© Screenshot: ORF.at, Acta-Site der EU-Kommission

EU-Parlament: Seitenhiebe gegen ACTA

EUROPA
05.05.2010

Das EU-Parlament hat am Mittwoch auf seiner Sitzung in Brüssel mit großer Mehrheit einen Bericht zur "digitalen Agenda" der Union bis 2015 verabschiedet. Die Volksvertretung spricht sich darin unter anderem dafür aus, Bürgerrechte und Netzneutralität zu stärken, und lehnt die im Anti-Piraterie-Abkommen ACTA vorgesehene Haftung von Internet-Providern für Inhalte in ihren Netzen klar ab.

Verfasst wurde er unter Leitung der spanischen Konservativen Pilar del Castillo Vera im federführenden Industrieausschuss.

In dem umfangreichen Bericht geht es um die Leitlinien der Entwicklung digitaler Informationssysteme in der EU in den kommenden fünf Jahren. Während die Mitteilung des EU-Parlaments den Aspekt des Ausbaus der europäischen Breitbandnetze in den Vordergrund stellt, haben die Volksvertreter sich auch zu Datenschutz- und Urheberrechtsthemen geäußert. Sie stellen sich dabei auf die Seite der Konsumenten.

Bürgerrechte im digitalen Raum

So heißt es in dem Bericht: "Alle Nutzer sollten die Kontrolle über ihre persönlichen Daten haben." Die Rechte der Bürger im digitalen Raum sollen jenen entsprechen, die sie auch im "realen" Raum haben. Das Parlament fordert die Institutionen der EU zur Formulierung einer Charta der Bürger- und Verbraucherrechte im digitalen Umfeld auf. Diese solle bis 2012 erstellt werden.

Auch zum Thema Netzneutralität nimmt das Parlament in seinem Bericht Stellung. Es verlangt, "für ein offenes Internet zu sorgen, in dem Bürger das Recht und gewerbliche Nutzer die Möglichkeit haben, auf Informationen zuzugreifen und Informationen zu verbreiten oder Anwendungen und Dienste ihrer Wahl zu benutzen, wie es im neuen Rechtsrahmen vorgesehen ist". Es fordert "die Kommission, das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) und die nationalen Regulierungsbehörden auf, die Vorschriften zur 'Netzneutralität' zu befürworten, ihre Durchführung genau zu überwachen und dem Europäischen Parlament bis Ende 2010 darüber Bericht zu erstatten".

Nicht zuletzt findet sich in dem Bericht die Aufforderung an die Kommission, "in der EU stärker auf die Anwendung von Software mit frei zugänglichem Quellcode zu setzen".

Seitenhiebe gegen ACTA

Indirekt spricht sich das Parlament auch gegen die in den Verhandlungen über das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA vorgesehene Haftung der Provider für Inhalte in ihren Netzen aus. So heißt es in dem Bericht, das Parlament vertrete die Auffassung, "dass im Unionsrecht die in der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr eingeführte Bestimmung über die 'reine Durchleitung' als entscheidendes Mittel, den freien und offenen Wettbewerb auf dem IKT-Markt möglich zu machen, erhalten bleiben sollte". Eine klare Absage an die Pläne der Medienindustrie, die Provider zu ihren Hilfssheriffs zu machen.

Was die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen angeht, plädiert das Parlament für mehr Augenmaß: Es "hebt hervor, dass das Internet, das viele neue Chancen für die Verbreitung von Produkten kreativer Tätigkeit und den Zugang zu ihnen eröffnet, auch neue Herausforderungen mit sich bringt, was die Sicherung des Datenraums der Europäischen Union gegen neuartige Straftaten und Rechtsverletzungen betrifft; ist der Ansicht, dass Sanktionen als mögliche Instrumente zur Durchsetzung des Urheberrechts sich grundsätzlich gegen gewerbliche Nutzer und weniger gegen einzelne Bürger richten müssen". Das kann und sollte als eine Absage an Netzsperrpläne vom Typ "Three Strikes Out" gelesen werden.

Auftakt zur nächsten Runde

Die Statements des Parlaments zu Themen, die das Urheberrecht im digitalen Umfeld betreffen, sind auch deshalb wichtig, weil sie kurz vor der Debatte über den Bericht der Sarkozy-Parteigängerin Marielle Gallo im Justizausschuss zu diesem Thema verabschiedet wurden. Die Abstimmung über den Gallo-Bericht ist von vergangener Woche auf die nächste Sitzung des JURI-Ausschusses verschoben worden, der am 31. Mai und am 1. Juni tagen wird.

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