlich im Rahmen des Telekompakets dazu festgelegten Regeln. Die EU-Mitgliedsstaaten sind jetzt dazu aufgerufen, die Netzneutralität in nationale Gesetze zu gießen. Die Richtlinie sieht unter anderem vor, dass der Internet-Anbieter den Kunden informieren muss, wenn er den Datenverkehr drosselt.
Google sagte ab
Wie brisant das Thema ist, zeigte die kurzfristige Terminabsage einer Vertreterin von Google. Die Lobbyistin sei von der Zentrale des Internet-Konzerns gebeten worden, derzeit keine Statements zur Netzneutralität abzugeben, sagte Moderator und ISPA-Generalsekretär Andreas Wildberger.
Ivan Brincat von der Generaldirektion Informationsgesellschaft und Medien der EU-Kommission eröffnete die Diskussion und betonte, dass die Kommission die Netzneutralität als politisches Ziel formuliert habe. Meinungsfreiheit, Transparenz und faire Bedingungen seien sicherzustellen, um Innovationen im Internet, also neue Geschäftsmodelle, zu fördern.
Die nationalen Regulierungsbehörden seien dafür zuständig, "die Beeinträchtigung der Dienstleistungen und die Behinderung oder Verlangsamung des Verkehrs über öffentliche Netze zu verhindern". Eine Chance sei etwa ein Preismanagement, wonach Kunden, die mehr Bandbreite wollen, auch mehr dafür zahlen müssten. Schließlich sei aber eine Balance zwischen den Interessen allen Parteien herzustellen, so Brincat.
In puncto Netzneutralität herrschte auf der Berliner Social-Media-Konferenz re:publica im April keine Einigkeit. Während Verbraucherschützer und der Chaos Computer Club (CCC) genaue gesetzliche Regeln forderten, meinte eine Vertreterin der deutschen Bundesnetzagentur, dass Wettbewerb zwischen den Netzbetreibern oft schon ausreiche.
"Transparenter Wettbewerb
Für Andreas Peya, bei Verizon Business für die Regulierungsstrategie unter anderem auch in Österreich zuständig, ist der "transparente Wettbewerb" wichtig. In Europa sei der Konzern mehr auf Geschäftskunden ausgerichtet, und diese würden die verlangte Qualität auch bekommen und bezahlen. Für den Privatkunden hingegen sei Transparenz dafür nötig, dass dieser wisse, "was er einkauft und was er dafür bekommt". Somit entscheide er selbst über die Menge an Bandbreite, die er kaufe, und die Qualität des Providers.
Datenschutzexperte Andreas Krisch, Präsident von European Digital Rights (EDRi), betonte die Wichtigkeit dessen, jedem Nutzer einen gleichwertigen Zugang zu geben. Peyas Vertrauen auf die Privatkunden konnte er aber nicht teilen. "Die Endanwender haben kein Interesse an technischen Details", so Peya. Zudem "kommt den Nutzern eine wesentliche Rolle zu, weil sie den Markt bestimmen, das heißt, wo sich Geld verdienen lässt", so Krisch - weshalb sie auch die Freiheit haben sollten.
Deep Packet Inspection (DPI) ist zum Reizbegriff für Datenschützer und Netzaktivisten geworden. Diese Netzwerküberwachungstechnik lässt tief in den Datenstrom blicken. Sie kann für das Netzwerkmanagement nützlich sein, aber auch Zensur und gezielte Benachteiligung von Diensten im Netz ermöglichen. Das bedeute eine Gefahr für die Netzneutralität.
Regulierungsbehörde gefragt
Im Ministerium werde die Netzneutralität noch nicht sehr "prominent diskutiert", sagte Christian Singer vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) im Bereich Telekom/Post. Der Leiter der Rechtsabteilung betonte vor allem, dass es noch keine klare Definition des Begriffs "Netzneutralität" gebe und der "Inhalt noch sehr schwammig" sei.
"Die Nutzer brauchen einen offenen Zugang", so Singer. Wie aber auch Peya und Brincat ist er der Meinung, dass der Wettbewerb Engpässe vermeiden könne und die Qualität sichern würde - beides aber auch mit der freien Meinungsäußerung, Transparenz und vor allem der Frage der Rechtssicherheit übereinstimmen müsse. "Wir können aber keinen Wettbewerb sicherstellen, das ist möglicherweise Aufgabe der Regulierung", so Singer.
Peya schlug einen runden Tisch mit den Beteiligten und unter der Moderation der Regulierungsbehörde vor, um Standards für die Netzneutralität festzulegen. Wobei er wiederum betonte, dass dabei "stark auf die Kräfte des Wettbewerbs zu vertrauen" sei.
(futurezone/Claudia Glechner)